Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Ja zu Kuba

Die Solidaritätsorganisation Cuba Sí feiert ihr 20-jähriges Bestehen

Von Harald Neuber *

Die alljährliche, traditionelle »Fiesta de Solidaridad« in der Lichtenberger Parkaue am 23. Juli stand dieses Jahr unter einem ganz besonderen Motto: »20 Jahre Cuba Sí – 20 Jahre gelebte Solidarität«.

Die Geschichte von Cuba Sí begann 1991 mit einem Wortbruch. Entgegen dem »Einigungsvertrag« hatte die rechtsliberale Regierung unter Helmut Kohl nach dem Ende der DDR die Lieferungen von Milchpulver an das sozialistische Kuba eingestellt – einseitig. Dabei hatte sich Bonn noch wenige Monate zuvor zu »Konsultationen mit den jeweiligen Vertragspartnern« der DDR verpflichtet. Mit der Solidarität hatten die Kuba-Gegner bei ihrer politischen Entscheidung nicht gerechnet. Die Resonanz war enorm, nachdem auf dem zweiten Parteitag der PDS Mitte Juli 1991 die Spendenkampagne »Milch für Kubas Kinder« initiiert wurde. Bereits wenige Monate später, im Februar 1992, zeichnete sich der Erfolg der noch jungen AG Cuba Sí ab: 140 Tonnen Milchpulver konnten in relativ kurzer Zeit in den sozialistischen Inselstaat gesandt werden.

Die deutsche Solidaritätsorganisation wurde damit zugleich zu einem der wichtigsten Partner Kubas in den schwersten Jahren der Wirtschaftskrise. Immerhin waren nach der Auflösung des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe rund 85 Prozent des Außenhandels weggebrochen. Zu dem Verlust der sozialistischen Partner kam eine verschärfte Blockadepolitik der USA. Es ist mit das Verdienst von Cuba Sí und anderen Kräften der Kuba-Solidaritätsbewegung, dass die kapitalistische Restauration in Kuba nicht stattfand.

Die politische Reife der Organisation zeigt sich in ihrer Lernfähigkeit über die vergangenen zwei Jahrzehnte hinweg. Nach der unmittelbaren materiellen Hilfe Anfang der neunziger Jahre ging Cuba Sí rasch zu einem Konzept über, das in der Entwicklungszusammenarbeit als Hilfe zur Selbsthilfe bekannt ist: Akteuren vor Ort wurde beim Aufbau eigener und autarker Strukturen beigestanden. Inzwischen konnten gemeinsam mit der Partnerorganisation ACPA mehrere landwirtschaftliche Projekte erfolgreich aufgebaut werden. Heute wird die Milch in Kuba selbst produziert. Hinzu kamen über die Jahre zahlreiche weitere Projekte, darunter die weiter gefasste Kampagne »Kuba muss überleben«. Gelder aus diesem Fonds werden für zahlreiche Vorhaben verwendet und garantieren so eine hohe Flexibilität in Planung und Aktion vor Ort.

Die Bedeutung von Cuba Sí in der Kuba-Solidaritätsbewegung zeigt sich in Deutschland daran, dass neben der Berliner Zentrale inzwischen gut 50 Regionalgruppen bestehen. Dieses Netzwerk hat es Cuba Sí in den vergangenen Jahren immer wieder ermöglicht, effektiv politisch zu arbeiten. »Wir wollen auch eine Gegenöffentlichkeit zur bürgerlichen Medienkampagne gegen Kuba schaffen und den Druck auf politisch Verantwortlichen in der BRD und der EU für eine andere Kuba-Politik erhöhen«, heißt es in einer Jubiläumsschrift zum 20-jährigen Bestehen. Maßgeblich beteiligt am Aus- und Aufbau dieser Strategie waren vor allem die langjährigen Koordinatoren Marion Gerber und Reinhard Thiele, die 2006 und 2009 starben. Der Wert dessen, was sie mit geschaffen haben, misst sich daran, dass die Organisation beide Verluste überstanden hat und die Arbeit fortführen konnte.

Der Erfolg von Cuba Sí hat indes politische Gegner auf den Plan gerufen. Der Einsatz der Organisation gegen den so genannten Gemeinsamen Standpunkt der Europäischen Union und den Ausbau antikubanischer Netzwerke hat ihr sogar einen Platz im Bundesverfassungsschutzbericht eingebracht, der eine fehlende »kritische Auseinandersetzung mit Menschenrechtsverstößen« moniert. Statt dessen werde Kuba als »vorbildlich in der Verwirklichung von Menschenrechten« dargestellt, heißt es im Bericht 2010, während an anderer Stelle die Befürwortung des kubanischen Sozialismus' zur Begründung der Überwachung angeführt wird.

Die Debatte über diese Angriffe ist in den vergangenen Jahren immer wieder aufgeflammt und wird sich in dem Maße zuspitzen, wie die Linke in Lateinamerika erstarkt. Wie etwa reagiert der Verfassungsschutz auf den jüngsten Aufruf zum Umsturz in Kuba durch einen Funktionär der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung oder die Befürwortung des Putsches 2009 in Honduras durch diese Parteistiftung? Bei der Solidaritätsorganisation gibt man sich gelassen: »Wir werden die Aufnahme in diesem Bericht durch eine Reaktion nicht noch aufwerten«, sagte Koordinator Justo Cruz gegenüber ND. »Jedes Mal, wenn ein solcher Bericht mit Cuba Sí erscheint, verzeichnen wir deutlich höhere Zugriffszahlen. Das ist also eine gute Werbung. Die Besucher sehen dann ja selber, was wir machen.«

Die Linkswende in Lateinamerika zeige, dass die »Konzepte der imperialen Mächte« gescheitert sind, schreibt der Vorsitzende des Netzwerks Kuba, Harri Grünberg, zum 20-jährigen Bestehen von Cuba Sí. Zugleich verweist der Chef des Dachverbandes von Solidaritätsorganisationen auf die aktive Rolle Kubas bei der Stärkung der Linken in Lateinamerika. Was, bezogen auf Cuba Sí, jedoch auch für Deutschland gilt, wo die Organisation in den Jahren der Stagnation linker Politik vielen eine Heimat geboten und zugleich die Solidarität innerhalb der Linkspartei verteidigt hat.

»Wir haben vor diesem 20. Jahrestag mit vielen Menschen gesprochen, die Cuba Sí seit Jahren nahestehen«, resümierte Cruz nach der 20-Jahr-Feier am vergangenen Wochenende: »Dabei haben wir immer wieder gehört, dass Cuba Sí nicht nur 20 weitere Jahre gebraucht wird, sondern viel länger.« Es gehe heute nicht mehr nur um Kuba, sondern auch um andere Staaten der Region wie Bolivien, Ecuador, Venezuela, sagt der gebürtige Kubaner. »Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die deutsche und europäische Linke diese Impulse braucht. Von dem Kontakt profitieren beide Seiten«, fügte Cruz an.

Zum 20. Jahrestag feierte Cuba Sí – wie jedes Jahr – in Berlin-Lichtenberg. Mit dabei waren Weggefährten aus den vergangenen Jahren. »Cuba Sí ist heute in Kuba mit Projekten in vier Regionen präsent«, sagte Dilcia García von der landwirtschaftlichen Organisation ACPA, »und alle diese Projekte haben Erfolge vorzuweisen«. Auch für politische Organisationen wie das Kubanische Institut für Völkerfreundschaft sei Cuba Sí ein fester Partner, ergänzte ACPA-Projektleiterin Maria Elena Salar: »Wenn man heute in Havanna über Cuba Sí spricht, weiß jeder, worum es geht«.

* Aus: Neues Deutschland, 26. Juli 2011


Zurück zur Kuba-Seite

Zurück zur Homepage