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Neuer Machtfaktor

Die Bolivarische Allianz ALBA ist bei einem Gipfeltreffen in Venezuela auf neun Mitglieder angewachsen

Von André Scheer *

Die vor knapp fünf Jahren von Kuba und Venezuela gegründete Staatengemeinschaft ALBA ist am Mittwoch auf neun Mitglieder angewachsen. Bei einem Gipfeltreffen im venezolanischen Maracay erklärten Ecuador, San Vicente und die Grenadinen sowie Antigua und Barbuda ihren Beitritt zu der Organisation und wurden von den bisherigen Mitgliedern Kuba, Venezuela, Bolivien, Nicaragua, Honduras und Dominica begrüßt.

In einer offiziellen Zeremonie verlas Ecuadors Außenminister Fander Falconi Benitez die Beitrittserklärung seines Landes, die anschließend vom Präsidenten des Landes, Rafael Correa, unterzeichnet wurde. Unmittelbar darauf verlas Venezuelas Präsident Hugo Chávez die von den bisherigen Mitgliedern unterzeichnete Erklärung zur Aufnahme Ecuadors und der beiden Karibikstaaten. Zugleich wurde der Name des Bündnisses von »Bolivarische Alternative« in »Bolivarische Allianz für die Völker Unseres Amerika« geändert, um so die neue Bedeutung zu unterstreichen. Denn längst ist ALBA, das als eher propagandistische Alternative zum von den USA betriebenen Projekt einer gesamtamerikanischen Freihandelszone (ALCA) entstanden war, zu einem Machtfaktor in der Region geworden. Zuletzt spielten die ALBA-Mitglieder ihre Bedeutung bei der Generalversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) aus, als maßgeblich sie die Aufhebung des Ausschlusses Kubas durchsetzten.

»ALBA ist kein theoretischer Vorschlag mehr, sondern eine territorialpolitische, geopolitische und machtpolitische Plattform«, betonte auch Venezuelas Präsident Hugo Chávez und unterstrich damit eine entsprechende Äußerung des als Beobachter an dem Treffen teilnehmenden Außenministers von Paraguay, Héctor Lacognata. »Wir errichten eine neue Realität. Jeden Tag ist die Stimme von ALBA mehr zu hören und jeden Tag hat sie mehr Einfluß auf die geopolitische Realität dieses Kontinents.« Über einen eventuellen Beitritt Paraguays zur ALBA wollte sich Chávez jedoch nicht äußern. Darüber müsse die Regierung dieses Landes entscheiden.

Auf Vorschlag des ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa wurde bei dem Treffen in Maracay ein Politischer Rat der Allianz geschaffen, der von den Außenministern der Mitgliedsstaaten gebildet wird und erstmals am 27. Juli in Quito zusammenkommen soll. Wie Correa formulierte, soll durch diese neue Stärkung der ALBA-Gremien auch ein Abrutschen der Allianz in einen Ökonomismus verhindert werden, wie es andere Integrationsprozesse erlebt haben. Offen blieb jedoch zunächst, worin sich der Politische Rat von dem ebenfalls durch die Außenminister gebildeten Ministerrat unterscheidet. Chávez regte bereits an, beide Gremien zusammenzulegen und zu ermächtigen, Erklärungen zu politischen Ereignissen weltweit abzugeben. »ALBA sollte keines der politischen Themen beiseite schieben, die Tag für Tag die Welt umkreisen«, forderte der venezolanische Präsident.

Als Beispiel nannte er die Krise der UNO und der OAS: »Sie nutzen unseren Völkern nicht, und wenn sie unseren Völkern nicht nutzen, nutzen sie für gar nichts. Entweder wir strukturieren sie um, oder sie werden als Institutionen verschwinden«. Beide internationalen Organisationen gehorchten vor allem den Interessen mächtiger Staaten, von denen der Kampf der Völker gegen die Aggressionen und die Verletzung der Souveränität der verschiedenen Länder sabotiert werde. ALBA dagegen sei »von Protesten und Vorschlägen zu Realitäten übergegangen, die sich in Aktionen zur Integration und zur Zusammenarbeit ausdrücken«, so Chávez. Beispiele dafür seien die Schaffung des gemeinsamen Wirtschaftssystems Sucre, das zu einer gemeinsamen Währung führen soll, die ALBA-Bank und andere.

* Aus: junge Welt, 26. Juni 2009


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