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Kuba will mit Sonne und Wind die Energielücke schließen

Nachhaltig und revolutionär: Aufschwung der regenerativen Energien auf der Karibikinsel

Von Knut Henkel *

Der Energiesektor ist die Achillesferse der kubanischen Wirtschaft. Regenerativen Energien räumt Havanna inzwischen einen größeren Stellenwert ein – in Theorie und Praxis.

Anschauungsbeispiele finden sie gewissermaßen vor der Haustür: die kubanischen und internationalen Experten, die sich in Havanna gerade zur V. Internationalen Konferenz über Erneuerbare Energien treffen. Solarmodule zur Stromproduktion und Sonnenkollektoren zur Heißwasserbereitung sind in Kuba alles andere als selten. Nahezu jede abgelegene Landschule ist mit Solarpanels oder Kollektoren ausgerüstet und im Westen der Insel, in Pinar del Río, werden die Solarmodule aus kubanischer Produktion hergestellt. »Wo Energie knapp oder wo die Versorgung über konventionelle Netze zu teuer ist, dort setzen wir auf eine dezentrale Versorgung der Bevölkerung«, sagt Deny Oliva Merencio vom Institut für Erneuerbare Energien (CETER). Das Institut, Teil der Technischen Universität Havanna, ist eine der Institutionen, die sich seit Jahren für den Aufschwung der regenerativen Energien in Kuba einsetzt und an alternativen Konzepten mitarbeitet. Mit zunehmendem Erfolg, denn erneuerbare Energien erleben derzeit einen regelrechten Boom in Kuba, und Spezialisten wie Deny Oliva oder Guillermo Quesada von Cubaenergía sind an der Gestaltung der energiepolitischen Zukunft der Insel mit von der Partie.

»In den letzten Monaten wurden insgesamt elf Kommissionen gegründet, in denen Fachleute, Vertreter der Ministerien und Unternehmen zusammenarbeiten, um detailliert zu evaluieren, welche Potenziale die Windenergie, die Wasserkraft, die Solarenergie oder die Biomasse in Kuba hat«, erklärt Guillermo Quesada. Jede Kommission ist für eine alternative Energiequelle zuständig und die Windenergie hat in Kuba in den letzten Monaten einen regelrechten Boom erlebt.

Windenergie im Aufwind

Ende Februar wurde auf der Isla de la Juventud (Insel der Jugend) Kubas erster größerer Windpark mit sechs 55 Meter hohen Windrädern eingeweiht. »Und der zweite Windpark nahe Holguín, im Osten der Insel, ist bereits in Bau«, sagt Deny Oliva Merencio stolz. In dessen Büro hängen Fotos und Modelle unterschiedlicher Windräder und Hersteller. Bei der Anlage auf der Insel der Jugend kam französische Technik zum Einsatz, doch Kontakte bestehen auch nach Dänemark, Indien oder Deutschland, wo ebenfalls Windräder in Serie produziert werden. Und die Perspektiven in Kuba sind nicht schlecht, denn die Windenergie genießt derzeit ein hohes Ansehen und die kubanische Regierung scheint gewillt, die Potenziale zu nutzen. »2008 soll die Karte mit den besten Standorten für Windräder fertig sein und dann werden weitere Parks entstehen«, prognostiziert Alejandro Montesinos von Cubaenergía, einer staatlichen Forschungseinrichtung im Energiesektor.

Die Energieversorgung ist die Achillesferse der kubanischen Wirtschaft. Und als Anfang der neunziger Jahre die Erdöllieferungen aus der Sowjetunion ausblieben, mussten viele Produktionsstätten dichtmachen. Heute ist die Energieversorgung aufgrund der subventionierten Öllieferungen aus Venezuela und der langsam wachsenden Eigenförderung zwar weitgehend gesichert. Doch die effizientere Nutzung von Energie und die Senkung der Kohlendioxid-Emissionen ist ein wesentliches Ziel der kubanischen »Revolution im Energiesektor«, die Fidel Castro persönlich vor etwa zwei Jahren ausrief. Und dazu gehört nicht nur die Ausstattung der Haushalte mit Energiesparlampen und modernen Haushaltswaren, sondern auch die Analyse der Potenziale auf der Insel. »Der politische Rückhalt ist da und der Durchbruch bei der Windenergie ist dafür ein Beispiel«, urteilt Montesinos. Er hält es für realistisch, dass die Windenergie in wenigen Jahren einhundert Megawatt statt der derzeit 1,7 Megawatt zur jährlichen Energieproduktion beisteuert.

Langer Weg zur neuen Energiepolitik

Internationale Konferenzen wie die »V. Internationale Konferenz über regenerative Energie, Energieeinsparung und Energiebildung« sollen dazu beitragen, die Kontakte auszubauen und auch Investoren nach Kuba zu holen, so die Fachleute von Cubaenergía. Auf dem Institut von Cubaenergía stehen Solarwärmekollektoren, Sonnenmodule, die mit hochsensiblen Messgeräten auf Herz und Nieren geprüft werden. Schon seit Jahren bestehen Kontakte zu Eurosolar und anderen bekannten Organisationen der Branche. Hermann Scheer, SPD-Bundestagsabgeordneter, Träger des alternativen Nobelpreises und Präsident von Eurosolar, musste allerdings den anvisierten Besuch zur Konferenz aufgrund der parlamentarischen Arbeit absagen. Vor allem Wissenschaftler sind es deshalb, die zur Konferenz nach Kuba reisen. Deutsche Unternehmen aus der Windkraft-, der boomenden Biogas- oder Solarbranche stehen nicht auf der Teilnehmerliste. Dabei sind die Potenziale von Biogas und Biomasse in Kuba laut der lateinamerikanischen Energiekommission (OLADE) exzellent. Bis zu sechzig Prozent des kubanischen Energiebedarfs ließe sich aus Biomasse decken, so eine Studie aus den neunziger Jahren. Doch diese Potenziale liegen in Kuba weitgehend brach, bedauern Experten wie Antonio Valdés Delgado von der Agentur für technische Wissenschaft (AYCT). Der latente Mangel an Kapital, aber auch fehlende Weitsicht sind dafür vor allem verantwortlich, denn die kubanischen Forscher haben seit Beginn der neunziger Jahre immer wieder auf diese Potenziale hingewiesen. Die sollen nun vermehrt genutzt werden und dabei erhoffen sich die Kubaner auch so manchen Tipp aus dem Ausland.

* Aus: Neues Deutschland, 22. Mai 2007


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