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Kuba baut Internet aus

Eigene Onlineenzyklopädie »EcuRed«, Angebote auch für Mobiltelefone. USA blockieren weiter und versuchen, Dissidenten aufzurüsten

Von Volker Hermsdorf *

Mit neuen Angeboten soll der kubanischen Bevölkerung die Nutzung von Internetdiensten erleichtert werden. Als erster Schritt wird die Online­enzyklopädie »EcuRed« in einer Version für Mobiltelefone angeboten. Damit können auch Bürger ohne Webzugang das meistgenutzte Internetportal des Landes aufsuchen. Das Angebot wird nach Auskunft des Journalisten und »EcuRed«-Koordinators Iroel Sánchez ab März 2013 verfügbar sein. Kostenlose monatliche Aktualisierungen können aus dem Internet geladen oder in einem der 600 Jugend-Computerklubs kopiert werden.

Wie Sánchez bei der Vorstellung des Projekts Ende Dezember mitteilte, will Kuba die Angebote für Internet- und Handynutzer ständig weiter ausbauen. In erster Linie sollen damit die Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten der Bürger verbessert werden. Gleichzeitig sei es aber auch notwendig, dem aus den USA organisierten »Medienkrieg« etwas entgegenzusetzen. Es gebe deutliche Hinweise darauf, daß die Angriffe auf die sozialistische Insel im Jahr 2013 verstärkt werden.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Anstellung des auf »mediale Kriegsführung« spezialisierten ehemaligen CIA-Agenten Daniel Gabriel bei der US-amerikanischen Interessenvertretung (SINA) in Havanna. Der zuletzt in Afghanistan und dem Irak eingesetzte Exagent soll laut Sánchez in den nächsten Monaten in Kuba eine Gruppe von mindestens zehn regierungsfeindlichen »Journalisten« rekrutieren und ausbilden, um die Effizienz der bestehenden »Dissidentenszene« zu erhöhen.

Als Unterstützung für Gabriels Auftrag ist eine weitere finanzielle und technische Aufrüstung systemfeindlicher Gruppierungen geplant. Details dazu waren am 21. März 2012 bei einer Zusammenkunft von führenden Republikanern und Vertretern militanter Kuba-Gegner im Hauptsitz der ultrarechten »Heritage Foundation« in Washington ausgelotet worden. So sollen »unabhängige Journalisten« in Kuba mit Telekommunikationsgeräten versorgt werden, die ihnen eine Verbindungen über »Super-Wi-Fi« ermöglichen. »Super-Wi-Fi« ist eine in den USA entwickelte drahtlose Internet-Übertragungstechnik mit bis zu 100 Kilometern Reichweite und einer enormen Geschwindigkeit. Zu den Hauptförderern gehört – nach einem Bericht der deutschen Fachzeitschrift PC-Welt – der ehemalige US-Senator und neue Außenminister John Kerry.

Während die Gegner des sozialistischen Gesellschaftsmodells mit Technik und Schulungen auf höchstem Niveau aufgerüstet werden, leiden ansonsten im übrigen Kuba professionelle und private Internet­anwender unter den Beschränkungen der US-Blockade. Diese verbietet zum Beispiel die Einfuhr von PCs, Anwenderprogrammen und Software von US-Unternehmen, die diesen Markt noch immer beherrschen. Die Lizenzvereinbarungen fast aller gängigen Softwareprodukte untersagen deren Nutzung in Kuba. Google und andere verhindern Downloads, Youtube sperrt Videos und ganze Kanäle. Ein Ziel der US-Blockade besteht auch darin, Kuba von der digitalen Welt auszuschließen. Damit sollen Ausbildung und medizinische Betreuung erschwert, der Wirtschaft soll geschadet und Frust in der Bevölkerung erzeugt werden. Gleichzeitig wird weiterhin verbreitet, daß die kubanische Regierung es sei, die ihren Bürgern den Zugang zum Internet verwehre.

Tatsächlich versuchen die Verantwortlichen dort jedoch – trotz eingeschränkter Möglichkeiten – dem aufgezwungenen Medienkrieg eigene Alternativen entgegenzusetzen. So werden Zigtausende Kubaner von der Möglichkeit, den Online­dienst »EcuRed« in ihrem Mobiltelefon zu nutzen, profitieren. In dieser Enzyklopädie können die Anwender – ähnlich wie bei Wikipedia – selbst Wissen zusammentragen, Artikel einstellen und so zum Aufbau eines ständig wachsenden Onlinelexikons beitragen. Im Gegensatz zum »großen Bruder« versteht »EcuRed« sich aber als alternative Plattform, die das Weltwissen aus einer nichtkolonialen Perspektive zeigen will.

Zwei Jahre nach ihrer Gründung verfügt »EcuRed«, zu deren Angebot auch eine kostenlos nutzbare virtuelle Bibliothek gehört, bereits über 12000 registrierte Anwender und ist mit bis zu 100000 Besuchern pro Tag die meistgenutzte Webseite Kubas.

Anti-Castro-Gruppen in Miami und auf der Insel reagierten auf die angekündigten Angebotsverbesserungen wie üblich und warfen der kubanischen Regierung vor, damit nur ihre »politische Propaganda« und die »Kontrolle des Internets« verstärken zu wollen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 24. Januar 2013


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