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Kurswechsel in Zagreb und Ljubljana

Wahlen in Kroatien und Slowenien: Bisherige Regierungsparteien abgestraft *

In Kroatien ist die seit der Unabhängigkeit der früheren jugoslawischen Teilrepublik fast ununterbrochen regierende konservative Kroatische Demokratische Union (HDZ) bei der Parlamentswahl am Sonntag (4. Dez.) abgewählt worden. Ein von den Sozialdemokraten geführtes Mitte-links-Bündnis kann den von der Wahlkommission veröffentlichten vorläufigen Ergebnissen zufolge mit 78 der 151 Sitze im Parlament rechnen. Die von Korruptionsskandalen erschütterte HDZ von Ministerpräsidentin Jadranka Kosor kommt demnach nur noch auf 48 Mandate.

Die Regierungschefin gestand noch am Sonntag abend ihre Niederlage ein. »Wir werden unserem Volk mit Würde dienen, selbst in der Opposition«, sagte sie vor Journalisten. Kosors Amtsvorgänger und Parteifreund Ivo Sanader muß sich derzeit wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht verantworten. Die Justiz ermittelt zudem gegen die HDZ wegen illegaler Parteienfinanzierung.

Vesna Pusic von der Kroatischen Volkspartei (HNS), die dem Mitte-links-Bündnis angehört, bedankte sich »bei allen, die für uns gestimmt haben«. Sie versprach, den Wählerauftrag ernst zu nehmen und hart zu arbeiten. Dies gebe der künftigen Regierung »ein starkes Mandat« und »eine große Verpflichtung«, sagte Pusic, die als künftige Außenministerin gehandelt wird, im Fernsehen.

Auf den wahrscheinlichen Regierungschef Zoran Milanovic von der Sozialdemokratischen Partei (SDP) kommt eine schwere Aufgabe zu. »Der leichteste Teil besteht darin, die Wahl zu gewinnen«, sagte er selbst. »Das Land zu reformieren wird viel schwieriger werden.« Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 17 Prozent, das Land kommt nur langsam aus einer fast drei Jahre andauernden Rezession heraus, in diesem Jahr wird die Wirtschaft voraussichtlich um 0,5 Prozent wachsen. Die neue Regierung muß zudem den für Juli 2013 geplanten Beitritt zur Europäischen Union bewerkstelligen. Am Freitag (9. Dez.) soll Kroatien in Brüssel offiziell das Abkommen unterzeichnen.

Im Nachbarland Slowenien kam es bei den dortigen Parlamentswahlen am Sonntag zu einer echten Überraschung: Die erst vor zwei Monaten gegründete Partei »Positives Slowenien« des Bürgermeisters von Ljubljana, Zoran Jankovic, erhielt entgegen allen Prognosen die meisten Stimmen. Nach Auszählung der Wahlzettel lag seine Partei mit 28,5 Prozent in Führung. Alle Umfragen hatten in den vergangenen Wochen einen Sieg der konservativen Partei des früheren Ministerpräsidenten Janez Jansa vorhergesagt, der jedoch nur 26,3 Prozent der Stimmen auf sich vereinigte. Um eine Regierung zu bilden, muß sich Wahlgewinner Jankovic nun Partner suchen. Die Bildung einer Koalition könnte nach Einschätzung von Experten allerdings schwierig werden und einige Wochen in Anspruch nehmen.

Der 58jährige Jankovic war Chef der größten slowenischen Supermarktkette Mercator, bevor er 2006 bei den Bürgermeisterwahlen in Ljubljana einen unerwartet hohen Stimmenanteil einfuhr. Im vergangenen Jahr wurde der Millionär mit 65 Prozent wiedergewählt. Seine Partei hat er erst vor zwei Monaten eigens für die vorgezogene Parlamentswahl gegründet. Im Vorfeld versprach er, die Zwei-Millionen-Einwohner-Republik wie ein Unternehmen zu führen: »Unser Land braucht jetzt einen Geschäftsmann.«

* Aus: junge Welt, 6. Dezember 2011


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