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Ein Parlament ohne Frauen

Kuwait: Wahlen belegten starke Polarisierung unter Muslimen

Von Karin Leukefeld *

Bei den Parlamentswahlen in Kuwait am Wochenende haben sich religiös geprägte Kandidaten durchgesetzt. Moderate, säkulare und nationalistische Kandidaten behaupteten sich nur schwach, während es von den 27 Kandidatinnen (von insgesamt 275 Bewerbern) keine einzige ins Parlament schaffte. Zu vergeben waren 50 Abgeordnetenmandate.

Insgesamt 55,4 Prozent der 362 000 Wahlberechtigten in Kuwait sind Frauen, die bei den Wahlen am Wochenende erst zum zweiten Mal beteiligt waren. Das Ergebnis zeigt, dass sich angesichts einer scharfen ökonomischen Krise in dem Golfstaat ein konservativer und religiöser Trend in der Politik durchgesetzt hat.

Das amtliche Ergebnis spricht von einer Wahlbeteiligung von 68 Prozent. Liberale Kandidaten errangen sieben Sitze, einen weniger als früher, während der nationalistische Aktionsblock um den oppositionellen früheren Parlamentssprecher Ahmad al-Saadun nur noch vier Abgeordnete erhielt (früher fünf). Die meisten Sitze – zehn – errang die Islamische Salafisten Allianz, eine sunnitische Islamistenorganisation. Für die moderatere Islamische Konstitutionelle Bewegung, den politischen Arm der Muslimbruderschaft in Kuwait, schafften es nur noch drei Abgeordnete (vorher sechs) ins Parlament. Insgesamt erhielten sunnitische Islamisten 21 Sitze, vier mehr als zuvor. Auch schiitische Kandidaten konnten einen Erfolg verzeichnen, sie erhielten einen weiteren Sitz im Parlament, wo sie mit fünf Abgeordneten vertreten sind.

Die schiitischen Muslime machen in Kuwait etwa ein Drittel der Bevölkerung aus, das Zusammenleben war bisher weitgehend spannungsfrei. Als allerdings nach der Ermordung des militärischen Hisbollah-Führers Imad Mughniyah in Damaskus eine Trauerkundgebung in Kuwait- City stattfand, schlugen die Wogen hoch. Schiitische Aktivisten, darunter auch Parlamentsabgeordnete, wurden kurzzeitig festgenommen und beschuldigt, im Emirat eine Untergrundorganisation der Hisbollah aufgebaut zu haben. Die Anschuldigungen wurden später fallen gelassen. Die Kundgebung für Mughniyah sorgte für wütende Proteste sunnitischer Muslime, für die der Ermordete, der als »Märtyrer« gewürdigt worden war, ein »Terrorist« ist, der in den 80er Jahren die Entführung eines kuwaitischen Flugzeugs organisiert haben soll. Die Vorfälle um den Tod Mughniyahs hätten offenbar die Polarisierung unter den Muslimen Kuwaits so verschärft, dass bei den Wahlen die »radikalen Islamisten auf beiden Seiten davon profitieren konnten«, erklärte der Politikwissenschaftler Mohammad al-Ajmi.

Eigentlich aber ist für die Bevölkerung ein anderes Thema wichtig: das ständige Steigen der Lebenshaltungskosten. Im Januar 2008 war die Inflation infolge des sinkenden US-Dollars auf knapp zehn Prozent gestiegen. Bereits im Mai 2007 hatte Kuwait die Anbindung des Dinar an den USDollar aufgehoben, dennoch verschärfte sich die Entwicklung. Zumal die Ölexporte in Dollar, Importe jedoch, vor allem Lebensmittel und Medikamente, in den starken Währungen Euro und Yen gerechnet werden. Laut einer Untersuchung sind in Kuwait die Kosten für Mieten, Gesundheitsversorgung, Lebensmittel und Tabak um bis zu 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Im Februar hatte die Regierung nach heftigen Auseinandersetzungen mit dem Parlament die Einkommen der Kuwaitis um 120 Dinar (etwa 300 Euro) angehoben. Als Abgeordnete im März eine weitere Erhöhung forderten, trat die Regierung von Scheich Sabah al-Ahmad al-Sabah zurück, das Parlament wurde aufgelöst und Neuwahlen ausgeschrieben.

* Aus: Neues Deutschland, 20. Mai 2008


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