Laos im Schlepptau vietnamesischen Wachstums
Nachbarstaaten kooperieren nun auch bei der Energieproduktion
Von Michael Senberg, Vientiane *
Bei der Entwicklung der eigenen Wirtschaft setzt die laotische Führung auch auf die Kooperation mit
Vietnam.
Dakchung liege nicht am Ende der Welt, aber auch nicht weit davon entfernt. Das sagt Khamphanh
Phommathat, und er muss es wissen, denn er ist Gouverneur der Provinz Sekong im Süden der
Volksdemokratischen Republik Laos. Sekong ist eine der ärmsten Provinzen des armen Landes.
Noch dazu eine der am dünnsten besiedelten im nicht nur für asiatische Verhältnisse
unterbevölkerten Laos. Und Dakchung ist ein Kreis im eben jener Provinz Sekong, im südöstlichsten
Zipfel der Provinz, da, wo sie an die Provinz Attopeu grenzt und an Vietnam. Bei uns zu Hause
sagte man, da, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.
Der Gouverneur ist stolz auf den Kreis dort unten, denn er brachte Sekong in die Schlagzeilen und
soll die bitterarme Provinz auch bald aus der Not bringen, das Ende der Welt gewissermaßen weit in
die Ferne rücken. Denn ein Fluss zwängt sich durch die Berge der Gegend, der Sekaman, der bei
Attopeu in den Sekong mündet, der wiederum in den Mekong fließt. Der Fluss soll gebändigt werden
und Strom erzeugen. Das ist an sich nichts besonderes für Laos, das dank seiner vielen Berge und
üppiger Monsunregen schier unerschöpfliche Reserven an Wasserkraft hat, die nun auch Schritt für
Schritt erschlossen werden. Electricité de France, Nordic Power oder auch Daewoo heißen die
Firmen, die sich für solche Projekte interessieren.
Nicht so in Dakchung. Hier heißt der Investor Vietnam-Lao Electricity Investment and Development
Joint Stock Company. Hinter dem Wortungetüm verbirgt sich eine mehrheitlich vietnamesische
Firma, die sich zur Aufgabe gestellt hat, bis 2009 das Wasserkraftwerk Sekaman 3 zu errichten. Das
ist ziemlich neu in den laotisch-vietnamesischen Beziehungen. In der Vergangenheit spielte sich die
Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten vor allem auf den Schlachtfeldern der Indochinakriege
oder in den Schulungen der Bruderparteien ab. Gerade der Ostteil von Sekong ist einer der
Landstriche, die im Indochinakrieg der USA am heftigsten bombardiert wurden, verlief doch hier in
den Bergen ein Stück des legendären Ho-Chi-Minh-Pfads. Der Krieg ließ nicht nur jede Menge
Blindgänger zurück, sondern auch zwei zerbombte Länder.
Doch der Wirtschaftsboom, der Vietnam seit einigen Jahren erfasst hat, erlaubt nun auch, dass das
eine Entwicklungsland im anderen investiert. Allein das Kraftwerk Sekaman 3, das einmal 250
Megawatt Leistung aufweisen wird, kostet 266 Millionen US-Dollar (etwa 210 Millionen Euro). Die
Firma mit dem langen Namen hat noch ein zweites Kraftwerk auf dem Plan. Mit 465 Megawatt ist
Sekaman 1 ein gutes Stück weiter flussabwärts in der Provinz Attopeu einiges größer, und mit 532
Millionen Dollar auch ein gutes Stück teurer. Die Investition, da sind sich die vietnamesischen
Partner jedoch sicher, zahlt sich aus. Der anhaltende Aufwärtstrend der Wirtschaft Vietnams zieht
einen gewaltigen Energiehunger nach sich. Da ist es gescheit, rechtzeitig die Hand am Schalter zu
haben. Angesichts der Kapriolen des Ölpreises hat sich das Interesse an anderen Energiequellen,
und damit an der laotischen Wasserkraft, zusätzlich erhöht.
Mehr als 90 Prozent des Stroms von Sekaman 3 wird durch gleichfalls neu zu errichtende
Hochspannungsleitungen nach Danang und Pleiku in Vietnam fließen, denn der dünn besiedelte und
schwach entwickelte Süden von Laos wird noch sehr lange brauchen, bis der eigene Energiebedarf
vergleichbare Größenordnungen erreicht. Natürlich hofft der Gouverneur, der es selbst an einer
vietnamesischen Universität bis zum Doktor gebracht hat, dass von den Einnahmen aus dem
Stromgeschäft auch einiges für die Entwicklung der Provinz zur Verfügung stehen wird. Seit April
dieses Jahres wird in Dak Chung gebaut. Zwar kommt das Gros der Bauleute ebenfalls aus dem
Nachbarland, doch ist auch die Nachfrage nach einheimischen Arbeitskräften sprunghaft gestiegen.
Auch sonst bietet die Baustelle Gelegenheiten für die örtlichen Produzenten, in der Mehrheit arme
Bauern. Jedes verkaufte Huhn bringt Geld in die Dörfer und kurbelt die Entwicklung an.
* Aus: Neues Deutschland, 2. November 2006
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