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Laos nimmt neuen Anlauf

Genossenschaften wollen es diesmal besser machen

Von Alfred Michaelis, Vientiane *

Die Zeit der landwirtschaftlichen Genossenschaften schien in Laos Mitte der 80er Jahre zu Ende gegangen zu sein. Nun sollen sie wieder aufleben. »Ja, wir wollen nun eine Genossenschaft gründen«, sagt Khammoun entschlossen und bekräftigt seine Worte mit einer Handbewegung. Khammoun sitzt mit anderen Bauern und Vertretern des Landwirtschaftsministeriums in der Versammlungshalle der Pagode von Ban Chaeng, einem Ort am Mekong-Nebenfluss Ngum, etwa 60 Kilometer nordöstlich der laotischen Hauptstadt Vientiane.

Seit drei Jahren steht Khammoun einer Produktionsgruppe vor, die Reissaatgut herstellt. Inzwischen sind auch in drei Nachbarorten solche Gruppen entstanden und alle gemeinsam wollen eine Genossenschaft gründen. Khammoun lacht, als er erzählt, wie es vor zwei Jahren auf knapp über zehn Hektar Boden begann: »Das Saatgut war kaum brauchbar. Ein Halm wuchs lang, der nächste kurz, einer krumm, einer gerade.« Dank seiner Beharrlichkeit und der Unterstützung durch Experten des Landwirtschaftsministeriums produziert seine Gruppe inzwischen auf mehr als 50 Hektar Qualitätssaatgut. »Dank der Zusammenarbeit mit den anderen Gruppen können uns auch Bestellungen von mehr als 100 Tonnen nicht aus der Fassung bringen.«

Dass sie künftig als Genossenschaft wirtschaften wollen, bekräftigt auch Khammouns Stellvertreter Sychanh. Sie versprechen sich von dem Schritt vor allem besseren Marktzugang und Zugang zu Krediten. Zwar können sie schon jetzt bei der Dorfsparkasse auch größere Kredite bekommen, doch Zinsen von 48 Prozent im Jahr lassen bestenfalls sehr kurzfristige Geschäfte zustande kommen. Also soll eine Genossenschaft her.

Seit 2010 gibt es in Laos die rechtlichen Grundlagen zur Gründung von Genossenschaften. Wieder, muss man sagen, denn Ende der 70er Jahre, als die Laotische Revolutionäre Volkspartei nach ihrer Machtübernahme auf den beschleunigten Aufbau des Sozialismus setzte, stand auch die Gründung von Genossenschaften im Programm. In kürzester Zeit gab es mehr als 2000 davon, zumindest auf dem Berichtspapier. Damals war jedoch einiges schief gelaufen. »Die Faulsten hatten am meisten davon«, erinnert sich Sisomphone, Mitarbeiter des Landwirtschaftsministeriums. »Sie kamen jeden Tag und schrieben Stunden. Die Fleißigen dagegen hatten zu Hause ihre Gärten und ihr Vieh. Sie kamen nur, wenn wirklich Arbeit anlag, und hatten am Monatsende die wenigsten Stunden auf ihrem Konto.« Den erhofften Zuwachs an Agrarprodukten brachten die Kooperativen jedenfalls nicht.

Der »Neue Ökonomische Mechanismus« bewirkte Mitte der 80er in Laos die Wende zur Marktwirtschaft und das Ende der Genossenschaften. Seitdem ist der Begriff obsolet. Vor allem die Staatsangestellten scheinen zu fürchten, dass sie für ein neuerliches Fiasko Verantwortung übernehmen sollen.

Khammoun hat die Zeichen der Zeit erkannt. Er weiß, welchen wirtschaftlichen Vorteil die Genossenschaft bringen kann, sei es beim Großeinkauf von Düngemitteln, bei der Anschaffung von Landtechnik oder bei Verkaufsgesprächen. Schon in der Produktionsgruppe gab es da deutliche Veränderungen: »Wir vereinbaren einen Preis und keines unserer Mitglieder unterbietet den anderen. Früher war das anders.« Mitmachen kann in der Genossenschaft nur, wer wirklich will. »Wer nicht mit anpackt«, sagt Khammoun, »den nehmen wir erst gar nicht auf.«

Damit sind die künftigen Genossenschafter gut vorbereitet auf ihr neues Geschäftsmodell. Der Staat dagegen tut sich noch schwer. Mehr als ein Jahr nach Verabschiedung des Dekrets über die Genossenschaften sind die Regeln für deren Registrierung noch nicht klar. Bislang haben nur wenige Behörden von der Existenz des Rechtstextes gehört. Die Bauern in Ban Chaeng aber wissen, was sie wollen. Sie brauchen die Genossenschaft, um wirtschaftlich besser dazustehen. Ihre Erinnerung an die erste Genossenschaftswelle ist ebenfalls noch wach – als Mahnung, es diesmal besser zu machen.

* Aus: Neues Deutschland, 23. September 2011


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