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Freundschaftstour durch Südamerika

Venezuelas Präsident Hugo Chávez reist nach Argentinien, Uruguay, Ecuador und Bolivien

Von Harald Neuber *

Es geht ihm vor allem darum, Wogen zu glätten. Einen Tag bevor Venezuelas Präsident Hugo Chávez am Montag zu einer Rundreise durch vier südamerikanische Staaten aufbrach, räumte er mit einem »Mißverständnis« auf. Im Streit um den Beitritt seines Landes in das regionale Freihandelsbündnis Mercosur habe er nie eine Frist gesetzt. »Ich habe niemandem ein Ultimatum gestellt«, sagte er am Sonntag in seiner Radio- und Fernsehsendung »Aló Presidente«, »außer uns selbst«. Im Juli war es zu ­Spannungen zwischen Venezuela und Brasilien sowie Paraguay gekommen, weil die Parlamente der letztgenannten Staaten den Eintritt des Karibikanrainers in den Handelsverband blockieren.

Die Rundreise soll nun offenbar für eine Annäherung sorgen. Vor allem die Allianz mit Argentinien wird gefestigt. Dessen Präsident Néstor Kirchner war schon in den vergangenen Wochen als Vermittler aufgetreten. In Buenos Aires wird Chávez voraussichtlich Staats­anleihen in einem Gegenwert von einer Milliarden US-Dollar ankaufen. Schon in den vergangenen Jahren hatte Venezuela argentinische Anleihen in Höhe von insgesamt vier Milliarden US-Dollar übernommen – und damit entschieden zur Entschuldung des südamerikanischen Staates bei Weltbank und IWF beigetragen.

Was von der chávezkritischen Presse in Lateinamerika und Europa als »Kauf von Einfluß« bezeichnet wird, ist Teil einer konsequenten Außenpolitik der venezolanischen Regierung. Chávez will die Mehreinnahmen durch den hohen Erdölpreis auf dem Weltmarkt nutzen, um befreundeten Staaten in ihren Finanz- und Sozialprogrammen beizustehen. Medizinische Initiativen wie die »Misión Milagro«, die Patienten aus mehreren Staaten der Region Augenoperationen in Kuba kostenlos ermöglicht, gehören ebenso zu dieser Linie wie günstige Öllieferungen. Neben Kuba erhält unter anderem auch Uruguay täglich 40000 Barrel (1 Barrel = 159 Liter) des kostbaren Rohstoffs zu Vorzugspreisen.

Obwohl vor allem in Brasilien rechtsgerichtete Politiker entschieden gegen eine solche solidarische Strategie im Mercosur eintreten, weil sie das Bündnis lieber an der Seite der USA und der EU wissen wollen, setzt die Regierung in Brasilia auf Annäherung. Außenminister Celso Amorim unternehme alles, um den Eintritt Venezuelas zu beschleunigen, lobte der venezolanische Präsident. Und auch in Paraguay »mehren sich die Stimmen«, von denen die Blockade, hinter der Chávez die USA sieht, hinterfragt wird.

So setzt Venezuela weiter auf seine regionale Integrationspolitik. In Uruguay wird er mit seinem Amtskollegen Tabaré Vázques zusammenkommen. In Ecuador und Bolivien sollen weitreichende Kooperationsprojekte in der Erdölindustrie in Gang gebracht werden. Allein der Aufbau einer Raffinerie der Staatsunternehmen PdVSA und Petroecuador an der ecuadorianischen Pazifikküste wird auf fünf Milliarden US-Dollar beziffert. Für die Gegner einer Kooperation mit Venezuela wird es in Anbetracht solcher Projekte schwieriger, die Zusammenarbeit mit den USA als vorteilhafter für die lateinamerikanischen Staaten darzustellen.

Aus: junge Welt, 7. August 2007


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