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Zarte Triebe der Zivilgesellschaft

Die Laotische Frauenunion vertritt Interessen der Basis

Von Ilona Schleicher *

Die Laotische Frauenunion ist eine der großen Massenorganisationen des Landes. Gleichzeitig beweisen die Frauen zivilgesellschaftliches Engagement – beispielsweise in Houaphanh, einer der ärmsten laotischen Provinzen. Dort betreibt die Union gemeinsam mit dem Solidaritätsdienst-international (SODI) ein Schulbauprojekt, um allen Kindern Bildung zu ermöglichen. Beim vorsichtig anlaufenden gesellschaftlichen Reformprozess in Laos spielt die Union keine unbedeutende Rolle.

Mit ihrer kräftigen Stimme verschafft sie sich schnell Gehör. Ma spricht auf einer Dorfversammlung in Kangkard darüber, wie der gemeinsam geplante Bau der neuen Grundschule ablaufen soll. Ma ist Projektkoordinatorin in der Provinzleitung der Laotischen Frauenunion in der Provinz Houaphanh – eine der ärmsten Regionen des Landes. In den Bergdörfern Houaphanhs haben eigentlich die Männer das Sagen. Doch offenbar halten alle in dieser Runde es für selbstverständlich, dass gleich nach dem Dorfvorsteher, der über die Probleme beim Transport des Holzes spricht, eine Frau das Wort ergreift. Ma – eine Frau mittleren Alters – ist gerade erst frisch in ihre neue Funktion gewählt worden. Ruhig aber bestimmt macht sie Vorschläge, wie das leidige Problem der fehlenden Schule zu lösen sei und findet damit Zustimmung bei den Versammelten.

Die Laotische Frauenunion ist Partnerin der deutschen Entwicklungshilfe-Organisation Solidaritätsdienst-international e.V. (SODI) bei einem Schulbauprojekt in der Provinz Houaphanh. Die Frauen sind gut organisiert – mit einer nationalen Leitung in der Hauptstadt und Ablegern in Provinzen und Kreisen bis in die Dörfer hinein. Ebenso wie die Jugendorganisation, die Gewerkschaft und andere Massenorganisationen ist die Union der allein regierenden Laotischen Revolutionären Volkspartei verbunden. Deshalb kann sie mit ihrem Engagement eine tragende Rolle bei der Umsetzung jener Regierungsstrategien spielen, die darauf zielen, Wachstum zu fördern und die Armut im Land zu überwinden. Ist die Organisation deshalb nun eher »Transmissionsriemen« der Partei oder Akteur einer sich entwickelnden Zivilgesellschaft in Laos?

Sicher griffe es zu kurz, die Frauenunion und andere Massenorganisationen abzutun, weil ähnliche Strukturen in Osteuropa gescheitert sind. Das Argument, »das hat schon vorher nicht funktioniert«, scheint auf die laotische Situation nicht zuzutreffen. Der deutsche Entwicklungstheoretiker Prof. Frank Bliss gibt zu bedenken, dass diese mitgliederstarken Organisationen hoch aktiv seien. Sie hätten sich durch ihren Einsatz etwa für die Verwirklichung von Frauenrechten, für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen oder für ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit im Land eine besondere Legitimation erworben, soziale Gruppen zu vertreten. Diese Legitimation ist beispielsweise größer als die der Ableger von internationalen Nichtregierungsorganisationen im Land.

Nicht von ungefähr hat auch der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) die Frauenunion als potente und entwicklungsfähige Partnerin entdeckt – und in den Provinzen solch hoch motivierte Streiterinnen wie Ma. Eine Studie des DED erkennt im Agieren der Massenorganisationen, also auch der Frauenunion, einen Ansatz, der in gewisser Weise von der zentralistisch kontrollierten Durchsetzung der laotischen Regierungspolitik abrücke. Noch steckt die Entwicklung einer nach westlichem Verständnis unabhängigen Zivilgesellschaft in den Kinderschuhen. Wie diese im Kontext der laotischen Gesellschaft, ihrer Geschichte und Kultur aussehen könnte, muss diskutiert werden. Erste zarte Triebe eines Reformprozesses keimen schon, doch es geht nur vorsichtig, langsam voran. Ein Gesetz über die Zulassung unabhängiger NRO etwa gibt es noch nicht. Möglich ist es dagegen zum Beispiel, so genannte Nicht-Profitorganisationen zu gründen.

Die Zukunft der Frauenunion wird wesentlich davon abhängen, ob sie im Rahmen dieses Reformprozesses eine größere Unabhängigkeit und Eigenständigkeit erlangen kann. Und sich dabei weiter als authentische Interessenvertreterin der Frauen, aber eben auch von Gemeinschaften wie der in Kangkard profiliert. Zweifellos wird sie dann in die sich entwickelnde moderne laotische Zivilgesellschaft einen wertvollen Schatz an Kenntnissen und Erfahrungen einbringen können.

* Aus: Neues Deutschland, 4. Dezember 2006


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