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Emir von Kuwait löst Parlament auf

Massive Proteste der Opposition, die gestärkt aus Februarwahlen hervorgegangen war

Von Karin Leukefeld *

Zum fünften Mal seit 2006 hat der Emir von Kuwait, Scheich Sabah Al-Ahmad Al-Sabah, das Parlament aufgelöst und Neuwahlen innerhalb von zwei Monaten angeordnet. Die Parlamentswahlen vom Februar, bei denen die oppositionellen Islamisten einen deutlichen Stimmenzuwachs zu verzeichnen hatten, waren im Juni vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt worden mit der Begründung, daß die vorherige Auflösung des Parlaments und damit auch die Wahlen unrechtmäßig gewesen seien. Das Gericht ordnete die Wiedereinsetzung des 2009 gewählten Parlaments an, was wiederum zu massiven Protesten der Opposition führte.

Das Parlament in Kuwait hat wenig Rechte, wenn auch mehr als andere Parlamente der Golfstaaten. So können die Parlamentarier Regierungsmitglieder zu Anhörungen vorladen, ein Recht, von dem die Abgeordneten in den letzten Jahren reichlich Gebrauch gemacht hatten. Vorwürfe gegen die Regierung sind zumeist Korruption aber auch eine zu große Nähe des Herrscherhauses zum Nachbarland Iran. Die Regierung in Kuwait wird von der Herrscherfamilie der Al-Sabah dominiert, die das kleine Land seit Ende des 19. Jahrhunderts regiert.

Der Konflikt zwischen der von Islamisten dominierten Opposition und dem Herrscherhaus bestimmt die turbulente Innenpolitik des Ölscheichtums seit Jahren. Bei den Februarwahlen hatten islamistische Kandidaten, darunter auch ultra-konservative Salafisten 14 Sitze gewonnen. Die Mehrheit erhielten Kandidaten, die kuwaitische Stämme vertreten, sie erhielten 20 Sitze im Parlament. Sieben der 50 Sitze gingen an Kandidaten der schiitisch-muslimischen Minderheit, die sich im allgemeinen nicht gegen die Al-Sabah-Familie stellen. Frauen sind im kuwaitischen Parlament nicht vertreten.

Einer der prominenten oppositionellen Abgeordneten, Waleed Al-Tabtabaei, beschuldigt die Herrscherfamilie, sich nicht ausdrücklich vom Iran zu distanzieren. Teheran versuche, Kuwait einzunehmen, und säe »religiöse Zwietracht«, so Al-Tabtabaei. »Sie sind nicht so dumm und marschieren in Kuwait ein, wie Saddam Hussein es 1990 gemacht hat, aber ihre Absichten sind schlecht«, sagte der Abgeordnete am vergangenen Samstag. Teheran versuche, »Kuwait zu schlucken (….) wie den Libanon«. Al-Tabtabaei ist ein erklärter Unterstützer der syrischen Aufständischen und zeigte sich Anfang September im Internet mit deren Fahne, offenbar von einem Ort innerhalb Syriens. Er äußerte sich dabei hocherfreut über die »Befreiung von Idlib«. Der Internetauftritt war von anderen oppositionellen Abgeordneten ausdrücklich begrüßt worden. Der Abgeordnete Abdul Hameed Dashti hingegen kritisierte den Auftritt Al-Tabtabaeis als »Anstachelung und Einmischung in syrische Angelegenheiten«. Es widerspreche zudem der Haltung der Regierung, die sich in Sachen Syrien deutlich zurückhält.

Von Menschenrechtsorganisationen wird die kuwaitische Regierung für ihren Umgang mit den rund 100 000 »staatenlosen« Beduinen (Bedoon) kritisiert. Anfang Oktober demonstrierten Hunderte von ihnen und forderten ihre Anerkennung, gleiche Rechte und die kuwaitische Staatsbürgerschaft. Die Polizei ging mit Tränengas und Rauchbomben gegen die Demonstranten vor. Das Lager der Staatenlosen in Jahra wurde von den Sicherheitskräften abgeriegelt.

Kuwait, das ungefähr die Größe von Rheinland-Pfalz hat, gilt als einer der wichtigsten Erdölstaaten der Welt. Das Land ist zudem eine US-Militärbasis. 2003 diente Kuwait als Startrampe für den US-geführten Einmarsch in den Irak. Mindestens drei US-Stützpunkte sind in Kuwait, wie Oscar Seara, Sprecher des US-Zentralkommandos für Zentralasien, Mittleren Osten und Ostafrika (CENTCOM, Katar) gegenüber dem Sender Al-Dschasira (Englisch) im vergangenen April bestätigte: die Basen Arifjan, Bühring und Patriot. Nach dem Abzug der US-Truppen aus dem Irak wurden in Kuwait schnelle Eingreiftruppen stationiert, die Anzahl ist geheim. Die drei zentralen Aufgaben der Truppen lauten nach Angaben von Mehran Kamrava vom Zentrum für internationale und regionale Studien der Georgetown Universität, Katar: »Sicherung der Ölressourcen, die Sicherheit des Staates Israels zu garantieren und jede Bedrohung amerikanischer Interessen« in der Region zu bekämpfen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 09. Oktober 2012


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