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Neue Karren für Havannas Straßen

Kuba hebt Beschränkungen beim Autokauf auf

Von Andreas Knobloch *

Kuba wandelt sich zurzeit rasant. Nun fällt ein weiterer Pfeiler des karibischen Sozialismus: Havanna liberalisiert den Autohandel.

Sie sind ein beliebtes Fotomotiv für Touristen und tragen dazu bei, dass Kuba etwas aus der Zeit gefallen wirkt: die mehr als ein halbes Jahrhundert alten US-amerikanischen Straßenkreuzer, die Havannas Straßenbild prägen. Doch damit könnte es in den kommenden Jahren vorbei sein.

Die kubanische Regierung hat angekündigt, die jahrzehntelangen Beschränkungen auf die Einfuhr sowie den An- und Verkauf von Neuwagen aufzuheben. Eine entsprechende Richtlinie wurde vom Kabinett am Mittwoch beschlossen, wie die kubanische Tageszeitung »Granma« in ihrer Donnerstagsausgabe vermeldete. Die Details der neuen gesetzlichen Regelung sollen in den kommenden Tagen in der »Gaceta Oficial«, dem Amtsblatt der Regierung, veröffentlicht werden.

Zwei Jahre nachdem der Kauf von Gebrauchtwagen erlaubt worden war, wird Kubanern, ausländischen Residenten sowie ausländischen Unternehmen und Diplomaten künftig der Import und freie Handel mit neuen und gebrauchten Kraftfahrzeugen gestattet. Auch »der Handel von Motoren und Karosserien zwischen Privatpersonen« ist dann erlaubt. Wie weiter berichtet wird, soll aus den Steuern auf den Autohandel »ein spezieller Fonds für die Entwicklung der öffentlichen Verkehrsmittel geschaffen werden«, ein immer noch mit hohen Defiziten behafteter Sektor.

Mit der Neuregelung werden beim Kauf von Neuwagen in Zukunft die Berechtigungsscheine (cartas) hinfällig, die bisher vom Verkehrsministerium ausgestellt wurden und Voraussetzung für den Kauf eines Autos waren. Um eine solche Autorisierung zu erhalten, war der Nachweis über ein ausreichendes Einkommen in Devisen nötig, was wiederum andere Papiere bedingte. In der Regel erhielten in der Vergangenheit vor allem Musiker, Sportler oder Ärzte, die auf Missionen im Ausland arbeiteten, die begehrten Berechtigungsscheine.

Wie »Granma« zugibt, erzeugte dieser »bürokratische« Mechanismus »Ablehnung, Unzufriedenheit, und in nicht wenigen Fällen« verwandelte er sich in »eine Quelle der Spekulation und Bereicherung«. Viele verkauften ihre Autorisierungen noch vor einem Autokauf weiter. Auch war oft unklar, wer warum wie eine Genehmigung erhielt.

Einige Einschränkungen allerdings bleiben bestehen. So bleibt der »direkte Import« von Autos in Zukunft entsprechend autorisierten Unternehmen und den diplomatischen Korps vorbehalten. Auch dürfen juristische Personen (Unternehmen) und Ausländer weiterhin keine Fahrzeuge an Privatpersonen verkaufen. Wie »Granma« weiter schreibt, erfolgt die Umsetzung der neuen Normen »allmählich und schrittweise«. Jenen, die bereits eine Autorisierung besitzen, werde Priorität eingeräumt.

Neuwagen kaufen zu können ohne staatliche Erlaubnis war eine der meist gestellten Forderungen aus der Bevölkerung während der monatelangen Debatten im Vorfeld des VI. Kongresses der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) vom April 2011, auf dem die »Aktualisierung des wirtschaftlichen Modells« beschlossen wurde. Wenige Monate nach dem Parteitag im September 2011 erlaubte die Regierung den Verkauf von Gebrauchtwagen zwischen Privatpersonen ohne »Carta«. Dies war mehr als fünfzig Jahre lang nicht gestattet worden. Neben dem Gesetz, das den Kauf und Verkauf von Immobilien regelt, sowie der Novellierung der Reisegesetzgebung inklusive Abschaffung der Ausreiseerlaubnis, gehörte die Richtlinie zum Gebrauchtwagenhandel zu den am meisten beachteten Veränderungen.

Allerdings erwies sich die Regelung als nicht sehr attraktiv, da vor allem US-amerikanische Oldtimer oder Vehikel aus sowjetischer Produktion zum Kauf standen – und das zu horrenden Summen. Die Preise für einen Lada oder Moskwitsch fangen bei 3000 US-Dollar an und für US-amerikanische Modelle aus den 1940er und 50er Jahren müssen sogar bis zu 80 000 US-Dollar hingelegt werden.

An den Preisen wird sich laut »Granma« zunächst nicht viel ändern. Die künftigen Einzelhandelspreise für Autos werden jenen ähneln, die bisher zwischen Privatpersonen gezahlt wurden, hieß es. Ebenso wenig ist zu erwarten, dass sich nun eine große Masse von Kubanern ein Auto kauft – dafür fehlen den meisten schlicht die finanziellen Mittel. Die Tage der alten Buicks, Oldmobile und Chevrolets dürften also noch nicht ganz gezählt sein; eine Verjüngungskur auf Kubas Straßen aber wird es wohl geben.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 21. Dezember 2013


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