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Vorfahrt für die Bahn in Laos

Teure Infrastrukturprojekte und hohe Lebenshaltungskosten: Staatshaushalt gerät aus den Fugen

Von Michael Senberg, Vientiane *

In einer ungewöhnlich offenen Rede hat der laotische Premier Thongsing Thammavong vor einer Finanzkrise im Land am Mekong gewarnt und gleich ein großes Streichkonzert angekündigt: Keine neuen Verwaltungsbauten, keine Leistung von Zahlungen an Firmen, die – auf das Versprechen späterer Rückzahlung durch die Regierung – vor allem Infrastrukturprojekte in Angriff genommen hatten. Eine große Ausgabenkuh allerdings war heiliggesprochen worden: An den für 2014 versprochenen massiven Gehaltserhöhungen, die mehr als die Hälfte der nationalen Einnahmen ausmachen, sollte es keine Abstriche geben. Derlei Spekulationen hatten die Runde gemacht, da wegen der erheblichen Einbußen bei den Staatseinnahmen die Staatsdiener in einigen Landesteilen schon zwei Monate lang auf ihr Gehalt warten. Einen Monat vor Ende des Haushaltsjahres lagen die staatlichen Einkünfte ein Fünftel unterhalb des Planes.

Nun allerdings ließen Regierungsvertreter die Katze aus dem Sack. Die Gehälter, so Regierungssprecherin Bounpheng Mounphosay, werden wie geplant um fast 40 Prozent steigen, doch die Regierung erwägt, die Zahlung der erst 2012 eingeführten monatlichen Zuwendung zum Bestreiten der Lebenshaltungskosten auszusetzen. Finanzminister Phouphet Khamphounvong legte nach, indem er sagte, die Zulage sei als »boost« gemeint gewesen und deshalb nicht permanent zu zahlen. Das Zubrot für alle Staatsdiener beträgt 760000 Kip (etwa 76 Euro) und liegt so noch über dem staatlichen Mindestlohn in Höhe von 626000 Kip (ca. 63 EUR).

Der Sparvorstoß der Regierung hat einen eigenartigen Beigeschmack. Nicht nur die Gründe für die Zahlung des Zuschusses, nämlich hohe und steigende Kosten für Strom, Wasser und Kleidung, sind unverändert. Besonders pikant ist, daß die Regierung seit der 2012 erfolgten annähernden Verdoppelung des Mindestlohns mit nicht wenigen Unternehmern, die daraufhin Bonus- und andere Zusatzzahlungen reduziert oder ausgesetzt haben, im Clinch liegt. Firmen, die derart unsozial vorgingen, wird nunmehr von Arbeits- und Sozialministerin Onechanh Thammavong gar mit Strafe gedroht.

Auf der anderen Seite aber hält die kleine Volksrepublik an großen Plänen fest und erhebt sie auf die Stufe nationaler Priorität. Läßt die derzeitige Haushaltsmisere die Staatsverschuldung schon rasant anwachsen, bleibt für die Regierung eine fast sechs Milliarden Euro teure Eisenbahnverbindung nach China von höchster Dringlichkeit. Die Bahn erhält im bislang fast schienenfreien Laos Vorfahrt.

Außerdem wurden Studien für einen neuen Flughafen in der Hauptstadt Vientiane angeregt und ein massiver Ausbau des Transitstraßennetzes angekündigt. Ein finanzieller Spagat kündigt sich an: Wie sonst soll man verstehen, daß die Eisenbahn an erster Stelle kommt, Flughäfen und Straßen aber genauso wichtig sind.

* Aus: junge Welt, Freitag, 27. September 2013


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