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"Steinmeier kam spät, aber er kam"

Der Kuba-Besuch des Außenministers war überfällig. Auch aus wirtschaftspolitischen Gründen. Ein Gespräch mit Wolfgang Gehrcke *


Wolfgang Gehrcke ist stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion Die Linke und deren Obmann im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages.

Wegen einer Reisesperre für Bundestagsabgeordnete konnten Sie nicht mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach Kuba reisen. Wurden Sie über die dortigen Gespräche informiert?

Exakt für den Zeitpunkt, als die Reise Steinmeiers nach Kuba stattfand, war die Sondersitzung des Bundestages zu Griechenland einberufen worden. Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD haben ihren Abgeordneten daraufhin keine Genehmigung zur Teilnahme an der Reise erteilt. Die Grünen haben mit dieser Begründung ihre Teilnahme abgesagt und mit mir allein wollte der Außenminister dann doch nicht fahren. Eine gründliche Information über die Gespräche steht noch aus, wird aber stattfinden.

Wie bewerten Sie die bisher bekannten Ergebnisse der Reise?

Sie ist kein Ausdruck von besonderem Mut. Ich finde es richtig und freue mich, dass Steinmeier endlich gefahren ist. Immerhin ist es der erste Besuch eines bundesdeutschen Außenministers nach über 50 Jahren, aber man hat erst den Kurswechsel der Obama-Administration abgewartet, um dann in deren Wind zu segeln. Steinmeier kam spät, aber er kam.

Welche Bedeutung hat der in Havanna unterzeichnete Rahmenvertrag zwischen Kuba und Deutschland, für den Sie sich ja auch eingesetzt hatten?

Er klärt die politischen Grundlagen der Beziehungen zu Kuba. Das war wichtig festzuschreiben.

Wo sehen Sie die größten Potentiale für eine mögliche Zusammenarbeit beider Länder?

Wenn man endlich begreifen würde, dass die Verbesserung der Beziehungen nicht nur Kuba nützen, sondern dass auch Deutschland und die EU davon profitieren, könnte man sehr viel aus dieser Reise herausholen. Im übrigen: Die bundesdeutsche Hochnäsigkeit kann man sich abschminken. Kuba war immer für bessere Beziehungen und Deutschland hat im Schlepptau der USA dieses Bestreben blockiert.

Der formal noch existierende »Gemeinsame Standpunkt« der EU macht einen Systemwechsel in Kuba zur Voraussetzung für eine Normalisierung der Beziehungen. Erwarten Sie, dass sich Berlin jetzt für die Abschaffung dieses Relikts des Kalten Krieges einsetzt?

Das fordere ich nachdrücklich. Dieser so genannte »Gemeinsame Standpunkt«, der sich auch in der Lateinamerikastrategie der Bundesregierung findet, ist in der Tat ein Ausdruck des Kalten Krieges.

Die USA verändern ihr Verhältnis zu Kuba, halten die Wirtschaftsblockade aber aufrecht, die auch deutsche und europäische Unternehmen behindert. Warum lässt die deutsche Regierung sich das gefallen?

Gute Frage! Die müsste natürlich Steinmeier beantworten. Ich habe immer wieder gefordert, dass der Außenminister bei diesem Besuch auch deutlich macht, dass die USA den Stützpunkt Guantanamo sofort schließen und das Gelände an Kuba zurückgeben müssen. Die Bundesregierung ist immer dann kleinmütig, wenn sie sich couragiert gegenüber den USA verhalten müsste. Beim Thema NSA taucht sie ab, von ihrem Stützpunkt Ramstein aus dürfen die USA weiter morden, und die Wirtschaftsblockade widerspricht allen Grundlagen einer normalen Beziehung. Ich traue weniger der Bundesregierung, sondern setze darauf, dass ihr die an Kuba interessierten Unternehmen Beine machen werden.

Kuba will mit der BRD einen gleichberechtigten Dialog über die Situation der Menschenrechte in beiden Ländern führen. Halten Sie das für legitim?

Natürlich. Da viel über Menschenrechte spekuliert und debattiert wurde, erinnere ich daran, dass die Charta der Menschenrechte der Vereinten Nationen eine Zusammenstellung von sozialen, kulturellen und politischen Rechten ist.

Was erwarten Sie nach der Steinmeier-Reise von der Kuba-Politik der Bundesregierung?

Sie sollte so rasch wie möglich begreifen, dass Kuba nicht mehr isoliert ist. Das Land ist Teil der lateinamerikanischen Linken. Gute Beziehungen zu Kuba verbessern auch das Verhältnis zu Venezuela, Argentinien, Brasilien und so weiter. Kuba spielt bei der sich entwickelnden Internationalisierung der Zusammenarbeit in Lateinamerika eine große Rolle. Jetzt muss man handeln und – wie heißt es so schön? »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.«

Interview: Volker Hermsdorf

* Aus: junge Welt, Samstag, 25. Juli 2015


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