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Drohnen drohen Lateinamerika

Militärexperten erwarten Ausweitung des US-Einsatzes und warnen vor Konflikten

Von Harald Neuber *

Washington denkt daran, seine Flotte unbemannter Flugkörper im Süden des Kontinents zu verstärken, um den schwindenden Einfluss dort zu kompensieren.

Zurzeit seien die rund 7500 militärischen Drohnen der US-amerikanischen Armee fast ausschließlich im Nahen und Mittleren Osten im Einsatz, schrieb unlängst Patricio Barnuevo vom »Council on Hemispheric Affairs«, einem Washingtoner Think-Tank aus dem Umfeld der Demokratischen Partei. Doch müsse man davon ausgehen, »dass das Südkommando der US-Armee einer extremen Steigerung seiner militärischen Drohnenflotte in Lateinamerika entgegensieht«. Das SOUTHCOM ist das regionale Kommandozentrum für die Koordination und Führung aller militärischen Operationen der USA in Süd- und Mittelamerika. Barnuevo und andere Beobachter des US-Militärs gehen davon aus, dass Washington so den abnehmenden Einfluss in Lateinamerika und der Karibik zu kompensieren versucht. Dies könnte dem Pentagon in dem Maße gelingen, wie im Mittleren Osten und Zentralasien Ressourcen frei werden.

Die Menschenrechtsorganisation »Washington Office on Latin America« warnte auch vor der zunehmenden Verlegung von Elitesoldaten der US Navy Seals aus Irak und Afghanistan nach Lateinamerika. Doch hier finden die Militärs weniger Handlungsspielraum: Links regierte Staaten wie Venezuela, Bolivien und Ecuador haben das US-Militär in den vergangenen Jahren ihrer Länder verwiesen. Der Einsatz militärischer Drohnen könnte diesen verlorenen Spielraum wieder wettmachen.

Nach Angaben von Barnuevo sind derzeit lediglich neun Drohnen zur Überwachung der Grenze zwischen den USA und Mexiko im Einsatz. In Mexiko habe das dort zuständige »Nordkommando« der US-Armee bereits seit 2009 unbemannte Flugobjekte eingesetzt. Allerdings fielen die Ergebnisse bescheiden aus: Gerade einmal zwei Prozent der festgesetzten Einwanderer ohne Papiere seien mit Hilfe von Überwachungsdrohnen aufgespürt worden.

Dennoch haben das Washingtoner Heimatschutzministerium und das Südkommando der US-Armee nach einem Bericht der »Los Angeles Times« 2011 und 2012 Drohnen im Gebiet der Bahamas getestet. Die Ergebnisse waren auch hier bescheiden, die Kosten mit 3000 US-Dollar pro Stunde hoch. Dessen ungeachtet halten die Militärs an der Ausweitung des Einsatzes fest, vordergründig zur Bekämpfung des Drogenhandels.

Die politische Brisanz dieser neuen Militärtechnologie, die sowohl zur Überwachung als auch als Angriffswaffe genutzt werden kann, wurde Ende 2009 deutlich, als Caracas das mit den USA alliierte Kolumbien bezichtigte, Spionagedrohnen im venezolanischen Luftraum eingesetzt zu haben.

Neben dem wahrscheinlich zunehmenden Einsatz von US-amerikanischen Dohnen in Lateinamerika haben bereits 14 Staaten der Region eigenen Zugriff auf diese neue Technologie. Die Flugkörper stammen aus den USA, aus Israel und Iran – je nach außenpolitischer Orientierung der Regierungen. Eine gesetzliche Regelung zum Einsatz der Flugkörper – wie in den USA und Kanada – existiere aber lediglich in Brasilien, sagte dieser Tage der argentinische Jurist und ehemalige Vorsitzende der Interamerikanischen Menschenrechtskommission Santiago A. Canton. Die fehlenden Regeln erhöhten das Risiko von bilateralen Konflikten.

* Aus: neues deutschland, Montag, 18. November 2013


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