China greift Kuba unter die Arme
Bis 2012 soll das Transportproblem auf der Karibikinsel behoben sein
Von Leo Burghardt, Havanna *
Die Beziehungen zwischen China und Kuba prosperieren. Politisch
überwiegt der gegenseitige
Respekt und ökonomisch ist China nach Venezuela der zweitwichtigste
Handelspartner.
Seit nunmehr 47 Jahren läuft fast alles rund. Kuba war der erste
lateinamerikanische Staat, der sich
damals zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit China entschloss. Als
der Wirtschaftsrat der
Volksrepublik China, Yang Shidi, in Havanna am 28. September vergangenen
Jahres im Fernsehen
anlässlich des Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen
interviewt wurde, entwarf er,
ohne die in diesem Job gebotene Vorsicht walten zu lassen, für »beide
Bruderländer« eine
gemeinsame Perspektive, wie sie strahlender und nutzbringender nicht
sein kann.
Abgesehen von einigen ernsthaften Reibereien vor Jahrzehnten um
Führungspositionen in der
Dritten Welt, »hat China während der schwersten Jahre unserer
Sonderperiode taktvoll und
verschwiegen unschätzbare Hilfe geleistet«, rühmte Fidel Castro vor drei
Jahren, als der chinesische
Staatspräsident Hu Jintao in Begleitung von einem Dutzend Ministern und
100 Unternehmern Gast
der kubanischen Regierung war. Der Besuch gilt als Start für eine
wirtschaftliche Offensive Chinas
auf breitester Front in Kuba, die sie hinter Venezuela auf Platz zwei
der Handelspartner vorrücken
ließ, gefolgt von Kanada und Spanien.
Großzügige Kredite -- die an moderate Abzahlungsbedingungen gebunden sind
-- jedoch eine
gewisse Zurückhaltung bei Direktinvestitionen: So kann man die
chinesische Strategie
charakterisieren. »China ist ein Land, in dem marktwirtschaftliche
Prinzipien herrschen, die
Privatunternehmen verantworten selbst ihre Einkünfte oder Verluste und
treffen demzufolge ihre
eigenen Entscheidungen«, so Yang, der zugleich einräumte, dass Peking
nicht nur wirtschaftliche
und politische Übereinstimmungen mit Kuba pflegt, sondern von der Insel
aus auch eine Brücke für
einen massiven Vorstoß nach Lateinamerika schlagen will.
Die Zusammenarbeit funktioniert. Havanna hat zum Beispiel Verträge in
Milliardenhöhe mit China
und Iran unterzeichnet, mit denen das Transportproblem bis 2012 aus der
Welt geschaffen werden
soll. Die Mittel: Importe von Lokomotiven, Passagier- und
Transportwaggons, Bussen, Lkw und Pkw
sowie die Modernisierung der Infrastruktur. China trägt den Löwenanteil.
Brasilien hat sich bereit
erklärt, vor allem beim Straßenbau einzusteigen.
Mitte des 19. Jahrhunderts war Kuba das erste lateinamerikanische Land,
das eine Eisenbahn hatte.
Aus dieser Zeit ist zwar nichts mehr in Gebrauch, aber die schwere Krise
nach dem
Zusammenbruch der europäischen sozialistischen Länder hat das
Transportwesen beinahe
kollabieren lassen. Für die Kubaner ist es neben der Wohnraumnot, der
Doppelwährung sowie den
hohen Preisen und niedrigen Löhnen die strapaziöseste Last ihres
schweren Alltags. Und es ist ein
Teufelskreis obendrein: Wie soll man pünktlich am Arbeitsplatz
erscheinen, wenn nur einmal pro
Stunde ein krachvoller Bus vorbeikommt? Da hat sich freilich etwas zum
Besseren gewendet.
China ist inzwischen überall präsent: Tausende Kühlschränke,
Ventilatoren, Sparlampen,
Reiskocher und Kochplatten, alle sehr sparsam im Stromverbrauch, wurden
von der kubanischen
Regierung im Rahmen ihrer energetischen Revolution gekauft. Jetzt schon
sind 1000 Busse und
zwölf Dieselloks im Land sowie Kleidung und Lebensmittel. Chinesische
Fernseher flimmern bereits
seit Jahren in den Wohnungen, chinesische Experten arbeiten als Berater
bei der Renovierung von
Werften und auf den Reisfeldern. Kuba bezahlt seine Raten mit 400 000
Tonnen Zucker pro Jahr,
Spitzenerzeugnissen der Biotechnologie, Tabak und Nickel, von dem Kuba
nachgewiesenermaßen
über 34 Prozent der Weltreserven verfügt (etwa 800 Millionen Tonnen),
plus Kobalt, die im Tagebau
gefördert werden. Mit Nickel macht Kuba mittlerweile das meiste Geld.
Mehr als mit dem Tourismus.
76 000 Tonnen für mehr als zwei Milliarden Dollar wurden 2007
exportiert, vorwiegend nach China,
Kanada und Europa.
Vor zwei Jahren kam der chinesische Chemiegigant Sinopec Corp. mit dem
kubanischen
Staatsunternehmen Cupet überein, an der Küste und unmittelbar vor ihr,
im westlichen Pinar del
Río, nach Erdöl zu bohren. Informationen, ob China trotzdem weiterhin in
der Position des
Beobachters verharrt, der erst handfeste, rentable Ergebnisse erwartet,
bevor er sich ebenfalls in die
112 000 Quadratkilometer große kubanische Wirtschaftszone im Golf von
Mexiko einkauft, gibt es
nicht. Unternehmen aus Spanien, Indien, Norwegen, Malaysia und Kanada
sind jedoch schon
Arrangements mit der kubanischen Cupet eingegangen.
* Aus: Neues Deutschland, 11. Februar 2008
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