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Attopeus wundersamer Aufstieg

Dünn besiedelte Provinz in Laos zieht vietnamesische Investoren an

Von Alfred Michaelis, Vientiane *

Attopeu ist eine kleine Provinz im Südosten von Laos mit knapp 150 000 Einwohnern. Ihre Hauptstadt heißt offiziell Samakhisay, was sich mit »Solidarität siegt« übersetzen lässt, ein Hinweis auf die laotisch-vietnamesische Verbundenheit früherer Zeiten.

Attopeu grenzt an Vietnam und an Kambodschas Dschungelprovinz Ratanakiri. Es liegt südlich des 17. Breitengrades, der früher Vietnam in Nord und Süd teilte. In dieser Region endete das weit verzweigte Netz des Ho-Chi-Minh-Pfads in Laos und führte zurück auf vietnamesisches Gebiet. Solidarität siegt.

Noch ein Stück weiter südlich liegt die vietnamesische Provinz Gia Lai mit der Hauptstadt Plei Cu. Dort hat die Firma Hoang Anh Gia Lai Joint Stock Corporation, kurz HAGL, ihren Stammsitz. Die Firma geriet kürzlich auch im Ausland in die Schlagzeilen, als ihr die Organisation Global Witness die Beteiligung an massivem Landraub in Laos und Kambodscha ankreidete, kreditiert offenbar auch von der Deutschen Bank. Einige der betroffenen Ländereien liegen in Attopeu.

HAGL-Boss Doan Nguyen Duc macht auch in Vietnam von sich reden, etwa als Besitzer des ersten Privatflugzeugs der Sozialistischen Republik. Damit er künftig auch in Attopeu landen kann, investiert HAGL 28 Millionen Euro in den Bau eines Flughafens. Die laotische Regierung, berichten Medien in Vientiane, wird die Summe in Form von Zoll- und Steuervergünstigungen zurückerstatten.

Attopeu ist heute schon HAGL-Land. Kautschuk- und Zuckerrohrplantagen auf 35 000 Hektar sind schon gesichert, und HAGL schielt auf weitere 15 000 Hektar Land. 68 Millionen Dollar hat die Firma bereits in eine Zuckerfabrik und ein 30-MW-Kraftwerk investiert, das die Reste der Zuckerproduktion als Brennstoff nutzen soll. Dazu kommen zwei Wasserkraftwerke in der Provinz. Finanziert wird eines davon durch einen 85 Millionen-Dollar-Kredit der Lao-Viet Bank. In der Nachbarprovinz Sekong hält HAGL zwei Konzessionen für Eisenerzabbau. Bis 2015 will das Unternehmen insgesamt 960 Millionen Dollar in Laos investieren.

Seit HAGL sich für die Gegend interessiert, hat Attopeu sein Gesicht verändert. Straßen sind asphaltiert, ein neues Hotel bringt etwas Flair nach Samakhisay. Nicht wenige sprechen von Entwicklung. Kritiker dagegen bringen HAGL nicht nur in Zusammenhang mit zweifelhaften Methoden beim Landerwerb. Vom Einschlag tropischer Edelhölzer – schließlich müssen die Flächen für Plantagen ja erst gerodet werden – ist ebenso die Rede wie von illegalen Aktivitäten in Naturschutzgebieten. HAGL-Boss Duc selbst sieht das Engagement im ländlichen Laos denn auch weniger als Entwicklungsansatz: Kautschukplantagen, so machte er klar, bringen mehr Profit als Immobilien. Er muss es wissen, denn Immobilien sind das Kerngeschäft der Gruppe.

Insgesamt plant die Firma, 51 000 Hektar Kautschuk in Vietnam, Laos und Kambodscha zu bewirtschaften, was HAGL gern als Wiederaufforstung ausgibt. Das Ausmaß der Investitionen droht Konsequenzen anderer Art nach sich zu ziehen. Einheimische berichten, dass auf HAGL-Baustellen nur wenige Laoten arbeiten. Die Masse selbst der einfachen Bauarbeiter kommt aus Vietnam. Den Laoten fehle die Qualifikation, heißt es. In den Plantagen stellt sich die Frage anders. Sind alle Kautschukflächen erst einmal reif zum Zapfen, reicht die gesamte Bevölkerung der spärlich besiedelten Provinz nicht dafür aus.

2015, so hat es der jüngste ASEAN-Gipfel bekräftigt, wird es die südostasiatische Wirtschaftsgemeinschaft geben. Die sieht auch die Freizügigkeit von Arbeitskräften vor. Vielleicht steht dann der Flughafen vor neuen Aufgaben.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 25. Juni 2013


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