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Raúl Castro hält Kuba auf Kurs

Personalrochade zur Effizienzsteigerung

Von Leo Burghardt, Havanna *

Die Regierungsumbildung in Kuba bleibt nicht ohne Resonanz. Die beiden prominentesten entlassenen Kabinettsmitglieder haben »Fehler« eingestanden und sämtliche Regierungs- und Parteiämter niedergelegt.

Die kubanische Bevölkerung nimmt die Regierungsumbildung gelassen. Selbst als sie erfuhren, dass ein Drittel ihrer Regierungsmitglieder ausgewechselt und fünf Ministerien zu zweien fusioniert worden waren, behielten sie die Ruhe. Sie waren vorgewarnt, hatten die Reinigungskur erwartet. Vor fast genau einem Jahr hatte Präsident Raúl Castro gesagt, die Probleme des Landes seien zu kompliziert, als dass man eine neue Regierung bilden könne, ohne deren Zusammensetzung hundertmal analysiert zu haben. Die neue müsse effizienter, kompakter, funktioneller sein, um erst einmal die »enormen Mengen an Versammlungen, Abstimmungen, Bewilligungen, Schiedsverfahren, Anordnungen, Reglementierungen und Rundschreiben« zu beschneiden, die den Leuten das Leben unnötig schwer machen.

Keinen Platz in der neuen Mannschaft haben bekanntlich der bisherige Vizepräsident Carlos Lage und der frühere Außenminister Felipe Pérez Roque. Aus ihren Bekenntnissen, die von der »Granma« am Donnerstag veröffentlicht wurden, geht Einsicht in eigenes Fehlverhalten hervor, ohne dass dies näher erläutert wird. Lage erklärt in seinem Schreiben den Rücktritt als Vizepräsident und Abgeordneter sowie als Mitglied des Politbüros und des Zentralkomitees der Partei. Pérez Roque tritt von seinen Funktionen als Mitglied des Staatsrats und des ZK sowie als Abgeordneter zurück. Beide Politiker versichern in ihren in der Presse als Faksimile abgedruckten Schreiben ihre »Loyalität« und »Treue« zu den Brüdern Raúl und Fidel Castro sowie zur Kommunistischen Partei und erklären, dass sie an den Idealen der Revolution festhalten.

Die Regierung von Raúl Castro hält unterdessen an ihrer Grundüberzeugung fest: Die einzige Quelle des Reichtums eines Landes und seiner Gesellschaft sei die produktive Arbeit und der nutzbringende Einsatz von Menschen und Material. Genau darum wird es in nächster Zukunft gehen. Präventiv zu studieren, wie und wo man mit den vorhandenen Mitteln die alltäglichen Schwierigkeiten abbauen kann, keine Improvisationen mehr, keine Übereilungen, straffe Disziplin und Organisation tun not. Die Unordnung, die Straffreiheit (für Korruption zum Beispiel) und das Fehlen von Zusammenhalt seien immer die gefährlichsten Feinde eines kämpfenden Volkes gewesen.

Das wurde seit Raúl Castros offiziellem Amtsantritt vor einem guten Jahr punktuell und Schritt für Schritt durchgesetzt. Unauffälliger als der große Schnitt vom Dienstag, der »nach vorheriger Absprache mit dem Politbüro« zustande kam, nicht umgekehrt, wie bisher.

Es sind jetzt zwei hochrangige Militärs mehr in der Regierung, jedoch mit zivilen Funktionen betraut. Unter anderem der Brigadegeneral Salvador Pardo Cruz, der seit 1998 die Union der Militärischen Industrie geleitet hat. Diese Union, vor mehr als 20 Jahren ins Leben gerufen, ist dafür verantwortlich, dass sich die Streitkräfte selbst versorgen. Und Raúl Castro weiß, dass Kuba zuallererst genügend Lebensmittel produzieren muss. »Wenn wir die haben, brauchen wir Risiken nicht zu fürchten.« Er hält Schönredner und Schmeichler übrigens für unheilvoller als CIA-Agenten.

Raúl Castro hält Wort, ist hier die vorwiegende Meinung. Die Dissidenten schweigen oder sprechen von Oberflächenkosmetik. Das Weiße Haus will erst mal abwarten, teilte Präsident Obamas Sprecher der Presse unpolemisch mit. Offen einen Systemwechsel zu propagieren in einer Zeit, in der das eigene System überall in der Welt gerade zusammenkracht, wäre wohl auch zu dreist.

* Aus: Neues Deutschland, 7. März 2009


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