Kuba und der Ton des Weißen Hauses
Trotz Castros Verhandlungsangebots und Obamas Vorsätzen gibt es noch keine Annäherung
Von Leo Burghardt, Havanna **
Fidel Castro, seit Donnerstag nun 83, scheint wieder einmal recht zu behalten. Im Januar hatte er in
einer seiner Reflexionen für die kubanischen Medien über den neuen US-amerikanischen
Präsidenten geäußert, er halte Barack Obama für ehrenwert und ehrlich. Er werde jedoch mit vielen
seiner guten Vorsätze scheitern, weil diese nicht den hegemonistischen Traditionen des
»Imperiums« entsprechen.
Auch in der zwei Wochen danach veröffentlichten Analyse - er sitzt nach wie vor tagtäglich Stunden
vor dem Computer, grast das Internet ab oder liest die neuesten internationalen Nachrichten -, lag
er offensichtlich richtig. Obama, schrieb Fidel Castro damals, müsse sich nicht nur mit den
Kontrahenten der Republikanischen Partei herumschlagen. Ihm würden ebenso kraftraubende
Balanceakte mit den Rechten und Rassisten in der eigenen Partei abverlangt.
Unlängst fragte die mexikanische Tageszeitung »La Jornada«: »Wer regiert eigentlich in
Washington? Das Weiße Haus, das State Department oder das Pentagon?« »La Jornada« führt den
Putsch in Honduras an, zu dem das Weiße Haus als nahezu einzige Regierung der Welt keine
scharfe Verurteilung formulierte. Es kam lediglich ein windelweiches »Wir glauben, dass der
Staatsstreich nicht legal ist.« Inzwischen weiß man, dass US-Militärs den Coup mit vorbereitet
haben.
Und Hillary Clinton, von der Presse in Washington zweimal gefragt, »ob die Wiederherstellung der
demokratischen Ordnung in Honduras ohne die Wiedereinsetzung von Präsident Manuel Zelaya
möglich wäre«, verweigerte beide Male eine Antwort. Das hat Obama, der ja eine neue
verständnisvolle Politik mit seinen südlichen Nachbarn anstreben wollte, viel Kredit gekostet, und
jetzt, nachdem es beschlossene Sache ist, dass das Pentagon in Kolumbien sieben Militärbasen
etablieren wird, ist die Stimmung an einem Tiefpunkt angelangt.
»Diese Militärbasen gefallen mir als Präsident Brasiliens überhaupt nicht, weil sie auf unserem
Subkontinent erneut ein Klima der Unruhe verbreiten werden«, sagte Luiz Inacio Lula da Silva in
Ecuador, wo er an der 200-Jahrfeier des ersten Aufrufs zum Befreiungskampf gegen die spanischen
Kolonialmacht teilnahm. Venezuelas Präsident Hugo Chavez, Nachbar Kolumbiens, der von
Washington nach Fidel Castro zum Hauptfeind geadelt wurde, »riecht Krieg«.
Staatschef Raul Castro, der ebenfalls in Ecuadors Hauptstadt Quito war, bestätigte Obama
persönliche Integrität und bot ein weiteres Mal Verhandlungen zwischen Havanna und Washington
an: »Wir können über alles reden, wenn kein Schatten auf unsere Souveränität fällt. Von Gleich zu
Gleich. Doch wieso fordern die USA als Voraussetzung für Verhandlungen Gesten von unserer
Seite?« fragte er. Es sei beinahe dieselbe Tonart wie unter George W. Bush, »wenn auch ohne
dessen Aggressivität und unsägliche Arroganz«. Wer macht denn die Blockade gegen Kuba? Und
ohne ein gerechtes Urteil für die Miami Five, das heißt ihre Freilassung, sei an Normalisierung der
Beziehungen sowieso nicht zu denken.
Völligen Stillstand gibt es allerdings nicht. Die letzten von Bush jun. befohlenen
Reisebeschränkungen für Kubano-Amerikaner wurden eliminiert, ebenso die Grenze für private
Geldüberweisungen nach Kuba. Die von Bush vor sechs Jahren kommentarlos abgebrochenen
Emigrationsverhandlungen nahmen wieder ihren Fortgang mit »konstruktiven Ergebnissen«.
Die Interessenvertretung der USA in Havanna hat ihre meterhohen Leuchtstoffröhren mit
Nachrichten, die die Kubaner gegen ihre Regierung aufwiegeln sollten, ausgeschaltet, und Kuba hat
im Gegenzug polemische Wandmalereien rund um die Interessenvertretung entfernt. Vielmehr war
bisher nicht. Jetzt gerade hat die kubanische staatliche Lebensmittelimportfirma Alimport sich neue
Partner suchen müssen - trotz der »Seriosität der amerikanischen Unternehmer, der
ausgezeichneten Qualität ihrer Produkte und der geografischen Nähe«. Aber die hohen
Lebensmittelpreise, die weltweite Finanzkrise und die für Kuba kostspielige und unvorstellbar
komplizierte Blockadebürokratie machen einen einigermaßen normalen Handel nahezu unmöglich.
Nach Obamas Amtsantritt wurden sogar einige Erschwernisse hinzugefügt.
Die Union Südamerikanischer Staaten könnte noch in diesem Monat auf Vorschlag der
argentinischen Präsidentin Cristina Kirchner de Fernández ihre Außen- und Verteidigungsminister
nach Buenos Aires bitten, um über die US-amerikanischen Militärbasen in Kolumbien oder anderswo
auf dem Subkontinent zu diskutieren. Außer Kolumbiens Präsident, dem Ultrakonservativen Alvaro
Uribe, will sie keiner, vielleicht noch der Peruaner Alán García. Sie würden immer Sand im Getriebe
der sich anbahnenden Integration sein. Bogota hat nach anfänglichem Sträuben seine Teilnahme
zugesagt. Höchstwahrscheinlich aber eher um zu versuchen, die Notwendigkeit US-amerikanischer
Militärbasen auf seinem Territorium zu begründen.
* Aus: Neues Deutschland, 17. August 2009
Arbeitstreffen am 83. Geburtstag
Hugo Chávez gratuliert Fidel Castro. Glückwünsche auch aus dem US-Knast
Von André Scheer **
Wie die Tageszeitung Granma am Wochenende meldete, hat der frühere
kubanische Präsident Fidel Castro zu seinem 83. Geburtstag am Donnerstag
Besuch vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez erhalten. Chávez, der
bis Freitag abend auf der Insel blieb, überreichte seinem Freund zwei
Gemälde des venezolanischen Künstlers Edgar Álvarez Estrada, die den
kubanischen Nationalhelden José Martí und den venezolanischen
Freiheitskämpfer Francisco de Miranda zeigen.
Der Geburtstagsbesuch verwandelte sich Granma zufolge in ein
Arbeitstreffen mit zwei »langen Sitzungen«, an denen auch der kubanische
Präsident Raúl Castro teilnahm. »Die fruchtbaren Kontakte waren Ausdruck
der Übereinstimmung in den analysierten Angelegenheiten, der herzlichen
Beziehungen zwischen unseren Völkern und Regierungen und der ehrlichen
Freundschaft, die zwischen den Führungen beider Länder besteht«, endet
die im Kommuniqué-Stil gehaltene Meldung der Granma.
Der 83. Geburtstag des Comandante der kubanischen Revolution hatte in
der vergangenen Woche die Medien beschäftigt, lateinamerikanische
Fernsehsender strahlten Sondersendungen aus. In Havanna wurde eine
Ausstellung mit 83 Fotos eröffnet, die Momente aus dem Leben Castros
zeigen. »Wir müssen uns beglückwünschen, daß wir einem Volk angehören,
das aus seiner Mitte einen Mann geboren hat, der in sich die besten
Werte unserer Geschichte vereint«, sagte der kubanische
Parlamentspräsident Ricardo Alarcón bei der Eröffnung der Ausstellung.
In persönlichen Briefen richteten auch »Los Cinquo«, die fünf in
US-amerikanischen Gefängnissen inhaftierten Kubaner, Glückwünsche an
Fidel. »Wir können nicht die gemeinen Erwartungen entschlüsseln, die das
Imperium zu der Brutalität und zu den Rachegelüsten bei unserer
Behandlung treibt«, heißt es in dem Schreiben. Doch »können wir Ihnen
das Versprechen anbieten«, daß es niemals auch nur »das geringste
prinzipielle Zugeständnis gegenüber einem so erbärmlichen Feind« geben
könnte, schreibt René González Sehwerert, der gemeinsam mit seinen vier
Genossen vor fast elf Jahren verhaftet wurde. Seither werden die fünf
Kubaner gefangengehalten, weil sie exilkubanische Terrororganisationen
in Miami unterwandert hatten, um Anschläge auf die Insel zu verhindern.
Zu den Gratulanten Fidel Castros gehörte auch die kolumbianische
Guerrilla der FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens). In einer »in
den Bergen Kolumbiens« mit Datum vom 13. August veröffentlichten
Erklärung schreibt die »Internationale Kommission« der Organisation:
»Ein Geburtstag hätte keine Bedeutung, wenn man nichts für das Leben und
die Menschheit unternommen hätte. Aber im Fall Fidels ist das Leben
ständige Kreativität und Aktion gewesen, um den Glauben an die Sache der
Ausgebeuteten aufzubauen«.
** Aus: junge Welt, 17. August 2009
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