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Überraschung in Zagreb

Konservative Kandidatin gewinnt Präsidentschaftswahl in Kroatien knapp vor sozialdemokratischem Amtsinhaber

Von Roland Zschächner *

Das Ergebnis war eine Überraschung: Am Sonntag ist die rechte Kandidatin Kolinda Grabar Kitarović zur Präsidentin Kroatiens gewählt worden. Sie ist die zweite Frau an der Spitze des südosteuropäischen Landes.

Grabar Kitarović ist in der kroatischen Politik gut bekannt. Sie war bereits Außenministerin; 2011 wurde sie eine ranghohe Diplomatin bei der NATO. Unter ihr wird sich Kroatien auch weiterhin den Weisungen Brüssels und Washingtons unterordnen – wie zur Zeit beim US-geführten Krieg gegen den »Islamischen Staat«.

Äußerst knapp war das Resultat am Sonntag. Grabar Kitarović erhielt laut offiziellem Endergebnis 50,74 Prozent der Stimmen. Für den sozialdemokratischen Amtsinhaber Ivo Josipović votierten 49,26 Prozent der Kroaten. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 60 Prozent deutlich höher als in der ersten Runde am 28. Dezember. In dieser lagen die beiden Kontrahenten bereits nur rund ein Prozent auseinander.

Der kroatische Präsident hat zwar nur wenig Einfluss, doch galt die Abstimmung als Test für die Parlamentswahlen, die noch in diesem Jahr stattfinden sollen. Zwei Parteien bestimmen das politische System des Landes: die regierenden Sozialdemokraten und die rechte Kroatische Demokratische Union (HDZ). Beide vertreten eine neoliberale Politik, die den Interessen des Kapitals dient. Unterschiede bestehen lediglich in ihrer Haltung gegenüber den Rechten für Homosexuelle, der Interpretation der sozialistischen Vergangenheit oder in ihrem Verhältnis zu Serbien.

Für die sozialdemokratische Regierung wird es nun eng. Ihr wird vorgeworfen, keine Lösung für die anhaltende ökonomische Misere zu finden. Das Land steckt seit Jahren in einer Wirtschaftskrise, die durch den Beitritt zur EU 2013 noch verschärft wurde. Die offizielle Arbeitslosigkeit liegt bei rund 20 Prozent und ist bei der jungen Bevölkerung noch weit höher. Kroatien ist Peripherie der EU. Der Großteil der Produktion und Dienstleistungen ist in den Händen westlichen Kapitals, der Rest ist unter Kontrolle von einheimischen Tycoonen.

Einzig die Organisation »Živi zid« (lebendige Mauer), die mit Ivan Vilibor Sinčić einen eigenen Präsidentschaftskandidaten ins Rennen schickte, sprach im Wahlkampf die Lebensbedingungen in Kroatien an. Die Initiative, die auch offen für faschistische Kräfte ist, engagiert sich gegen Zwangsräumungen. Sinčić erreichte mit knapp 16 Prozent der Stimmen im ersten Wahldurchgang mehr als einen Achtungserfolg. Er kündigte umgehend an, auch bei den Parlamentswahlen antreten zu wollen. Das Abschneiden von »Živi zid« verdeutliche das Erstarken der kroatischen Rechten und die Schwäche der Linken, der es bisher nicht gelang, die soziale Frage zu thematisieren.

Grabar Kitarović vermochte es, mit einer nationalistischen Kampagne zu punkten. Sie beschwor »traditionelle« Werte wie die Einheit des Landes, die Liebe zur Heimat sowie die Feindschaft mit den serbischen Nachbarn. Passend dazu sind auch Äußerungen Grabar Kitarovićs, daran anknüpfen zu wollen, wo der ehemalige kroatische Präsident Franjo Tuđman aufgehört hat.

HDZ-Gründer Tuđman war mit seiner nationalistischen und antisozialistischen Politik für die Kriege der 90er Jahre im ehemaligen Jugoslawien maßgeblich verantwortlich, ebenso wie für die Vertreibung der serbischen Bevölkerung, ohne dafür jemals zur Rechenschaft gezogen zu werden. Welche Auswirkung die Wahl von Grabar Kitarović für das Verhältnis zu Belgrad sowie zur serbischen Minderheit in Kroatien haben wird, bleibt abzuwarten.

So war es auch nicht verwunderlich, dass die frisch Gewählte noch in der Nacht zum Montag im Protestlager von Kriegsveteranen in Zagreb aufschlug. Die ehemaligen Soldaten des von 1991 bis 1995 dauernden Kroatien-Krieges – verherrlichend als »Heimatkrieg« bezeichnet – demonstrieren seit mehreren Monaten für die Verbesserung ihres sozialen Status. Sie werfen der Regierung vor, sie als Kämpfer für die Heimat vergessen zu haben. Grabar Kitarović versprach ihnen, dies umgehend zu ändern.

Auch die katholische Kirche zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis. Der Bischof von Sisak gratulierte in einem Brief. Die Politikerin sei »die erste Präsidentin, die nicht in der Kommunistischen Partei war«, heißt es darin. Außerdem hoffe der Geistliche, sie könne »unsere Heimat aus den Rachen der Geheimdienste und des Kommunismus ziehen, in die uns die bisherigen Politiker gestoßen haben«. Dass dies die Sozialdemokraten waren, gehört zum Mantra der HDZ.

Ausschlaggebend für die Wahl der HDZ-Kandidatin waren die Stimmen der Kroaten außerhalb der Staatsgrenzen. Sie votieren – weil sie von den Entscheidungen am wenigsten betroffen sind – traditionell für rechte und faschistische Parteien. So auch diesmal. Der Vorsprung der Siegerin belief sich auf rund 32.000 Stimmen. Von der Diaspora, die Grabar Kitarović mit über 90 Prozent wählte, hatte sie knapp 34.000 Stimmen erhalten. Vor allem in den kroatisch dominierten Teilen Bosnien-Herzegowinas konnte die HDZ ihre Klientel mobilisieren.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 14. Januar 2015


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