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Mit Bildung in die Zukunft

nd-Solidaritätsaktion: Im laotischen Khouan Chanh können bald mehr Kinder zur Schule gehen

Von Marion Gnanko, SODI *

»Grundschulbildung für alle Jungen und Mädchen!« fordert das zweite Millenniumsentwicklungsziel der Vereinten Nationen. Denn die Zukunft einer Gesellschaft liegt in der Förderung ihrer Kinder. SODI schafft in Laos mit dem Bau einer Grundschule die notwendigen Voraussetzungen.

Khouan Chanh ist ein für die armen ländlichen Regionen in Laos typisches Dorf. Die Mehrzahl der dort ansässigen Familien lebt ausschließlich von der Landwirtschaft - von Reisanbau, Tierzucht und forstwirtschaftlichen Aktivitäten. Aufgrund der extremen Wasserknappheit in der Trockenzeit von November bis März ist in dieser Region jährlich nur eine Ernte möglich. Die Erträge, die dabei erzielt werden, reichen aber häufig nicht aus, um die Familien das ganze Jahr über zu versorgen.

»Es ist wichtig, dass unsere Kinder zur Schule gehen, damit sie später einen Beruf lernen und Geld verdienen können. Dann wird es auch dem Dorf besser gehen«, sagt Bürgermeister Boun Phon. Die Dorfgemeinschaft von Khouan Chanh sieht den Mangel an Bildungsmöglichkeiten als besonderes Problem an und hat deshalb entschieden, dass eine neue Grundschule die höchste Priorität zur Verbesserung ihrer Lebenssituation hat.

Schulpflicht auf dem Land kaum eingehalten

Dass diese Erkenntnis genau den Forderungen des zweiten Millenniumsentwicklungsziels der Vereinten Nationen entspricht, war ihnen bei ihren Beratungen sicherlich nicht bewusst. Auch die laotische Regierung hat erkannt, dass Schulbildung eine wesentliche Voraussetzung für die nachhaltige sozioökonomische Entwicklung des Landes ist. Das Recht auf Grundbildung ist daher in der Verfassung der Demokratischen Volksrepublik in Südostasien verankert und die Verbesserung des Zugangs zu Bildungsmöglichkeiten nimmt eine bedeutende Rolle in der Nationalen Strategie zur Armutsbekämpfung ein.

Bei der Verwirklichung dieses Ziels hat Laos zwar einige Fortschritte zu verzeichnen. So stieg die Einschulungsrate von 80 Prozent im Jahr 2001 bis 2009 auf 91,6 Prozent, die Alphabetisierungsrate hat landesweit zugenommen. Jedoch sind die Bildungsmöglichkeiten vor allem in den ländlichen Gebieten jenseits der Hauptstadt und größten Stadt Vientiane weiterhin als höchst problematisch einzuschätzen. Obwohl eine achtjährige Schulpflicht besteht, verlassen viele Jugendliche auf dem Land die Schule bereits nach fünf Jahren Grundschule. Etwa ein Drittel der Kinder bricht die Schule sogar vor Abschluss der fünften Klasse ab, um für die Familie - meist mit der Arbeit auf dem Feld - Geld zu verdienen. Schätzungen der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) zufolge besucht ein knappes Fünftel der Kinder in Laos überhaupt keine Schule. Die sechs Jahre weiterführende Schule absolvieren nur sehr wenige Jugendliche.

Etwa 15 bis 20 Prozent der Laoten können daher nach wie vor nicht lesen und schreiben, mehr als zwei Drittel unter ihnen sind Frauen. Demnach liegen für Laos große Herausforderungen darin, allen Kindern den Zugang zu Grund- und weiterführender Schulbildung zu ermöglichen und gleichzeitig auch deren Qualität zu verbessern. Die Ausbildung der Kinder ist die entscheidende Investition in die zukünftige Entwicklung des Landes.

Löchrige Dächer und zu wenige Klassenzimmer

Auch im Dorf Khouan Chanh waren die Lernbedingungen für die Kinder bisher unzureichend. »Im Dorf gibt es im Augenblick etwa 160 Kinder im Grundschulalter. Die Grundschulausbildung umfasst fünf Schuljahre. Die existierende Schule hat aber nur vier kleine Klassenräume. So werden manchmal zwei Klassen gleichzeitig in einem Raum unterrichtet, meistens aber im ›Schichtwechsel‹, da die Räume für die Schülerzahl zu klein sind.« So schilderte der Schuldirektor den Vertretern von SODI vor eineinhalb Jahren die Situation, als die Organisation ihr Programm »Humanitäre Kampfmittelräumung und Entwicklung« aufnahm.

Bei der Besichtigung der alten Schule wurde schnell deutlich, dass der Platzmangel nicht das einzige Problem darstellt. Der mehr als 15 Jahre alte Bau aus Holz, mit einem Strohdach und Wänden aus Bambusmatten ist in desolatem Zustand. Dach und Wände sind löchrig und bieten in den Wintermonaten kaum Schutz vor Wind und Kälte. Die Schulmöbel sind zerschlissen. Einen Anschluss an die öffentliche Stromversorgung sucht man vergeblich.

Der Bürgermeister erzählt, dass es einen Dorffonds zur Instandhaltung gemeinschaftlich genutzter Einrichtungen gibt, in den die Familien regelmäßig einen Beitrag einzahlen. Da die meisten Familien im Dorf jedoch arm sind, reichen diese Mittel nur für notdürftige Reparaturen aus, die von den Dorfbewohnern in gemeinschaftlicher Arbeit selbst durchgeführt werden.

Wie bei Projekten von SODI üblich, wurden die Dorfbewohner von Anfang an in die Planung einbezogen. Die Dorfversammlungen zur Vorbereitung des Schulprojekts waren immer gut besucht und die Teilnehmer diskutierten lebhaft die verschiedensten Aspekte: »Wir brauchen eine neue Schule mit fünf Klassen- und einem Lehrerzimmer. Und wenn es möglich ist, dann sollte auch ein Bibliotheksraum mit Nachschlagewerken und Lehrbüchern für Schüler und Lehrer eingerichtet werden«, erklärte der Schuldirektor. »Vergesst nicht, dass wir auch einen zusätzlichen Raum für die Kleinen benötigen« - es sind die Frauen, die daran erinnern, dass seit 2010 der Vorschulunterricht in Laos gesetzlich vorgeschrieben ist.

Im letzten Jahr hat SODI das Projekt zur Verbesserung der Grundschulbildung in Khouan Chanh gemeinsam mit seinen laotischen Partnern begonnen. Als Teil des Integrierten Programms zur Blindgängerräumung und Entwicklung in Laos ergänzt es die Räumung von Kampfmitteln, die SODI zuvor in der Gemeinde durchgeführt hat. Derzeit sind die Arbeiten zum Bau des neuen, gemauerten Schulgebäudes in vollem Gange, der Rohbau wird bald fertig gestellt sein.

Klassenräume und Lehrerzimmer werden mit Schulmöbeln ausgestattet und eine kleine Schulbibliothek samt Grundausstattung eingerichtet. Weil ein Großteil der Familien, insbesondere solche mit vielen Kindern, nicht genügend Geld für die benötigten Schulbücher aufbringen kann, wird auch eine Erstausstattung an Lern- und Arbeitsmaterial für die Schülerinnen und Schüler beschafft. Finanziert wird das Projekt mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie durch SODI-Spenden.

Bildung und Ausbildung als elementares Grundrecht

Das Büro für Bildung bei der Verwaltung des Distrikts Khamkeut, zu dem Khouan Chanh gehört, hat angeregt, Bau und Ausstattung der Grundschule zusätzlich durch Maßnahmen zur Realisierung der UN-Kinderrechtskonvention abzurunden, die die Verbesserung der Schulbildung fördern.

Dieses internationale Abkommen zum Schutz und zur Förderung des Kindes, dem Laos bereits 1991 beigetreten ist, fordert Bildung und Ausbildung als elementares Grundrecht der Kinder ein. Daher werden den Lehrern aus Khouan Chanh und aus den umliegenden Dörfern in einer Fortbildung Kenntnisse in neuen und modernen Lehrmethoden vermittelt. Für die Eltern sind Workshops zur Förderung des Bewusstseins für die Bedeutung von Schulbesuch und Ausbildung ihrer Kinder geplant. Nicht zuletzt aber sollen vor allem die Kinder lernen, dass sie selbst aktiv an der Durchsetzung ihrer Rechte mitwirken und ihr Leben als eigenständige Persönlichkeiten mitgestalten können. Dies sind die Voraussetzungen dafür, dass Laos den kommenden Generationen die Grundlagen für eine zukunftsfähige Entwicklung bieten kann.

* Aus: neues deutschland, 7. Januar 2012


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