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Raúl Castros neue Linie

Kubas Präsident gibt vor Zentralkomitee weitere Reformen bekannt. Todesurteile werden umgewandelt. Parteitag soll 2009 stattfinden

Von Harald Neuber *

Kuba befindet sich weiter auf Reformkurs: Wenige Wochen nach seiner Wahl zum Staats- und Regierungschef hat Raúl Castro am Montag nachmittag (Ortszeit) angekündigt, alle geltenden Todesurteile in Haftzeiten zwischen 30 Jahren und lebenslänglich umzuwandeln. Zugleich kündigte er die Einberufung des VI. Parteitags der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) »für die zweite Hälfte des kommenden Jahres« an. Vor wenigen Tagen erst waren auf Weisung des 76jährigen die Renten und die Löhne im Justizwesen um 20 Prozent angehoben worden. Dies solle eine »faire Anerkennung« der Leistungen der Arbeiter und der Staatsanwälte sowie Justizangestellten sein.

Die Neuerungen gab Castro auf einer Sitzung des Zentralkomitees der PCC bekannt. Besonders die Entscheidung zur Todesstrafe erregte im Ausland Aufsehen. Kuba hatte seit Anfang der 90er Jahre ein Moratorium verhängt. Nach einer Entführungswelle von knapp drei Dutzend Schiffen und Flugzeugen Anfang 2003 wurden jedoch drei Bootskidnapper hingerichtet. Auch jetzt beharrt Raúl Castro auf der Beibehaltung der Todesstrafe: »Angesichts eines Imperiums, das uns ständig bedroht, können wir es uns nicht leisten, uns selbst zu entwaffnen«. Von der Umwandlung der Todesstrafe sind nach Regierungsangaben drei Verurteilte betroffen: Ein kubanischer Staatsbürger, der wegen Mordes verurteilt wurde sowie ein Salvadorianer und ein Guatemalteke. Den beiden Mittelamerikanern wurde nachgewiesen, 1997 im Auftrag des antikubanischen Terroristen Luis Posada Carriles mehrere Bomben in der Hauptstadt Havanna gelegt zu haben. Dabei wurde ein italienischer Tourist getötet.

Die vollständige Abschaffung der Todesstrafe sei »naiv und verantwortungslos«, sagte Castro mit Verweis auf die Bedrohung aus den USA. Das gelte um so mehr, da ein Verbleib der Republikanischen Partei in der Regierung auch nach den dortigen Wahlen nicht auszuschließen ist. Die konservative Partei verfolgt seit Jahrzehnten eine aggressive Linie gegen die sozialistische Regierung in Havanna.

»Diese Entscheidung wurde trotzdem nicht unter Druck von außen gefaßt«, sagte Castro, »sondern als souveräner Akt und in Übereinstimmung mit der humanitären und ethischen Haltung, von der die kubanische Revolution von Beginn an geprägt war«. Auch wenn die Todesstrafe in der Straf­ordnung des Landes weiter vorgesehen ist, »versteht und akzeptiert Kuba die Argumente der internationalen Bewegung, die sich für ihre Abschaffung oder ein Moratorium einsetzt«.

Als eine der zentralen innenpolitischen Aufgaben wurde auf der Sitzung des Zentralkomitees die Lösung der nach wie vor prekären Versorgungslage bezeichnet. Das Führungsgremium forderte die PCC-Leitungen in den Provinzen auf, in direktem Kontakt mit den Nahrungsmittelproduzenten die Effizienz der Branche zu steigern. Kuba muß nach wie vor einen Großteil seiner Nahrungsmittel importieren, was angesichts der steigenden Preise zu erheblichen Mehrbelastungen führt.

Der nächste Parteitag der PCC soll in der zweiten Jahreshälfte 2009 stattfinden. In der Vergangenheit hatten die Kongresse alle fünf Jahre stattgefunden. Der letzte Parteitag ist aber schon über zehn Jahre her, er wurde im Oktober 1997 ausgerichtet. Erwartet wird, daß auf der kommenden Zusammenkunft eine neue Parteiführung gewählt wird. Trotz seines Ausscheidens aus der aktiven Regierungspolitik ist Fidel Castro offiziell noch Vorsitzender der Kommunistischen Partei Kubas.

* Aus: junge Welt, 30. April 2008


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