Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Fariñas setzt Hungerstreik in Kuba fort

Havanna weist Vorwürfe im Fall Zapata zurück *

Der durch einen Hungerstreik stark geschwächte kubanische Oppositionelle Guillermo Fariñas hat seine Einweisung in ein Krankenhaus abgelehnt. Ein Arzt und eine Krankenschwester hätten ihm bei einem Besuch geraten, den Hungerstreik aufzugeben, »aber ich habe ihnen gesagt, dass meine Entscheidung unumkehrbar ist«, sagte Fariñas am Dienstag (Ortszeit) der Nachrichtenagentur AFP. »Ich werde keine Art von Nahrung zu mir nehmen.« Er fühle sich »sehr schwach« und könnte demnächst das Bewusstsein verlieren, ergänzte Fariñas.

Der 48-jährige Psychologe und Journalist war nach dem Hungerstreik-Tod des inhaftierten Dissidenten Orlando Zapata am vergangenen Dienstag in den Hungerstreik getreten. Der 42-Jährige war vergangene Woche nach einem zwölfwöchigen Hungerstreik gegen seine Haftbedingungen gestorben. Sein Tod rief internationale Kritik an der Regierung in Havanna hervor. Menschenrechtler werfen den kubanischen Behörden vor, Zapata zu lange ärztliche Hilfe vorenthalten zu haben. Havanna weist dies entschieden zurück. Im kubanischen Fernsehen wurden in der Hauptnachrichtensendung Belege für die intensive medizinische Betreuung von Orlando Zapata Tamayo vorgelegt, der wegen krimineller Delikte verurteilt worden war und sich erst im Gefängnis zum politischen Dissidenten erklärt hatte.

Mehrere Ärzte, die unmittelbar mit der Behandlung Zapatas betraut waren, erklärten im Fernsehen das Geschehen. Jesús Barreto sagte, dass der Darm von Zapata nach mehreren Tagen ohne Nahrungsaufnahme seine Funktionen aufzugeben begann, unter ihnen die Immunfunktion. Das führte zu verschiedenen Komplikationen, so, dass Bakterien in den Blutkreislauf gelangten.

Die Psychologin María Esther Hernández sagte, dass Zapata jederzeit über die Folgen seiner Entscheidung, Nahrung abzulehnen, den Hungerstreik fortzusetzen und damit sein Leben aufs Spiel zu setzen, informiert worden wäre. Laut Doktor Dailé Burgos wurde Zapata intensiv betreut und mit den Produkten der neuesten Generation intravenöser Ernährung versorgt, als er sich der oralen Aufnahme weiter verweigerte.

Die Mutter von Zapata zeigte sich im Fernsehen im Gegensatz zu zuvor im Internet veröffentlichten Videos davon überzeugt, dass die kubanischen Ärzte alles getan hätten, um ihren Sohn zu retten.

* Aus: Neues Deutschland, 4. März 2010


Wem nützt Zapatas Tod?

Internationale Kampagne gegen die Regierung in Havanna

Von André Scheer **


Der Tod eines kubanischen Häftlings nach einem 85 Tage dauernden Hungerstreik hat eine internationale Kampagne gegen die Regierung in Havanna ausgelöst. Der Sprecher des State Departments in Washington, Philip J. Crowley, erklärte postwendend, der Tod von Orlando Zapata Tamayo unterstreiche »das Unrecht Kubas«. Für die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung paßt »der Tod Zapatas (...) zur insgesamt tristen Situation der Menschenrechte auf Kuba«. Amnesty International sprach unter Berufung auf kubanische Regierungsgegner von »vorsätzlichem Mord«.

Ohne näheres Hinsehen zählten diese Kommentatoren Orlando Zapata zu 75 Regierungsgegnern, die im März 2003 von den kubanischen Behörden als US-Söldner verhaftet wurden. Allerdings war Zapata bereits ein Jahr zuvor wegen zahlreicher Delikte verurteilt worden, die er seit 1998 begangen hatte, und die keinen politischen Hintergrund erkennen ließen, darunter Hausfriedensbruch und illegaler Waffenbesitz. Am 7. März 2003 wurde er freigelassen, jedoch bereits 13 Tage später nach erneuten Gesetzesverstößen wieder verhaftet und aufgrund seiner Vorstrafen nun zu drei Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis fiel Zapata dann Behördenangaben zufolge mehrfach wegen Störungen und aggressiven Verhaltens auf, die zu weiteren Verurteilungen führten. In den von kubanischen »Dissidenten« und der UN-Menschenrechtskommission verbreiteten Listen der 75 im März verhafteten Konterrevolutionäre sucht man den Namen Zapatas allerdings vergeblich, die Regierungsgegner zählten Zapata offenbar nicht zu ihren Leuten. Auch später blieb Zapata in Oppositionskreisen isoliert, die ihn noch Jahre nach seiner Verhaftung nicht als »politischen Gefangenen« anerkannten. Lediglich Amnesty International stufte ihn ab 2004 als einen solchen ein.

Erst mit seinem Tod ist Orlando Zapata für die Oppositionsgruppen zu einem »Helden« geworden. »Wie Geier lungerten einige Medien, Hinterhofsöldner und die internationale Rechte um den Sterbenden herum. Sein Hinscheiden ist ein Fest. Es ist ein ekelerregendes Spektakel«, schrieb der kubanische Journalist Enrique Ubieta am vergangenen Sonnabend in einem Kommentar für die kubanische Tageszeitung Granma. »Wer sind diejenigen, die Zapata dazu ermunterten, an einer Haltung festzuhalten, die offensichtlich selbstmörderisch war. Wem kam sein Tod zupaß? Das bittere Ende erfreut die heuchlerisch 'Trauernden' zutiefst. Zapata war der perfekte Kandidat: ein 'entbehrlicher' Mann für die Feinde der Revolution und leicht davon zu überzeugen, doch auf seinen absurden Forderungen zu bestehen: Fernsehen, eigene Küche, eigenes Telefon in der Zelle.« Die Regierungsgegner dementieren, daß Zapata diese Forderungen gestellt hat. In ihren Erklärungen heißt es lediglich, er habe »bessere Haftbedingungen« gewollt.

Seit dem Tod Zapatas verweigert auch der nicht inhaftierte Guillermo Fariñas das Essen. Der Agenturberichten zufolge mittlerweile stark geschwächte Regierungsgegner wollte sich am Dienstag auch nicht von einem Arzt in ein Krankenhaus einweisen lassen. Seine Entscheidung sei »unumkehrbar«, wird er von AFP zitiert. »Ich werde keine Art von Nahrung zu mir nehmen.« Welche konkreten Forderungen er erhebt, geht aus der Meldung nicht hervor.

Unterdessen erinnerte der kubanische Präsident Raúl Castro daran, daß der Schlüssel für eine Lösung der Probleme in Washington liege. An »dem Tag, an dem die USA entscheiden, mit uns in Frieden leben zu wollen, werden alle diese Probleme enden, und wir werden viele weitere Probleme überwinden können«, sagte er gegenüber Medienvertretern. Bereits mehrfach hatte er vorgeschlagen, die von der kubanischen Regierung als Söldner betrachteten Regierungsgegner in die USA zu schicken, wenn Washington im Gegenzug die fünf Kubaner freiläßt, die seit mehr als elf Jahren in US-Gefängnissen inhaftiert sind, weil sie antikubanische Terrorgruppen in Miami unterwandert hatten. Bislang hat das Weiße Haus diesen Vorstoß ignoriert.

** Aus: junge Welt, 4. März 2010

Dokumentiert: Erklärung von amnesty international

KUBA: GEWALTLOSER POLITISCHER GEFANGENER STIRBT NACH HUNGERSTREIK

24. Februar 2010 - Am 3. Dezember entschied sich Orlando Zapata Tamayo, in den Hungerstreik einzutreten, um so auf die miserablen Haftbedingungen der vielen gewaltlosen politischen Gefangenen in Kuba aufmerksam zu machen. Nach 84 Tagen ohne Nahrung starb der 42-jährige am vergangenen Montag (22. Feb.) in einem Krankenhaus in Havanna.

Angehörige und der Vorsitzende der von der kubanischen Regierung geduldeten Kommission für Menschenrechte und nationale Versöhnung, Elizardo Sánchez, warfen der kubanischen Regierung "vorsätzlichen Mord" vor. Die Behörden hätten, so Sánchez, dem Menschenrechtsaktivisten zu lange ärztliche Hilfe vorenthalten.

Orlando Zapata Tamayo wurde im März 2003 zusammen mit über hundert anderen Regimekritikern inhaftiert und 2004 wegen "mangelnden Respekts, öffentlichen Ungehorsams" und "Widerstand" zu drei Jahren Haft verurteilt. Während seiner Haft kamen weitere Verurteilungen wegen "Ungehorsam im Strafvollzug" hinzu, die sich zu insgesamt 36 Jahren addierten.

Noch heute befinden sich 54 von den im Jahr 2003 verurteilten Dissidenten in Haft, nur, weil sie von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht haben. Die Haftbedingungen, unter denen die Gefangenen leiden, sind Besorgnis erregend und genügen bei Weitem nicht internationalen Standards.

Besonders der Gesundheitszustand vieler Gefangener gibt Grund zur Sorge - viele sind unterernährt, leiden an Krankheiten wie Bluthochdruck, Arthritis und Bandscheibenvorfällen und haben keinen Zugang zu medizinischer Behandlung. Nicht selten kommt es außerdem zu Übergriffen von Seiten anderer Insassen. Obwohl Kuba 1995 die UN-Anti-Folterkonvention ratifiziert hat, erreichen Amnesty International Berichte, dass Verletzungen von internen Gefängnisvorschriften besonders bestraft werden, so zum Beispiel mit langen Aufenthalten in Einzelzellen. Einigen Gefangenen verbietet die Gefängnisleitung zudem u.a. den Bezug von christlicher Literatur oder auch jede Art von Literatur, die mit Journalismus zu tun hat.

Der tragische Tod des Menschrechtsaktivisten verdeutlicht, dass Kuba dringend internationale Menschenrechtsexperten einladen sollte, um die aktuelle Menschenrechtslage vor Ort untersuchen zu lassen. So ist es auch im Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte festgeschrieben, den Kuba Anfang 2008 unterzeichnete.

Nach dem Studentenführer Pedro Luis Boitel, der 1972 nach einem Hungerstreik starb, ist Orlando Zapata Tamayo der zweite politische Häftling, der sich in Kuba zu Tode hungerte.

Quelle: www.amnesty.de




Zurück zur Kuba-Seite

Zur Menschenrechts-Seite

Zurück zur Homepage