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Votum gegen Blockade

Zum 22. Mal stimmt die UN-Vollversammlung heute in New York über den US-Feldzug gegen Kuba ab. Wieder große Unterstützung für Havanna erwartet

Von Volker Hermsdorf *

Am heutigen Dienstag stimmen die 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen in New York zum 22. Mal über die von Kuba Jahr für Jahr eingebrachte Resolution zur Beendigung der US-Blockade gegen die sozialistische Karibikinsel ab. Im letzten Jahr hatten 188 Länder für den Antrag votiert, nur drei (USA, Israel und Palau) dagegen. Mikronesien und die Marshallinseln enthielten sich. UN-Beobachter erwarten für heute nachmittag (Ortszeit) ein ähnliches Ergebnis.

Während die USA den Beschluß der UN-Generalversammlung seit der ersten Abstimmung im Jahr 1992 ignorieren (damals war die Blockade von 59 Staaten bei drei Gegenstimmen und 71 Enthaltungen verurteilt worden), wird ihre Position zunehmend schwächer. Da Kuba mittlerweile nicht nur in allen regionalen Bündnissen (außer der von den USA dominierten Organisation Amerikanischer Staaten) vertreten ist, sondern derzeit auch den Vorsitz der Lateinamerikanischen und Karibischen Staatengemeinschaft (CELAC) innehat, wird das Festhalten an den Sanktionen von vielen der 33 Mitgliedsländer als Affront gegen das Bündnis gesehen. Washington ist in der UN-Völkergemeinschaft und auf dem eigenen Kontinent isoliert.

Bei der Vorlage einer aktuellen Dokumentation über Ausmaß und Folgen der Blockade bezeichnete der stellvertretende kubanische Außenminister Abelardo Moreno diese Anfang Oktober als »Verletzung der Menschenrechte eines ganzen Volkes«. Den gesamten wirtschaftlichen Schaden durch die Sanktionen bezifferte Moreno auf mehr als 1,1 Billionen US-Dollar. Der ökonomische Vernichtungsfeldzug, dessen erklärtes Ziel die Beseitigung des sozialistischen Gesellschaftsmodells ist, hat für die Menschen allerdings nicht nur eine statistische Dimension. Seine Opfer sind vor allem die Schwachen, Alten, Kranken und Kinder. Sie alle haben Gesichter und Namen.

Eines der Opfer ist der einjährige Eduardo Fabio, dessen Beispiel in der Dokumentation erwähnt wird. Eduardo kam mit dem Downsyndrom zur Welt und leidet unter einem Herzfehler. Vor zwei Monaten wurde er im Herzzentrum »William Soler« operiert, wo er und seine Mutter seitdem betreut werden. Obwohl die Blockade den Medizinern den Zugang zu notwendigen Medikamenten und technischen Hilfsmitteln erschwert, konnten sie sein Leben bis heute retten. »Eduardo weiß noch nicht, daß er Kubaner ist«, schrieb ein Reporter der Tageszeitung Granma über den Fall und kommentierte: »Er wird vermutlich nie verstehen, warum das mächtigste Land der Welt ihm, seiner Familie und den Ärzten, die um sein Leben kämpfen, deswegen den Krieg erklärt hat.«

Nicht alle haben so viel Glück. Vor allem für Menschen mit hohen Gesundheitsrisiken hat die Blockade oft tödliche Folgen. Das Institut für Nierenkunde in Havanna beklagt, daß die von der US-Firma One Lambda produzierten Sätze für HLA-Tests, die für Transplantationen wichtig sind, nicht nach Kuba geliefert werden dürfen. AIDS-Patienten auf der Insel werden durch die Blockade Medikamente vorenthalten, die ihre Krankheit positiv beeinflussen und ihr Leben verlängern könnten. Auch Temodal, das in der Therapie krebskranker Kinder eingesetzt wird, unterliegt US-Patenten und darf nicht nach Kuba geliefert werden. Am Freitag hatte die für den Im- und Export von Medizinprodukten zuständige Firma Medicuba zudem bekanntgegeben, daß für den Ankauf von Medikamenten in Drittländern innerhalb von zwölf Monaten Mehrkosten von 367800 Dollar entstanden seien.

In den USA selbst nimmt die Ablehnung der Blockade zu. Zu langjährigen Kritikern wie Altpräsident James (Jimmy) Carter gesellten sich inzwischen unter anderem die Kongreßabgeordneten Kathy Castor (Florida), James McGovern (Massachusetts) und Charles B. Rangel (New York) sowie prominente Kirchen- und Wirtschaftsvertreter. Viele sehen in der Blockade ein »anachronistisches Relikt aus dem Kalten Krieg«, das dem Ansehen der USA nicht nütze. Die einzigen, die noch dafür sind, seien eine kleine, isolierte, aber gewaltbereite Minderheit, die seit 50 Jahren fanatisch gegen die Realität kämpft, hatte der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez im letzten Jahr vor der UN-Generalversammlung erklärt und Präsident Barack Obama aufgefordert, nicht länger an etwas festzuhalten, »was den eigenen Interessen schadet und von der übrigen Welt abgelehnt wird«.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 29. Oktober 2013


Der lange Arm der USA

Washingtons Behörden verfolgen Kuba-Geschäfte auch in Europa

Von Volker Hermsdorf **


Seit einigen Jahren verstärken die USA den Druck auf Drittländer, um Geschäftsbeziehungen, den Verkauf kubanischer Produkte wie Rum und Zigarren, Bankgeschäfte und sogar Kulturprojekte zu unterbinden. In der bisherigen Amtszeit des Präsidenten Barack Obama hat Washingtons »Amt zur Kontrolle von Auslandsvermögen« (Office of Foreign Assets Control, OFAC) Bußgelder in Höhe von mehr als zwei Milliarden US-Dollar gegen Banken, Firmen und Einzelpersonen verhängt, die Kontakte zu Kuba gepflegt haben.

Jüngstes Opfer war die Rockband COR aus Mecklenburg-Vorpommern. Für eine Tournee durch Kuba und die Unterstützung kubanischer Bands hatten die Rügener Musiker im Internet über den darauf spezialisierten Dienst »Startnext« zu Spenden aufgerufen. Mitte Oktober teilte dieser der Band jedoch mit, daß der Online-Bezahldienst PayPal die bisher eingegangenen Gelder eingefroren habe, da wegen der US-Blockade »keine kubanischen Bürger, Produkte oder Marken finanziert werden dürfen«. Die Metalband ließ sich davon jedoch nicht einschüchtern und wird – wie geplant – im Januar nächsten Jahres durch Kuba touren (junge Welt berichtete).

Das »Netzwerk Cuba«, in dem über 40 deutsche Solidaritätsgruppen zusammengeschlossen sind, hat ­PayPal wegen der neuerlichen Schikanen vorgeworfen, sich wieder einmal als »Online-Rambo« gegen Kuba zu betätigen. Schon vor zwei Jahren hatte die europäische Tochter eines US-Unternehmens Gelder von deutschen Händlern blockiert, die kubanische Artikel in ihrem Sortiment führten. Erst als einige Anbieter sich in einem gerichtlichen Vergleich »freiwillig« der Blockade unterworfen und Rum, Tabak und Kaffee von der Insel aus ihren Katalogen gestrichen hatten, gab PayPal deren Gelder frei. Im Oktober hatte der Bezahldienst auch den Kanadier Terry Shewchuck im Visier, der für Tierkliniken in Kuba gespendet hatte. Sein Geld erreichte die Empfänger nie.

Abgesehen davon, daß das US-Unternehmen mit der Anwendung der Blockade in europäischen Drittländern gegen EU-Recht verstößt, mißt PayPal auch mit zweierlei Maß. So bittet zum Beispiel die in Kuba lebende Systemgegnerin Yoani Sánchez in ihrem Blog ungeniert um Spenden für ihre Aktivitäten. Die Zuwendungen, schreibt Sánchez, könnten problemlos über PayPal für sie eingezahlt werden. Offenbar ist sie sich der Billigung und Unterstützung durch Obamas Administration gewiß.

Andere OFAC-Aktivitäten gegen Drittländer lassen die PayPal-Schikanen der letzten Monate allerdings fast als »Peanuts« erscheinen. So mußte das Turiner Kreditinstitut Intesa Sanpaolo, eine der größten Banken Italiens, im Juni knapp drei Millionen Dollar Strafe an die USA zahlen, weil es zwischen 2004 und 2008 insgesamt 53 Überweisungen nach Kuba ausgeführt hatte. Die ING-Luxemburg-Bank verweigerte in den letzten Jahren mehrfach Geldtransfers zwischen ihren Kunden und Kuba-Soligruppen mit dem Hinweis, daß die Bank sich an die US-Blockade halten müsse.

Anfang 2013 beugte sich auch die Zürcher Kantonalbank (ZKB) dem Druck der USA. Erste Opfer wurden Mitglieder der Vereinigung Schweiz-Cuba, deren Jahresbeiträge nicht überwiesen wurden, und der vor 20 Jahren gegründete Verein mediCuba-Suisse, der jährlich rund 300000 Franken für medizinische Projekte auf die Karibikinsel schickt. Obwohl die Schweiz – wie fast alle UNO-Staaten – die US-Blockade gegen Kuba nicht mittrage, müsse die ZKB Rücksicht auf OFAC-Anweisungen nehmen, berichtete der überregionale Schweizer Tages-Anzeiger am 27. Juni. Man müsse sich bei Bankgeschäften klar darüber sein, daß die USA alle Transaktionen überwachen. Das gelte auch für Inlandsüberweisungen, »denn der Arm der USA ist lang«, kommentierte das Blatt.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 29. Oktober 2013


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