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Bittere Zuckerernte

Kubas Ergebnis liegt unter den Erwartungen

Von Leo Burghardt, Havanna *

2002 leitete die kubanische Regierung einen radikalen Wandel im Zuckersektor ein. Die Produktionsergebnisse lassen jedoch nach wie vor zu wünschen übrig.

Die Zafra (Zuckerrohrernte) 2011/2012 ist sang- und klanglos beendet worden. 46 der 61 Zuckerfabriken, die vor zehn Jahren eine radikale Reform überlebt hatten, waren in Betrieb. Damals mussten 95 Fabriken, manche 100 Jahre alt, geschlossen werden, weil sie Jahr für Jahr rote Zahlen schrieben. Doch bis heute ist mit der Zuckerwirtschaft - einst der Stolz des Landes - kein Staat zu machen. 2010 erzielte sie sogar einen Minusrekord: knapp 1,1 Millionen Tonnen. So schlecht war sie zum letzten Mal 1905. Daraufhin musste der Zuckerminister wegen »Vernachlässigung seiner Pflichten« gehen. Das Ministerium - ein Kind der Revolution - wurde aufgelöst. An seiner statt entstand die »Unternehmensgruppe AZCUBA«, ein Konglomerat aus 13 kubanischen Kombinaten, die mit Zucker zu tun haben. Kuba experimentiert mit 80 Derivaten.

Und die diesjährige Zafra? »Sie hat nicht die Resultate erbracht, die wir erwartet haben«, murrte die »Granma«: 1,4 Millionen Tonnen, 96 Prozent Planerfüllung. Mehr, wenn auch nicht viel mehr, wäre möglich gewesen, aber der Mangel an Kontrolle, Anforderung und Abstimmung und diese allgegenwärtige Routine, »die jeder Flexibilität im Wege steht«, zwingen erneut zu hoffen und nicht zu wissen.

Das alte Lied! Reparaturen, die sich schon vor Beginn der Ernte abzeichneten, jedoch nicht rechtzeitig oder nachlässig ausgeführt wurden, so dass ganze Fabriken tagelang still standen.

Der Rhythmus Plantage-Transport-Fabrik entsprach oft nicht den Erfordernissen, wie auch Chefs, die nicht auf dem Laufenden waren. Rohr, das zu lange liegen blieb oder auf den Fahrzeugen »schlief« und darum bis zu 30 Prozent seines Safts einbüßte, war ein weiterer Missstand. Immer noch herrscht die Tendenz zur Vernebelung der Tatsachen vor. Dabei gab es bei dieser Zafra mehr Ersatzteile für Lokomotiven, Lkw, Fabriken und Anlagen zur künstlichen Bewässerung, mehr Dünger, Herbizide und Arbeitskleidung für die Macheteros. Die »Granma«: »Jedes Jahr erwecken wir den Anschein, als ob wir es mit der ersten Zafra zu tun hätten, die wir machen wollen. Dabei ist es die 200.« Die Anfänge der Zuckerindustrie reichen schließlich bis ins 18. Jahrhundert zurück.

Experten der internationalen Zuckerorganisation mit Sitz in London meinen, wenn das Rohr ausreichend bewässert, gedüngt und von Unkraut befreit wird, könne bei Kubas idealem Klima der Hektar zehn Jahre lang 11 Tonnen Rohrzucker bringen, vorausgesetzt, dass auch die Fabriken, die Achillesferse einer jeden Zuckerrohrernte, in Schuss sind. Ernten von 2,5 Millionen Tonnen seien schon kurzfristig nicht illusorisch. Nicht ratsam wäre es allerdings, wie vor 20 Jahren wieder acht oder sieben Millionen Tonnen anzupeilen. Das würde die Nachfrage auf dem internationalen Markt beeinträchtigen und Kuba trüge dann selbst zum Preisverfall bei. Fünf Millionen Tonnen wären hingegen ein Ziel, das Kubas Möglichkeiten angemessen ist.

* Aus: neues deutschland, Montag, 25. Juni 2012


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