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Unternehmer gegen Kuba-Blockade

Delegation der US-Handelskammer fordert Normalisierung. Washington schwingt neue Sanktionskeule

Von Volker Hermsdorf *

Die seit über 50 Jahren gegen Kuba verhängte Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade wird für die USA immer mehr zu einem Glaubwürdigkeitsproblem. Das ganze Ausmaß des Dilemmas wurde am Wochenende deutlich. Während eine Delegation einflußreicher Unternehmer und Wirtschaftslobbyisten ihren Präsidenten Barack Obama am Donnerstag von Havanna aus zur Beendigung der Blockade aufforderte, bereiteten dessen Behörden bereits neue Sanktionen vor.

Wie das Wall Street Journal am Freitag (Ortszeit) in seiner Onlineausgabe berichtete, will das US-Justizministe­rium von der Bank BNP Paribas eine Rekordstrafe von mehr als zehn Milliarden Dollar (7,3 Milliarden Euro) fordern, weil das größte französische Geldinstitut gegen US-Sanktionsbestimmungen unter anderem gegen Kuba verstoßen haben soll. Das wäre eine der höchsten Strafen, die je gegen eine Bank verhängt wurde. In den vergangenen Monaten hatten die USA auch von anderen europäischen Banken Strafzahlungen wegen deren Beziehungen zu Kuba verlangt. Die US-Drohung zeigte sofort Wirkung. Am Freitag brach der Kurs der BNP-Aktie an der Pariser Börse um rund sechs Prozent ein. Der ehemalige französische Außenhandelsminister Pierre Lellouche forderte von seiner Regierung, auf die »Verletzung des internationalen Rechts« zu reagieren. Auch die Medien reagierten scharf. »Der Imperialismus der grünen Scheine ist nicht tot«, schrieb die Tageszeitung Le Monde und warnte vor dem Anspruch der USA, dem »Rest der Welt« ihre Gesetze und Regeln aufzwingen zu wollen. Die L’Humanité warf Obama vor, statt der angekündigten Normalisierung ständig neue Angriffspläne gegen Kuba zu schmieden. An erster Stelle stehe dabei die Ausweitung der Blockade, wie zum Beispiel durch Sanktionen gegen Banken, die mit Kuba normale Geschäfte abwickelten. An zweiter Stelle folge der Versuch, durch die Unterstützung krimineller Akte Unsicherheit und Chaos zu erzeugen, wie die kürzlich erfolgte Verhaftung von vier aus Miami eingereisten Terroristen in Kuba belege.

Einen Tag vor der Veröffentlichung der jüngsten Sanktionskeule im Wall Street Journal hatte sich der Präsident der US-Handelskammer, Thomas J. Donohue, in einem Vortrag vor Diplomaten, Politikern, Studenten und Professoren an der Universität von Havanna für die Beendigung der Blockade ausgesprochen. Es sei jetzt notwendig und an der Zeit, die Beziehungen zwischen beiden Ländern zu normalisieren, sagte der Repräsentant von mehr als drei Millionen US-Unternehmern. Donohue hatte die sozialistische Karibikinsel in Begleitung von gut einem Dutzend Geschäftsleuten und Mitarbeitern der US-Handelskammer besucht. Die Delegation besichtigte mehrere Betriebe, Kooperativen, Vertreter des privaten Sektors und das im Januar eröffnete Areal des neuen Tiefwasserhafens und Containerterminals sowie der Sonderwirtschaftszone in der Bucht von Mariel.

Nach Zusammenkünften mit Außenminister Bruno Rodriguez und dem Minister für Außenhandel und Auslandsinvestitionen, Rodrigo Malmierca, waren Donohue und ein Teil seiner Gruppe am Donnerstag von Präsident Raúl Castro empfangen worden. Damit demonstrierte Havanna auch die Erwartung, daß die Forderungen der Besucher in Washington gehört und ernst genommen würden. Dort hatten ultrarechte Gegner der Normalisierung aber längst ihre Büchsen gespannt. Die republikanische Kongreßabgeordnete Ileana Ros-Lethinen aus Florida diffamierte den Besuch der US-Unternehmer schon im Vorfeld als »Ausflug in den Gulag der Castros«, und ihr Kollege Robert Menéndez, demokratischer Senator aus New Jersey, assistierte mit der Bemerkung, daß die Reise nur ein Regime stärke, das seinen Bürgern fundamentale Rechte vorenthalte. Die »Bestrafung« europäischer Banken liegt auf dieser Linie, die derzeit noch das Handeln der US-Politik bestimmt.

Die Hoffnungen, daß die geschäftlichen Interessen der US-Unternehmer tatsächlich zu einer baldigen Normalisierung der Beziehungen zwischen Washington und Havanna beitragen, sind deshalb eher gedämpft. »Ich habe keinerlei Hoffnung, daß Obama irgend­etwas ändert«, sagte beispielsweise der bekannte Liedermacher Silvio Rodríguez und fügte hinzu: »Ich wünschte mir, daß er sich trauen würde. Aber ich habe keinerlei Erwartung, daß er es wirklich tut.«

* Aus: junge Welt, Montag, 2. Juni 2014


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