Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Posada Carriles in Miami auf freiem Fuß

Attentäter hat unter Obama nichts zu fürchten

Von Leo Burghardt, Havanna *

Terroristen sind in den USA nicht Terroristen, wenn es sich um die »eigenen Leute« handelt. Der Fall des Luis Posada Carriles unterstreicht das bis heute.

Am 6. Oktober 1976 zerfetzten zwei Bomben eine DC 8 der Cubana de Aviación, kurz nach dem sie in Bridgetown/Barbados mit 73 Passagieren an Bord gestartet war. Niemand überlebte. Auf dem Mitschnitt der letzten Worte des Kopiloten hört man eine entsetzte Stimme und wenige Sekunden später nur noch ein Rauschen. Beim Anhören gefriert einem noch heute das Blut in den Adern.

Die beiden Bombenleger, die in Bridgetown ausgestiegen waren, wurden noch am gleichen Tag gefasst. Sie hielten sich nicht lange damit auf, die Schuld abzustreiten. Die CIA würde schon dafür sorgen, dass ihnen nichts Wesentliches passiert, denn sie wussten, dass ihre Auftraggeber, Posada Carriles und Orlando Bosch in deren Unterkunft die Sprengsätze montiert wurden, Offiziere des US-amerikanischen Geheimdienstes waren.

Nach einem kurzen Prozess landeten die Attentäter für ein paar Jahre in einem venezolanischen Gefängnis. Auch Posada Carriles, ein Sprengstoffexperte, kam nicht ganz ungeschoren davon. Aber als die Zeit reif war, handelten die in Miami ansässigen antikubanischen Terroristen: Sie kauften die komplette Nachtschicht der Wärter in der Strafanstalt, in der Posada Carriles in für ihn äußerst annehmbaren Bedingungen einsaß. Der Jahre später selbst in den FBI-Akten als »höchst gefährlich« und »für die Vereinigten Staaten unerwünscht« geführte Exil-Kubaner verdrückte sich nach Mittelamerika. Bosch war schon vor Jahren durch eine Amnestie, die Bush-Senior angeordnet hatte, auf freien Fuß.

Posada entwickelte sich, wieder mit Hilfe der CIA, zu einer der zentralen skrupellosesten Drahtzieher des schmutzigen Krieges der USA gegen Kuba. Immer im Visier: Fidel Castro. Zuletzt, während des Iberoamerikanischen Gipfels in Panama. Dort hatten er und seine Komplizen kühl in Kauf genommen, dass bei der Zündung ihrer Sprengladung in der Universität Hunderte Studenten und Professoren umgekommen wären. Die panamaische Polizei hatte von der kubanischen Abwehr den heißen Tipp erhalten und konnte den Massenmord verhindern. Das Quartett wurde eingesperrt und kam auf eine ähnliche Tour wie damals in Caracas wieder frei.

Jetzt leben Posada Carriles und Bosch schon längst in Miami. Posada Carriles soll irgendwann der Prozess gemacht werden – wegen illegaler Einreise in die USA! Weiter nichts. Venezuela, das Posada Carriles Auslieferung zur Verbüßung seiner Reststrafe fordert, wird mit immer neuen Mätzchen von der US-amerikanischen Justiz hingehalten, die sich nicht einmal beeilt, wenigstens einen Bagatellprozess zu machen, denn solange ein Verfahren gegen einen Angeklagten in den USA anhängig ist, sei an Auslieferung nicht zu denken. Und so spazieren Posada Carriles und Bosch (der seit Jahren nur noch mit dem Mundwerk versucht, Kuba zu verletzen) in Miami frei herum. Das war unter Bush so und unter Barack Obama scheint sich daran nichts zu ändern.

Wie im Fall der der fünf kubanischen Antiterroristen, der Miami Five, von denen drei, die nicht in den USA geboren wurden, am kommenden Dienstag noch einmal »wegen neuer Regeln« eine Chance erhalten sollen, um eine Strafermäßigung zu erreichen. Dabei steht ihre Unschuld für unabhängige Juristen außer Frage. Aber solange die großen US-amerikanischen Medien nicht über die Justizposse berichten, wird sich womöglich nur wenig tun. Und die schweigen verbissen.

* Aus: Neues Deutschland, 10. Oktober 2009


Washingtons Terrorpate

Luis Posada Carriles und die CIA: Jetzt veröffentlichte Geheimdokumente belegen Verbindungen zum US-Geheimdienst und Tätigkeiten in militanten exilkubanischen Gruppen

Von Jürgen Heiser **

Auf den Tag genau 33 Jahre nach dem verheerenden Bombenanschlag auf eine DC-8 der kubanischen Fluggesellschaft Cubana de Aviación am 6. Oktober 1976 veröffentlichte das unabhängige National Security Archive an der George Washington University in Washington D. C. bislang unter Verschluß gehaltene Dokumente über Luis Posada Carriles. Er ist einer der beiden Hauptverantwortlichen für das Attentat. Die Dokumente enthalten neue Beweise für dessen »Verbindungen zur Firma«, zum US-Geheimdienst CIA, und seine Rolle als Agent im Kreis militanter exilkubanischer Gruppierungen. Die bisher geheimen Akten offenbaren den Namen seines CIA-Führungsoffiziers Grover T. Lythcott, enthüllen seinen Decknamen AMCLEVE-15 und werfen ein Licht auf seine Zusammenarbeit mit Jorge Más Canosa, bis zu seinem Tod im Jahr 1997 einer der führenden exilkubanischen Contras in Miami. Más Canosa nahm 1961 an der Invasion in der Schweinebucht, dem gescheiterten militärischen Angriff auf das revolutionäre Kuba, teil und absolvierte anschließend eine Offiziersausbildung bei der US-Armee in Fort Benning, Georgia. Er war Vorsitzender zahlreicher Wirtschaftsverbände, Honorarkonsul von Tel Aviv und Chefberater des US-Propagandasenders Radio Martí.

Nachdem die Regierung von US-Präsident Ronald Reagan 1981 die Fundación Nacional Cubano-Americana (FNCA – Kubanisch-amerikanische Nationalstiftung) auf der Basis einer Direktive des Nationalen Sicherheitsrates der USA (NSC) gegründet hatte, wurde Más Canosa mit deren Aufbau beauftragt. Unter dem Dach der Fundación sollten die Exilkubaner »mit einer Stimme« sprechen. Hinter der Fassade einer gemeinnützigen Stiftung aber entfalteten die von der Fundación geführten Kräfte den Kampf zum Sturz der kubanischen Regierung in ganzer Breite: von Propagandaaktionen über Sabotage- bis hin zu Terrorakten.

Die CIA mußte die in den letzten Jahren vom National Security Archive veröffentlichten Dokumente unter dem »Kennedy Assassination Records Act« freigeben. Für Peter Kornbluh, Leiter des Kuba-Dokumentationsprojekts im National Security Archive, sind die bisher aufgedeckten Papiere nur ein Anfang.

In einer Notiz von Posada aus dem Juli 1966 bittet dieser seinen CIA-Führungsoffizier Lythcott um Erlaubnis, sich einer Koordinationsjunta von vier gewaltsam agierenden exilkubanischen Gruppen anschließen zu dürfen. Eine davon ist die von Más Canosa geführte Kubanische Vertretung im Exil (RECE). »Ich werde der Firma alle Geheiminformationen weitergeben, die ich sammeln kann«, schreibt Posada. »Ich werde eine eher stabile Position zwischen den Exilanten einnehmen, was mir für die Zukunft zu einer besseren Position verhilft, gute Arbeit für die Firma leisten zu können.«

Die Dokumente belegen, daß Posada bereits seit Mitte 1965 für die CIA Berichte über Más Canosas Aktivitäten verfaßt hat. Im Juli desselben Jahres meldet Posada, daß er für eine Operation von Más Canosa gegen sowjetische und kubanische Schiffe im Hafen von Veracruz, Mexiko, zwei Zehnpfünder-Haftminen gebaut hat, wofür er außer Pentolite-Sprengstoff auch Stiftzünder verwendet.

In einem Aktenvermerk beschreibt Lythcott Posada als jemanden, »der nicht gerade ein Haudegentyp ist«, sondern »sich der internationalen Implikationen schlecht geplanter oder übertrieben enthusiastischer Aktivitäten gegen Kuba bewußt ist«. In Posadas CIA-Personalakte steht schon 1965, er sei »streng antikommunistisch« und eigne sich »außerordentlich gut für eine verantwortliche zivile Position in PBRUMEN (Codewort für Kuba), sollte die gegenwärtige Regierung stürzen«.

Sowohl CIA- als auch FBI-Geheimakten identifizieren Posada als einen der Hintermänner des Bombenanschlags auf die Maschine des Fluges CU-455 der Cubana-Fluggesellschaft. Auch dabei sei ein Stiftzünder eingesetzt worden. 1997 gibt Posada öffentlich seine Verbindungen zu einer Serie von Bombenattentaten auf kubanische Hotels zu.

»Die Dokumente belegen, daß Posada sich über einen langen Zeitraum bei der CIA eingeschmeichelt hat«, kommentiert Peter Kornbluh, »vielleicht, um sich dadurch auch einen gewissen Grad von Schutz zu kaufen, weil er sich für diese Terrorkarriere engagiert hat.« Die CIA fordert er auf, »ihre gesamten operativen Akten über Posada Carriles und seine Aktivitäten offenzulegen, um die Geschichte der gegen die Castro-Regierung gerichteten Gewalt aufzuklären und den vielen Opfern Posadas Gerechtigkeit widerfahren zu lassen«.

Auf dem 15. Iberoamerikanischen Gipfeltreffen 2005 hatten die teilnehmenden Staaten in einer Resolution von den USA gefordert, Posada Carriles für die ihm angelasteten Attentate vor Gericht zu stellen. Auf einem internationalen Solidaritätstreffen für die »Cuban Five« sagte der Präsident der Nationalversammlung Kubas am 2. Mai 2007 in Havanna: »Der beste Beweis für die Unschuld unserer fünf Landsleute, die unrechtmäßig in Gefängnissen der USA eingesperrt sind, ist Posada Carriles, dessen Freilassung in skandalöser Art gegen die vom Imperium selbst verkündeten Gebote seines vermeintlichen Kampfes gegen den Terrorismus verstößt«.

Die Regierung von Hugo Chávez in Venezuela wirft den Vereinigten Staaten angesichts der Tatsache, daß sich dieser Terrorist in Freiheit befindet, während die »Cuban Five« wegen ihrer Kundschaftertätigkeit gegen Exilkubaner vom Schlage Posadas und Boschs seit zwölf Jahren in Haft sitzen, eine »Doppelmoral in ihrem sogenannten Krieg gegen den Terrorismus« vor. Sie verlangt die Auslieferung Posadas.

** Aus: junge Welt, 10. Oktober 2009

Flug CU-455

73 Menschen ermordet: Anschlag sollte 1976 Fanal für den »Regimewechsel« auf Kuba sein

Von Jürgen Heiser ***

Am 6. Oktober 1976 startet Flug CU-455 der Cubana de Aviación vom Seawell Airport in Bridgetown auf Barbados. Die Maschine war mit etwas Verspätung aus Guyana kommend auf Barbados gelandet und der Weiterflug nach Havanna mit geplanten Zwischenstopps in Kingston, Jamaica, und Santiago de Cuba vorgesehen.

Nur neun Minuten nach dem Start explodiert in einer Flughöhe von 18000 Fuß eine in den Hecktoiletten versteckte Zeitbombe. Kapitän Wil­fredo Pérez funkt an den Kontrollturm von Barbados: »Explosion an Bord, wir befinden uns im Sinkflug! Feuer an Bord! Erbitten sofortige Landeerlaubnis! Höchste Notfallstufe!« Während die Piloten verzweifelt versuchen, die Maschine zum Seawell Airport zurückzufliegen, explodiert eine zweite Zeitbombe unter Sitz Nummer 27. Acht Kilometer vor Bridgetown stürzt die brennende Maschine ins Meer.

Von den 73 Menschen an Bord überlebt niemand: 57 Kubaner, 11 Guyaner und fünf Nordkoreaner. Das jüngste Opfer ist neun Jahre alt. Unter den Toten 24 junge Mitglieder der kubanischen Fechtnationalmannschaft, die bei den Zentralamerikanisch-Karibischen Meisterschaften gerade die Goldmedaille errungen hat. Als Regierungsvertreter sterben Manuel Permuy Hernández, Direktor des Nationalen Sportinstituts Kubas, Jorge de la Nuez Suárez, Sekretär der Krabben-Fischereiflotte, Alfonso González, Beauftragter des kubanischen Waffensportverbandes, und Domingo Chacón Coello, Flugsicherheitsbeamter des Innenministeriums. Die elf Passagiere, die zu Beginn des Fluges in Gu­yana zugestiegen waren, sind 18- und 19jährige Stipendiaten, die in Kuba ihr Medizinstudium aufnehmen wollten, und die junge Frau eines guyanischen Diplomaten. Vier der fünf getöteten Koreaner sind Regierungsvertreter.

Am 6. Oktober 2009 erklärt Bernardo Alvarez Herrera, Botschafter Venezuelas in den USA: »Die Bolivarische Republik Venezuela wird weiterhin dafür eintreten, Luis Posada Carriles für 73 heimtückische Morde in Caracas vor Gericht zu stellen und seiner gerechten Strafe zuzuführen.«

*** Aus: junge Welt, 10. Oktober 2009




Zurück zur Kuba-Seite

Zur USA-Seite

Zur Terrorismus-Seite

Zurück zur Homepage