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Gegen Marktdiktat

Sechster Gipfel der Bolivarischen Alternative in Caracas. Gemeinsame Bank mit einer Milliarde US-Dollar Kapital gegründet

Von Benjamin Beutler *

Mit einer Kampfansage an die »Diktatur des globalen Kapitalismus« hat Gastgeber Hugo Chávez am Samstag (26. Januar) das sechste Gipfeltreffen der »Bolivarischen Alternative für Amerika« (­ALBA) in Caracas eröffnet. Der venezolanische Staatschef hatte Boliviens Präsidenten Evo Morales, seinen nicaraguanischen Amtskollegen Daniel Ortega und Kubas Vizepräsidenten Carlos Lage zur eintägigen Klausur eingeladen, um die Entwicklung des Regionalbündnisses zu beraten, das 2005 als Gegenentwurf zur US-dominierten »Amerikanischen Freihandelszone« (ALCA) ins Leben gerufen worden war.

Inzwischen ist die ALBA auf Konsolidierungskurs. Als das Bündnis gegründet wurde, traf die Initiative von Kuba und Venezuela in der Region noch auf Skepsis. Bestehenden Bündnissen wie der südamerikanischen Freihandelszone MERCOSUR oder der Andengemeinschaft (CAN) wurde Vorrang gegeben. Doch mit der nun beschlossenen Gründung einer ALBA-Bank nimmt der alternative Wirtschaftsraum, wenn auch langsam, Gestalt an. Das Kreditinstitut mit Sitz in Caracas verfügt über ein Startkapital von einer Milliarde US-Dollar und einen doppelt so großen Kreditrahmen, informierte Venezuelas Finanzminister Rafael Isea. Verwaltet wird die Bank auf zwei Ebenen: Zum einen von einem Ministerrat in dem die Mitgliedsstaaten vertreten sind, zum anderen von einem Exekutivkomitee, dessen Präsidentschaft turnusmäßig wechselt. Die ALBA-Bank sei vor allem »politischen Kriterien untergeordnet«, so Isea, sie widersetze sich damit der Logik des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank: »Wir brechen mit dem kapitalistischen Prinzip. Diese Bank ist ein politisches Instrument für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung«, hieß es in der Abschlußerklärung, die Samstag abend veröffentlicht wurde.

Die ALBA-Bank folgt damit der gleichen Idee, die der »Bank des Südens« zugrunde liegt. Diesem ebenfalls neuen multistaatlichen Kredit­institut gehören auch solche Länder Lateinamerikas an, die nicht Mitglied der ALBA sind. Die Bank des Südens wurde mit Beteiligung von Argentinien und Brasilien Anfang Dezember gegründet und soll im Laufe dieses Jahres ihren Betrieb aufnehmen.

Eher sybolische Bedeutung hatte der Beitritt der Antilleninsel Dominica zur ALBA. Dem knapp 70000 Einwohner zählenden Kleinstaat eröffne die Mitgliedschaft »zahlreiche Möglichkeiten für Landwirtschaft, Fischerei und Tourismus«, ließ der venezolanische Außenminister Nicolás Maduro verlautbaren. Er bedankte sich zugleich für die Anwesenheit von Vertretern weiterer karibischer Inselrepubliken wie San Vicente, Granadinas, San Cristobál und Nieves, Antigua und Barbuda. Beobachter hatten zu dem Gipfel auch Iran, Libyen, Honduras, Ecuador, Uruguay und Haiti entsandt.

In seiner Abschlußrede bekräftigte Venezuelas Präsident erneut die Notwendigkeit zur Abkehr vom kapitalistischen Wirtschaftssystem. »Von diesem Weg hängt das Leben unserer Völker ab«, sagte Chávez. Es müsse die Möglichkeit bestehen bleiben, »der Welt ein neues Gesicht zu geben, um die Menschheit vor den Bedrohungen des Kapitalismus zu bewahren«. Chávez war von Beginn seiner Amtszeit 1999 an ein Kritiker der von den USA dominierten Freihandelszone ALCA, die einmal von Alaska bis Argentinien reichen soll. Auf dem Treffen am Samstag brandmarkte Chávez das Projekt zum wiederholten Mal als »Werkzeug des Imperialismus«.

Auch Boliviens Präsident Evo Morales hielt sich mit Verbalattacken gegen Washington nicht zurück. Für die indigenen Völker bedeute ALCA »Freie Amerikanische Koloniezone«, erklärte der sozialistische Staatschef. »Ich nenne sie auch ALGA -- Freie Amerikanische Gewinnzone«, verballhornte Boliviens Präsident das ALCA-Kürzel mit von ihm ungewohnten Wortwitz. Nicaraguas Präsident Daniel Ortega thematisierte indes die jüngsten Kurseinbrüche an den internationalen Börsen: »Die Welt ist heute von einer spekulativen Finanzpolitik abhängig, die ihr durch die Tyrannei des globalen Kapitalismus aufgezwungen wurde«. Die Bildung neuer geopolitischer, wirtschaftlicher, sozialer und ideologischer Räume wie ALBA sei deswegen dringend notwendig, so Ortega.

* Aus: junge Welt, 28. Januar 2008


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