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Ärzte für Brasilien

Kubas Unterstützung wird weiter verstärkt. Gehaltserhöhung für Mediziner auf der Insel

Von Volker Hermsdorf *

Kuba hat in der vergangenen Woche weitere Mediziner nach Brasilien geschickt. Mit den 1684 Spezialisten, die vor wenigen Tagen in dem südamerikanischen Land eintrafen, sind dort mittlerweile 11430 Ärzte und anderes medizinisches Personal von der sozialistischen Karibikinsel in mehr als 4000 Gemeinden und in 32 Bezirken der indigenen Bevölkerung tätig. Die Kubaner sind Teil des Programms »Mais Médicos« (Mehr Ärzte), das Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff im Sommer letzten Jahres aufgelegt hatte, um die Versorgung der Bevölkerung in den strukturschwachen ländlichen Regionen und in den von Armut geprägten Vororten der Großstädte zu verbessern. Nach Einschätzung des brasilianischen Gesundheitsministeriums hatten Mitte 2013 mehr als 50000 Mediziner gefehlt. Mit 1,8 Ärzten auf 1000 Einwohner lag das Land auf dem Kontinent am unteren Ende der Skala, während in Kuba für dieselbe Anzahl Menschen 6,7 Ärzte zur Verfügung stehen. Die Insel nimmt damit den internationalen Spitzenplatz ein.

»Ich bin stolz auf dieses Programm«, sagte Rousseff nach Ankunft der kubanischen Fachleute und bestätigte, daß dessen Erfolg vor allem der Unterstützung der Regierung in Havanna zu verdanken ist. Nach Angaben der Präsidentin werden im April insgesamt 13225 zusätzliche Ärzte innerhalb des Programms arbeiten und über 46 Millionen Patienten betreuen, die vorher ohne medizinische Versorgung waren. Solche Ergebnisse haben anfängliche Anfeindungen konservativer Standes- und Interessenverbände sowie rechter Medien und Politiker in den Hintergrund gedrängt, erklärte auch die Vertreterin des brasilianischen Gesundheitsministeriums, Angela Cristina Pistelli, in Havanna. Sie bestätigte, daß nach jüngsten Umfragen mehr als 80 Prozent der Bevölkerung das Programm »Mais Médicos« befürworten.

In Kuba wurde die Entsendung weiterer Fachkräfte von den Lesern der Tageszeitungen und Internetportale überwiegend positiv kommentiert. Einige äußerten jedoch auch die Sorge, daß unter dem verstärkten Auslandseinsatz die Versorgungsqualität der Bevölkerung im eigenen Land leiden könne. Kubas Gesundheitsminister Roberto Morales Ojeda trat solchen Befürchtungen entgegen und betonte, daß das kubanische Gesundheitswesen trotz der internationalen Missionen über eine ausreichende Zahl qualifizierter Mitarbeiter verfüge. Nach Auskunft des Ministers unterhält Kuba derzeit in 66 Ländern Lateinamerikas, der Karibik, Afrikas, Asiens und der Pazifikregion medizinische Hilfsprogramme, an denen mehr als 25000 Ärzte beteiligt sind. Trotzdem gebe es im Land noch genügend und wachsende Reserven. Im kommenden Juli würden zum Beispiel 4000 neue Mediziner ihre Ausbildung beenden. Kuba werde auch weiterhin zu den Ländern mit der weltweit höchsten Zahl von Ärzten im Verhältnis zu den Einwohnern gehören, versicherte er.

Eine Qualitätssteigerung der medizinischen Versorgung verspricht sich die Regierung neben der verstärkten Ausbildung von Spezialisten auch von Gehaltserhöhungen. Am vergangenen Mittwoch beschloß der vom kubanischen Präsidenten Raúl Castro geleitete Ministerrat die bislang höchsten Einkommenserhöhungen für die rund 440000 Beschäftigten des Gesundheitswesens. Nach einer in der Tageszeitung Granma veröffentlichten Tabelle wird ab 1. Juni zum Beispiel das Gehalt von einfachen Pflegern und Krankenschwestern von 320 auf 595 kubanische Pesos (CUP) erhöht, das von spezialisierten Krankenschwestern steigt von 562 auf 940 CUP und Ärzte mit speziellen Kenntnissen erhalten künftig 1600 statt bisher 627 CUP. Das entspricht umgerechnet 67 Dollar.

Bei der Präsentation der neuen Regelungen hatte der Vorsitzende der Kommission für die Umsetzung der Leitlinien zur Aktualisierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik, Marino Murillo, darauf hingewiesen, daß die Gehaltserhöhungen auch durch steigenden Einnahmen aus dem Export medizinischer Dienstleistungen ermöglicht würden. Nach einem Bericht des Onlineportals Cubadebate vom vergangenen Freitag sieht die Planung für dieses Jahr in diesem Bereich Einnahmen von mehr als 8,2 Milliarden konvertierbaren Pesos (CUC) vor, das entspricht etwa 5,9 Milliarden Euro.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 26. März 2013


Mehr Geld für kubanische Ärzte und Pfleger

Sozialistische Regierung beschließt deutliche Anhebung der Gehälter in Gesundheitsberufen

Von Andreas Knobloch **


Kuba erhöht die Löhne im Gesundheitssektor. Das ist eine Anerkennung für einen der wichtigsten Wirtschaftsbereiche der Insel.

Der kubanische Ministerrat beschloss vergangene Woche für die über 440 000 Beschäftigten des staatlichen Gesundheitswesens eine Anhebung der Gehälter – teils um über 100 Prozent. Wie die Tageszeitung »Granma« schreibt, tritt die neue Einkommensstruktur ab dem 1. Juni in Kraft. Sie soll »dazu beitragen, weiter die Stabilität und Qualität der medizinischen Leistungen für die Bevölkerung zu gewährleisten, sowie die internationalen Verpflichtungen zu erfüllen«. Die Gehälter spezialisierter Ärzte werden von 627 Pesos (19 Euro) auf 1600 Pesos angehoben; Krankenpfleger verdienen künftig 595 statt bisher 320 Pesos. Der kubanische Durchschnittslohn liegt bei rund 444 Pesos.

Mit den Erhöhungen werden Leitlinien des VI. Kongresses der Kommunistischen Partei von 2011 umgesetzt. Dort war die Aktualisierung des sozialistischen Wirtschaftsmodells beschlossen worden. Die höheren Gehälter sind zugleich Anerkennung für einen der wichtigsten Wirtschaftsbereiche des Landes: Laut UNO hat Kuba das höchste Pro-Kopf-Aufkommen an Ärzten weltweit. Bei den Indizes für Kindersterblichkeit oder Lebenserwartung weisen nur einige Industrienationen ähnliche Kennziffern wie die Karibikinsel auf. Jedes Jahr absolvieren Tausende Studenten aus Lateinamerika, Asien und Afrika ein kostenloses Medizinstudium auf Kuba.

Das Land exportiert medizinische Dienstleistungen in alle Welt. Über 50 000 kubanische Ärzte und medizinisches Personal arbeiten in 66 Ländern, knapp die Hälfte in Venezuela. Im Gegenzug liefert das Land Erdöl an Kuba. Brasilien hat über 11 000 kubanische Mediziner für sein Programm »Mais Médicos« angeworben. Sie sollen helfen, vor allem in den dünn besiedelten Bundesstaaten im Nordosten und dem Amazonas-Gebiet eine flächendeckende Gesundheitsversorgung zu sichern. Während die Bevölkerung die Anwerbung kubanischer Ärzte mehrheitlich begrüßte, stieß sie bei vielen brasilianischen Berufskollegen auf Vorbehalte.

Die Ärztemissionen im Ausland erwirtschaften einen Großteil der kubanischen Devisen und sind – noch vor dem Tourismus und Geldüberweisungen der Diaspora – die größte Nettoeinnahmequelle des Landes. Die Lohnerhöhungen gelten zum Teil auch für im Ausland tätige Mediziner. So werden die Gehälter kubanischer Ärzte in Venezuela verdoppelt; gleichzeitig bleiben Job und Gehalt in Kuba für nach der Rückkehr gesichert.

Der für die Aktualisierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik zuständige Minister Marino Murillo Jorge sagte, für 2014 sei geplant, durch den Export von Ärzten und Medizinern rund 182 Milliarden Pesos einzunehmen. Das entspräche knapp zwei Dritteln des Verkaufs an medizinischen Serviceleistungen. Zugleich erinnerte Murillo daran, dass zwischen 2012 und 2013 im Gesundheitswesen 109 000 Stellen gestrichen wurden, ohne dass dies die Qualität der Versorgung beeinträchtigt hätte. Auch das habe dazu beigetragen, die Einkommen steigern zu können.

Die Anhebung war bereits auf dem XX. Kongress des kubanischen Gewerkschaftsdachverbandes CTC Ende Februar angekündigt worden. Viele Gewerkschaftsvertreter hatten flächendeckende Lohnerhöhungen auch für andere Wirtschaftsbereiche gefordert, was Kubas Präsident Raúl Castro Ruz in seiner Schlussrede jedoch als »unverantwortlich und kontraproduktiv« ausschloss. Zwar gestand er ein, dass die Gehälter und Renten nicht ausreichten, alle Grundbedürfnisse zu decken. Eine Anhebung könne es aber nur geben, wenn die Produktivität gesteigert werde. In diesem Sinne sind die höheren Gehälter im Gesundheitssektor wohl auch als Anreiz für andere Branchen zu verstehen.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 26. März 2013


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