Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Die Erde retten

Gipfel in Doha: Südamerikanische Staaten und Arabische Liga für multipolare Weltordnung

Von Benjamin Beutler *

Kritische Empfehlungen an das gegenwärtig in London stattfindende G-20-Meeting kommen aus Südamerika. Das am Dienstag in Katars Hauptstadt Doha zu Ende gegangene Gipfeltreffen »Südamerika – Arabische Länder« (ASPA) nutzten vor allem die progressiven Staatsoberhäupter aus Venezuela, Bolivien, Chile und Brasilien, um ihre »sehr starke Botschaft« an die in London Tagenden zu formulieren. »Von der G-20-Versammlung erwarten wir eine schnelle Koordination in der Steuerpolitik, um den drohenden globalen Nachfrage-Kollaps zu verhindern«, forderte Chiles Präsidentin Michelle Bachelet im Namen der anwesenden zwölf Länder der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR).

Diese rohstoffexportierenden Länder leiden immer stärker unter der wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Zentren Europa und USA, wo die Krise ihren Anfang nahm. Deren seit der Kolonialzeit bis heute bestehende Abhängigkeit gehe aber langsam zu Ende, hofft Bachelet. Denn angesichts zunehmender Süd-Süd-Kooperation sei »ein neuer, weltweiter Sozialvertrag« in greifbarer Nähe. So hat der Handel Südamerikas mit dem Nahen Osten seit 2004 um 130 Prozent von elf auf 30 Milliarden US-Dollar jährlich zugenommen. Boliviens sozialistischer Präsident Evo Morales forderte »konkrete Maßnahmen gegen die Imperien, gegen das kapitalistische System, um vereint gegen die internationale Krise vorzugehen«. Der Kapitalismus sei gegen das Leben auf der Erde. »Wenn wir die Menschheit vor dem Untergang bewahren wollen, dann müssen wir zuerst die Erde retten«, so Morales.

Venezuelas Präsident Hugo Chávez machte derweil Werbung für eine einheitliche Währung aller erdölproduzierenden OPEC-Staaten, den »Petrodollar«. Die »Diktatur des Dollars« könne beendet werden, eine »neue Architektur befördert die Entwicklung Südamerikas und anderer Regionen der Welt«. Brasiliens Staatsoberhaupt Luis Inácio Lula da Silva sprach sich derweil für mehr staatliche Regulierung und Transparenz auf den Finanzmärkten aus. Auch internationale Organisationen seien demokratischer zu gestalten. Von den insgesamt 34 ASPA-Mitgliedern nehmen lediglich Saudi-Arabien, Brasilien und Argentinien am exklusiven Londoner G-20-Treffen teil. In der Abschlußerklärung der 22 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga (AL) und der zwölf UNASUR-Länder wurde schließlich die »Notwendigkeit eines neuen internationalen Finanzsystems« bekräftigt. Nur so könne der »finanziellen Spekulation« Einhalt geboten werden. Neue Mechanismen und Formen der Zusammenarbeit zwischen den Ländern des Südens seien notwendig, um die aktuelle weltweite »Krise und Armut« zu überwinden.

Für zusätzliche Brisanz am Rande sorgte wie gewohnt Hugo Chávez. Er erklärte sich solidarisch mit Sudans Präsidenten Omar Al-Baschir, der ebenfalls nach Doha gereist war und gegen den der Internationale Gerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen einen internationalen Haftbefehl erlassen hatte. Chávez forderte das Den Haager Tribunal auf, es solle dann doch den Expräsidenten der USA, George W. Bush »anfangen zu suchen, er ist ein Völkermörder«.

* Aus: junge Welt, 2. April 2009


Zurück zur Lateinamerika-Seite

Zur Nahost-Seite

Zur Globalisierungs-Seite

Zurück zur Homepage