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Große Koalition

Vertreter von CDU und SPD gaben in Miami Ratschläge für Umsturz auf Kuba. Dank an Papst und Gorbatschow

Von Volker Hermsdorf *

Einen Tag, nachdem Hunderte Bootsflüchtlinge aus Afrika vor der italienischen Insel Lampedusa im Meer ertranken, referierte Angela Merkels persönlicher Afrikabeauftragter Günter Nooke (CDU) am Freitag im 9000 Kilometer entfernten Florida vor ausgewählten US-Politikern und Exilkubanern über das deutsche Modell zur Beseitigung des Sozialismus. Auf der Konferenz mit dem Titel »Versöhnung und Wandel: Die Erfahrungen Deutschlands« durfte neben dem früheren DDR-»Dissidenten« Nooke auch der ehemalige Leiter der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Washington, Dr. Dieter Dettke, Empfehlungen für einen Systemwechsel auf Kuba geben. Weitere Referenten waren der Geschäftsmann Carlos Saladrigas, der mit seiner »Cuba Study Group« von Miami aus einen »friedlichen Systemwechsel« befördern will, und der aus Pinar del Río (Kuba) angereiste Systemgegner Dagoberto Valdés, der mit Unterstützung der US-Dienste USAID und CIA sowie der Hilfe europäischer Diplomaten zwei regierungsfeindliche »Kulturmagazine« herausgibt.

Ort der illustren Tagung war das Miami Dade College (MDC), die größte Hochschule Floridas. Unter den MDC-Absolventen finden sich so prominente Vertreter des rechten Randes wie die republikanische Kongreßabgeordnete Ileana Ros-Lethinen, Miamis früherer Bürgermeister Manny Díaz und die ehemalige Präsidentin Panamas, Mireya Moscoso Letztere hatte im Jahr 2004 in Absprache mit dem US-Außenministerium den in ihrem Land einsitzenden CIA-Terroristen Luis Posada Carriles auf freien Fuß gesetzt und ihm zur Flucht in die USA verholfen.

Am Freitag schien es zunächst, als ob der militante Geist der antikommunistischen Kaderschmiede in Miami einer sanfteren sozialdemokratischen Variante der Systemveränderer weichen müßte. So forderte der frühere FES-Direktor Dettke, die Blockade gegen Kuba aufzugeben, weil sie das System nur stärke und den Wechsel erschwere, berichtete am Samstag die Tageszeitung El Nuevo Herald. Erst nach einem Systemwechsel, so zitierte das Kampfblatt der rechten Exilkubaner den deutschen Sozialdemokraten weiter, könne es in Kuba Gerechtigkeit geben. Wie in der DDR gehöre dazu unter anderem die Rückgabe des nach der Revolution vergesellschafteten Eigentums und die Verurteilung der »Führer des kommunistischen Regimes«. Dettke wies die interessierten Zuhörer darauf hin, daß nach dem »Zusammenbruch der DDR« 246 ihrer Repräsentanten in der Bundesrepublik vor Gericht gestellt worden seien. Einschränkend warnte er das Publikum allerdings vor allzu großem Enthusiasmus. Der Niedergang des Sozialismus in Deutschland und Europa sei maßgeblich durch den damaligen sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow und die Wahl des antikommunistischen polnischen Papstes Johannes Paul II. beeinflußt worden. Das sei für die Bundesrepublik »ein Geschenk des Himmels« gewesen – für Kuba aber sei nichts Vergleichbares in Sicht.

Nooke präsentierte sich dem beeindruckten Publikum als aufrechter Bürgerrechtler und mutiger Kämpfer gegen die Stasi, der er – wie der gesamten DDR – nur Menschenverachtung unterstellte. Sich auf seine Erfahrungen in der DDR berufend, forderte er Kubas Kirchenvertreter auf, den Systemgegnern ihre Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, um den Wechsel zu beschleunigen. Die Konferenzteilnehmer bat er darum, »im Einsatz für Menschenrechte weltweit« nicht nachzulassen. Was er darunter versteht, hatte Nooke bereits deutlich gemacht, nachdem er 2006 von der damaligen großen Koalition zum Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung ernannt worden war. Auf die Frage nach seiner Haltung zum US-Folterlager in Guantánamo hatte er damals erklärt, er habe »ein Interesse daran, daß wir uns nicht nur mit Themen befassen, die für uns intellektuell und politisch interessant sind, aber an den Quantitäten vorbeigehen. 395 Gefangene sind eben nur 395 Gefangene, die ungerechtfertigt ohne Prozeß festgehalten werden.«

* Aus: junge Welt, Montag, 7. Oktober 2013


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