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Kuba will Kapital ins Land holen

Die Havanna-Messe 2014 steht ganz im Zeichen des neuen Investitionsgesetzes

Von Andreas Knobloch, Havanna *

Noch bis kommenden Samstag präsentieren Aussteller aus aller Welt ihre Produkte auf der 32. Internationalen Havanna-Messe.

Vor einigen Jahren habe ihn ein Bekannter auf Kuba aufmerksam gemacht, erzählt Wilfried Zill, Seniorchef der Dresdner Lackfabrik Novatic, das sei ein leicht zu erschließender Markt. »Leider hat sich das als Fehleinschätzung erwiesen.« Das Familienunternehmen, 1990 aus der Privatisierung des VEB Lackfabrik hervorgegangen, vertreibt Indus-trielacke und Korrosionsschutz; zu den Kunden gehören die Windkraftbranche, Bahnunternehmen, Pharma- und Chemiekonzerne. Bisher ist man vor allem in Osteuropa aktiv. »Über Kuba soll der Sprung nach Lateinamerika gelingen«, sagt Wilfrieds Sohn Jochen Zill, einer der Geschäftsführer. Deshalb ist Novatic 2014 erstmals mit eigenem Stand auf der am Sonntag eröffneten Internationalen Havanna-Messe vertreten.

Auf über 18 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche präsentieren sich rund 2000 Unternehmen aus 60 Ländern. Aus Deutschland sind 37 Aussteller vertreten, vor allem Technologie- und Maschinenbauunternehmen, darunter Schwergewichte wie Bosch, MAN oder ThyssenKrupp, aber auch Mittelständler wie Novatic. Der deutsche Pavillon ist das dritte Jahr in Folge ausgebucht. Spanien, Kubas wichtigster Handelspartner in Europa, ist sogar mit vier Pavillons vertreten.

Es hat sich herumgesprochen, dass sich Kuba im Umbruch befindet. Seit einigen Jahren vollzieht das Land einen vorsichtigen Prozess wirtschaftlicher Anpassung. Unter dem Leitspruch der »Aktualisierung des sozialistischen Modells« wurden Beschränkungen beim Auto- und Immobilienkauf beseitigt, mehr privatwirtschaftliche Initiative zugelassen, eine Sonderwirtschaftszone eingerichtet, Staatsunternehmen erhalten mehr Autonomie und seit Ende Juni können ausländische Unternehmen in alle Sektoren der kubanischen Wirtschaft investieren. Die Messe in Havanna steht denn auch ganz im Zeichen des neuen Gesetzes über Auslandsinvestitionen, das dringend benötigtes Kapital ins Land holen soll.

Auch Novatic will »ein Bein reinkriegen«. Allerdings sei der Zugang zu staatlichen Stellen schwierig und die Bürokratie ein großes Hindernis, beklagt Jochen Zill. »Der Marktzugang ist schwierig, da mögliche Kooperationspartner fehlen. Die größte Lackfabrik des Landes zum Beispiel ist voll auf China ausgerichtet.«

Die Regierung in Havanna ist aber durchaus an Investitionspartnern auch aus anderen Ländern als Venezuela und China, den mit Abstand wichtigsten Handelspartnern, interessiert. Kuba wolle »von den Vorteilen profitieren, die mit ausländischen Investitionen verbunden sind, um seine Entwicklung anzustoßen«, sagte Außenhandelsminister Rodrigo Malmierca Díaz, als er am Montag auf der Messe den 8,7 Milliarden US-Dollar schweren Investitionskatalog der Regierung vorstellte. Dieser enthält 246, über die gesamte Insel verteilte Projekte – von Hühnerzucht über Impfstoffherstellung bis zur Errichtung von Windparks. Kuba benötige ausländische Investitionen von jährlich rund zwei Milliarden US-Dollar, um sein Wirtschaftswachstum wie angestrebt auf fünf Prozent gegenüber derzeit ein Prozent zu steigern, so der Minister. »Regierungen können viel tun, um ein wirtschaftliches Umfeld zu schaffen, aber am Ende müssen die Unternehmen daraus etwas machen.« Das sind neue Töne: Wurde ausländisches Kapital früher als »komplementär« verstanden, wird es jetzt in einigen Sektoren als »fundamental« angesehen.

Zu den Schwerpunkten des neuen Investitionsgesetzes gehört der Umbau des Energiesektors hin zu den Erneuerbaren. Das müsste Novatic doch zugute kommen? Es gebe durchaus Anfragen von Ministerien, man stehe aber noch am Anfang. Er sei jedoch guten Mutes, sagt Wilfried Zill, bevor er los muss – zu einem Vertragsgespräch.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 6. November 2014


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