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Gespräche und Abkommen

Rußlands Premierminister zu Arbeitsbesuch in Kuba

Von Volker Hermsdorf, Havanna *

Der russische Premierminister Dimitri Medwedew ist am Freitag am Rande seines dreitägigen Arbeitsbesuches in Kuba zu einem Gespräch mit Revolutionsführer Fidel Castro zusammengetroffen. Nach einer Mitteilung für die Presse in Havanna unterhielten sich die beiden unter anderem über die Welternährungssituation und den Klimawandel. Am Vortag war Medwedew in Havanna eingetroffen. Wie bei seiner vorangegangen Station Brasilien geht es auch bei der Visite in Kuba um die Weiterentwicklung der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen. Die Repräsentanten Kubas und der Russischen Föderation unterzeichneten dazu am Abend insgesamt zehn bilaterale Abkommen.

Medwedew war zuvor vom kubanischen Staatsrat empfangen worden und führte danach ein knapp einstündiges Gespräch mit Präsident Raúl Castro. Die neuen Verträge regeln unter anderem den Umgang mit Altschulden aus der Zeit der Sowjetunion; ein Teil der Schulden soll Kuba erlassen werden. Darüber hinaus wurden Vereinbarungen zur Zusammenarbeit bei der friedlichen Erschließung des Weltraums, der Wasserwirtschaft, des Umweltschutzes, der Nuklearmedizin, der Flugzeugtechnik sowie der Kooperation bei zahlreichen weiteren Projekten unterzeichnet. Laut dpa hat Kuba acht Flugzeuge für rund 650 Millionen US-Dollar bestellt. Eine engere Zusammenarbeit streben beide Länder außerdem in der Energiewirtschaft und beim Maschinenbau an.

Bereits in der vergangenen Woche waren Dutzende russische Regierungsbeamte und Spezialisten zu Verhandlungen mit ihren Partnern in verschiedenen kubanischen Ministerien in Havanna eingetroffen. Nach Auskunft von Delegationsteilnehmern sind dies die wichtigsten und weitreichendsten Vereinbarungen seit Medwedews erstem Besuch auf der Insel im Jahr 2008 gewesen.

Während der Existenz der Sowjetunion hatten beide Länder enge Wirtschafts- und Handelsbeziehungen gepflegt. Nach Auflösung des sowjetisch-osteuropäischen Lagers verlor Kuba dann plötzlich über 80 Prozent seiner Exporterlöse und konnte auch keine Waren, Maschinen und Ersatzteile mehr von dort beziehen. Obwohl bestehende Verträge nicht mehr erfüllt wurden, geriet das Entwicklungsland immer mehr in die roten Zahlen. Kuba mußte die Sonderperiode ausrufen und erlebte die schwerste Krise seiner Geschichte. In dieser Zeit waren die Beziehungen zwischen Havanna und Moskau zunehmend erkaltet.

Erst unter Wladimir Putin wurde die Eiszeit langsam beendet. Das Verhältnis der beiden ehemaligen Verbündeten normalisierte sich stetig und soll mit den neuen bilateralen Abkommen jetzt auf eine neue Ebene gehoben werden. Wie russische Experten vor deren Unterzeichnung erklärten, sieht Moskau in Kuba und Brasilien die Länder Lateinamerikas, denen für eine langfristige strategische Partnerschaft Schlüsselpositionen zukommen. Kubas geographische Lage sei für den weltweiten Handelsaustausch ausgesprochen günstig. Außerdem gäbe es dort »ausgezeichnete Häfen, die von Schiffen jeder Größe angelaufen werden können«, erklärte Boris Martynow vom Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen kurz vor Medwedews Ankunft in Havanna.

Beide Seiten betonten darüber hinaus, daß sie in den meisten wichtigen Fragen der internationalen Politik weitgehend übereinstimmende Positionen haben. Sowohl die Russische Föderation als auch Kuba setzen sich für eine multipolare Welt ein, wollen die Position der Vereinten Nationen stärken, lehnen militärische Interventionen und jede Einschränkung der Souveränität bestehender Staaten und UNO-Mitglieder strikt ab.

Premierminister Medwedew war am Internationalen Flughafen José Marti von Kubas Außenminister Bruno Rodríguez und anderen hochrangigen Repräsentanten empfangen worden und hatte danach zuerst das Monument José Martis am Platz der Revolution aufgesucht, wo er Blumen zur Ehrung des Nationalhelden niederlegte, bevor er am Abend den Staatsrat und Raúl Castro aufsuchte. Nach Unterzeichnung der Vereinbarungen und weiteren Gesprächen sollte der Arbeitsbesuch am Samstag beendet werden.

* Aus: junge Welt, Samstag, 23. Februar 2013


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