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"Jugend, mach dich fort"

Zustimmung zum oder gar Euphorie über den EU-Beitritt des Landes trifft man in Kroatien kaum an

Von Michael Müller, Zagreb *

»Nun sind wir also in der EU. Tut mir leid für Sie, tut mir auch leid für uns.« So wie Branko Krakan witzelt, ein Schiffbauingenieur aus Rijeka im kroatischen Nordwesten, bekommt man es als (deutscher) EU-Bürger zwischen Drava und Adria öfter zu hören. Vor allem wenn man auf der Suche nach etwaiger Euphorie oder wenigstens schlichter Zustimmung zum EU-Beitritt ist. Finden lässt sich beides nur schwer.

Wobei Krakan, der eine Im- und Exportfirma für Werftmaschinen und Schiffsbauzubehör betreibt, vielleicht eher noch zum Kreis der zumindest potenziellen EU-Optimisten im Land zu rechnen ist. Allein die Umrüstung der kroatischen Hochsee- und Fischereiflotte auf EU-Standards könnte auch sein Geschäft beflügeln. Ebenso dümpelt die Hafenwirtschaft nur noch so vor sich hin. »Vielleicht kommen wir jetzt nach dem grausigen Pleite- und Entlassungsaderlass durch die Privatisierung tatsächlich wieder aus der Talsohle raus«, meint er. Und er liebäugelt dabei mit den relativ niedrigen Lohnkosten in kroatischen Werften sowie relativ niedrigeren Liegegebühren in den kroatischen Adriahäfen.

Für Ivo Tecic sind solche Hoffnungen kein Thema. Er ist Landwirt in einem slawonischen Dorf nahe der Stadt Slavonski Brod an der Sava im nordöstlichen Kroatien und kalkuliert nüchtern: »Bisher erhielten wir für alle Produkte, von Eiern, Weizen, Mais bis Milch, staatliche Förderungen. Die fallen grundsätzlich weg. Die GAP-Zuwendungen (aus dem EU-Agrarförderfonds – d.A.) dürften auf die Betriebe heruntergerechnet bis zu 30 Prozent niedriger sein.«

Was dann passiert, konnte man nach dem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens vor sechs Jahren sehen. Dort hatte es ab 2007 einen sprunghaften Anstieg der ländlichen Arbeitslosigkeit gegeben und – geradezu grotesk für diese Agrarländer – in den Supermärkten jahrelang keine Tomaten und Gurken mehr aus eigener Produktion, sondern nur aus Holland und Spanien. Tendenziell hat sich daran übrigens bis heute nicht viel geändert.

Überhaupt scheint nicht zuletzt das Beispiel Rumäniens und Bulgariens, die in fast allen relevanten ökonomischen und sozialen Kennziffern am Ende der EU-Rangliste rangieren, auf die einst deutliche EU-Affinität der Kroaten ernüchternd gewirkt zu haben. »Zwei Drittel der Kroaten wollen in die EU«, heißt es zwar oft in deutschen Medien. Doch richtig geht die Rechnung des EU-Referendums von 2012 etwas anders:

Kroatien hat bei rund 4,4 Millionen Einwohnern etwa 3,3 Millionen im Land lebende Wahlberechtigte. Davon haben bei einer Wahlbeteiligung von 43 Prozent ganze 62 Prozent mit Ja gestimmt – absolut von den 1,4 Millionen, die zu den Urnen gingen, also weit unter 900 000. Womit nicht 66 Prozent, also nicht »zwei Drittel der Kroaten« in die EU wollten, sondern 26 Prozent, also gerade ein Viertel.

Professor Alexandar Jakir von der Universität in Split an der Adriaküste nennt das »inzwischen abgeebbte überhöhte Erwartungen der 1990er Jahre«. Er meint indes, dass die meisten Bürger im Stillen dennoch davon ausgingen, »dass es keine wirkliche politische Alternative zum EU-Beitritt« gebe. Jakir räumt jedoch ebenso einen (Selbst-)Bewusstseinswandel in Kroatien ein. »Heute ist vielen Menschen wieder zunehmend bewusst, dass kroatische Identität durchaus auch eine balkanische Komponente hat.«

Das hieße im Klartext unter anderem, sich politisch und wirtschaftlich stärker regional zu orientieren. Doch davon war Kroatien trotz des Freihandelsabkommens CEFTA mit seinen Nachbarländern auch bisher noch recht weit entfernt. Nun muss es mit dem EU-Beitritt auch das CEFTA verlassen. Mit dessen Zollvorteilen fallen reale Marktchancen vor der nahen Haustür weg, ihre Kompensation durch neue Märkte in der etwas ferneren EU steht in den Sternen.

Was sich in Kroatien in Wirtschaft und Finanzen wohin oder eben auch nicht dreht, werden ab heute noch mehr als bisher Unternehmen und Banken aus – und zwar in dieser Reihenfolge – Österreich, den Niederlanden und Deutschland bestimmen. Firmenschilder und Supermarktnamen in jeder größeren Stadt belegen das ebenso wie die Eigentumsverhältnisse der kroatischen Medien. »Kroatiens EU-Beitritt wird die Rechtssicherheit für unsere Investoren dort weiter verbessern«, frohlockt Österreichs Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl im Wiener »Standard«. Hinter der Floskel Rechtssicherheit verbergen sich eben vor allem auch neue lukrative Möglichkeiten, Kroatien als Absatzmarkt oder verlängerte Werkbank zu benutzen.

Davon geht auch die Zagreberin Tatjana Maderic aus, Chemiestudentin und im »Jugendnetzwerk« aktiv. »Die Renditen für die ausländischen Investoren werden steigen, die derzeit fast 40-prozentige Jugendarbeitslosigkeit wird nicht sinken.« In größeren kroatischen Städten stößt man des öfteren auf gesprayte Losungen wie »Mladi, napustite Hrvatsku!« (Jugend, mach dich fort aus Kroatien!). Über 100 000 junge Leute taten das in den vergangenen zehn Jahren.

Der kroatische Kaufkraftstandard liegt mit 56 (EU-Durchschnitt gleich 100) etwa bei dem der baltischen Staaten und etwas über dem der sozial-ökonomischen EU-Schlusslichter Rumänien und Bulgarien. Verantwortlich dafür, dass es überhaupt noch so läuft, wie es läuft, ist der Adria-Tourismus an der rund 1800 Kilometer langen Festlandsküste mit den 1200 Inseln davor. Über die jährlich weit mehr als elf Millionen ausländischen Gäste wird ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts realisiert. Um das noch attraktiver zu machen, senkte die Regierung sogar die Mehrwertsteuer in diesem Wirtschaftszweig von 23 auf zehn Prozent.

»Erst hatten wir Kommunismus, dann Nationalismus, nun haben wir endlich Tourismus«, deklinieren die Hoteliers der vielen kleinen Häuser, die Besitzer der vielen kleinen Restaurants in Dalmatien gern. Gemeint ist eine besondere kleinteilige, sanfte Art von Tourismus, die es am Mittelmeer so nirgends mehr gibt. Was, wie die Lobby der inländischen Touristiker fordert, so bleiben soll.

Tourismusminister Veljeko Ostojic ist laufend dabei, Befürchtungen zu zerstreuen, dass die Küste nach dem EU-Beitritt »voll zugebaut wird« wie in Spanien in den 1980er Jahren und in Bulgarien ab Ende der 1990er. Doch Lockerungen, was das Verbot des Inselverkaufs an Investoren angeht, sowie Brandschatzungen an Waldflächen, die auf Umwidmung in Bauland warten, überschatten die Adriasonne bereits.

Kroatien soll bis 2020 pro Jahr rund zwei Milliarden Euro aus Brüssel erhalten. Wie Tatjana Maderic vom Zagreber »Jugendnetzwerk« bezweifeln viele, dass davon »nichts wie bisher auch in die privaten Taschen der sogenannten politischen Elite abgezweigt wird«. Was diese Elite so wert ist, macht die 28-Jährige an zwei Beispielen deutlich: Franjo Tudjman, von 1990 bis zu seinem Tod 1999 Staatspräsident, von dessen Gedenksymbolik das Land überschwemmt ist, wird vom Jugoslawien-Tribunal in Den Haag neuerdings gerichtsamtlich sogar als Kriegsverbrecher geführt. Ivo Sanader, bis 2009 für sechs Jahre Premierminister, wurde unlängst wegen Vorteilsnahme im Amt zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.

Kroatien ist kein reiches, aber ein schönes Land mit freundlichen, lebenslustigen Menschen. Die Krawatte wurde hier einst erfunden, die vierbeinigen Dalmatiner sind wie die Hand- und Fußballer weltweite Markenzeichen. Doch bei Beobachtern sorgt das Land auch immer wieder für, zurückhaltend gesagt, Irritationen. Etwa wenn staatlicher- und kirchlicherseits die Schuld des klerikal-faschistischen Ustascharegimes (1941-45) relativiert wird, das Hunderttausende Serben, Juden, Sinti und Roma abgeschlachtet hat. Wenn in Den Haag verurteilte kroatische Kriegsverbrecher aus den jugoslawischen Sezessionskriegen in Medien und mit Manifestationen solidarisch verehrt werden. Oder wenn wie jüngst im Mai in zwei Wochen im Auftrag von 30 katholischen Gremien 700 000 Unterschriften gegen die Homo-Ehe gesammelt werden.

Damit ist das verfassungsmäßige Quorum für ein Referendum weit übertroffen. Dies aber, beteuert der sozialdemokratische Premierminister Zoran Milanovic, wolle er verhindern. Gegen den Willen der Konservativen, die bis 2011 die Regierung dominierten, und vor allem gegen den Willen der katholischen Kirche. Im jüngsten EU-Land scheint sich also für den Herbst eine Verfassungs- wenn nicht gar Identitätskrise anzubahnen. Und wie beim EU-Beitritt steht Kroatien auch hier vor der Frage: Wende wohin?

* Aus: neues deutschland, Montag, 1. Juli 2013


Auf der Brüsseler Warteliste

Für manchen Bewerber werden EU-Beitrittsverhandlungen zur Endlosgeschichte

Von Detlef D. Pries **


Nach dem »Einlass« Kroatiens stehen derzeit noch acht Länder auf der EU-Warteliste. Brüssel unterscheidet sie streng nach Beitrittskandidaten und »potenziellen Kandidaten«.

»Serbien ist nicht begeistert«, gab Vizepremier Aleksandar Vučić zu, als sich in der vergangenen Woche abzeichnete, dass die EU-Staats- und Regierungschefs am Freitag kein konkretes Datum für den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit Belgrad nennen würden. Alles Mühen der serbischen Regierung um »das Datum« scheiterte am Widerstand der deutschen Bundesregierung. Die will erst reale Fortschritte bei der Umsetzung des serbisch-kosovarischen Normalisierungsabkommens vom April sehen. Erst wenn es die gibt, können die Beitrittsverhandlungen – wie der EU-Rat beschloss – »spätestens im Januar 2014« eröffnet werden. Die Enttäuschung in Belgrad, wo man auf einen Oktobertermin gehofft hatte, rührt auch daher, dass bewusstes Normalisierungsabkommen auf Ablehnung nicht nur bei den Serben in Nordkosovo trifft. Auch die Kosovo-Albaner sind nicht einig: Anhänger der »Bewegung für Selbstbestimmung« (Vetevendosje) verbrannten öffentlich den Vertrag, der ihrer Meinung nach Kosovos Souveränität verletzt, und kündigten weitere Proteste an.

Trotz der Verzögerung: Belgrads EU-Bewerbung nimmt geradezu die Überholspur, vergleicht man sie mit den Anträgen anderer Staaten. Denn Serbien ist erst seit 2012 offizieller Beitrittskandidat. Die Türkei ist es schon seit 1999 und verhandelt auch bereits seit 2005. Doch die Eröffnung einer neuen Gesprächsrunde wurde gerade erst wegen der brutalen Übergriffe der Polizei gegen oppositionelle Demonstranten auf den Herbst verschoben. Ganz davon abgesehen, dass es vielerorts prinzipielle Vorbehalte gegen die EU-Mitgliedschaft der Türkei gibt.

Auch andere Bewerber sitzen seit längerer Zeit auf der Wartebank. Die »Frühere Jugoslawische Republik Mazedonien« ist seit 2005 Beitrittskandidat, doch wegen des Namensstreits mit Griechenland und bulgarischer Kritik am Umgang mit den Bulgaren in Mazedonien haben konkrete Verhandlungen noch nicht begonnen.

Dieser Schritt ist im Falle Montenegros schon erfolgt: Vor einem Jahr wurde in Brüssel beschlossen, die Beitrittsverhandlungen mit der kleinen Adria-Republik zu eröffnen. Wie andere Staaten des Westbalkans steht Montenegro allerdings im Ruf, erheblichen Nachholebedarf im Kampf gegen die Korruption und für eine unabhängige Justiz zu haben. Bis zur EU-Mitgliedschaft scheint es also noch ein langer Weg zu sein.

Das gilt erst recht für die drei »potenziellen Beitrittskandidaten« Albanien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo. Albaniens Beförderung wurde bereits zweimal abgelehnt, Bosnien gilt trotz EU-Vormundschaft wegen des Dauerstreits zwischen Bosniaken, Kroaten und Serben als geradezu unregierbar, Kosovo wird noch nicht einmal von allen EU-Mitgliedern als unabhängiger Staat anerkannt.

Der einzige Kandidat, mit dem relativ zügig verhandelt wurde, nämlich Island, hat die Gespräche im Juni von sich aus auf Eis gelegt. Die neue Mitte-Rechts-Regierung in Reykjavik will deren Fortsetzung vom Ausgang einer Volksabstimmung abhängig machen. In Brüssel ist man verstimmt: Erweiterungskommissar Stefan Füle bedeutete dem isländischen Außenminister Gunnar Bragi Sveinsson, man werde nicht ewig warten. Endlosgeschichten zu schreiben, ist offenbar das Privileg der EU.

** Aus: neues deutschland, Montag, 1. Juli 2013


Kroatien braucht eine neue Linke

Der Zagreber Philosoph Mislav Žitko: Strukturelle Probleme des Landes werden durch die EU-Mitgliedschaft nicht gelöst ***

Mislav Žitko (31) ist Dozent an der Philosophischen Fakultät der Universität Zagreb. Er beschäftigt sich mit der politischen Ökonomie der sogenannten Transitionsländer, der Länder im Übergang zur EU-kompatiblen Marktwirtschaft. Anlässlich des EU-Beitritts Kroatiens befragte ihn für »nd« Jerko Bakotin.

Kroatien ist nach Spanien und Griechenland das EU-Mitgliedsland mit der dritthöchsten Arbeitslosenquote, die bei etwa 20 Prozent liegt. Die Auslandsverschuldung – rund 45 Milliarden Euro – ist größer als die Gesamtsumme des Bruttoinlandsprodukts und die Industrieproduktion liegt noch immer unter dem Volumen von 1990. Wie wird der Beitritt Kroatiens zur Europäische Union auf die kroatische Wirtschaft wirken?

Der EU-Beitritt wird sicher nicht ausschließlich gute oder schlechte Folgen haben. Sicher ist aber, dass der Beitritt selbst die kroatische Wirtschaftspolitik automatisch verändern und bisher nicht vorhandene Aspekte hinzufügen wird. Anders gesagt, die strukturellen Mängel, die sich in den vergangenen 20 Jahren herausgebildet haben – etwa die hohe Verschuldung sowohl des privaten als auch des öffentlichen Sektors, die Arbeitslosigkeit und der Fall der Industrieproduktion – wird der EU-Beitritt sicher nicht beseitigen. In manchen Sektoren, die auf die veränderte Situation nicht vorbereitet sind, könnte sich die Lage sogar verschlimmern.

Nach der großen Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums im Zuge der Privatisierung der Betriebe stellt sich die Frage, wie sich die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit in Kroatien heute gestalten.

Kurz gesagt ist die Situation der abhängig Beschäftigten in letzter Zeit immer schwächer geworden. Erste Veränderungen des Arbeitsrechts auf Kosten der Arbeit hat die sozialdemokratische Regierung Anfang der 2000er Jahre durchgesetzt und seither sind Forderungen nach mehr Flexibilisierung des Arbeitsrechts immer häufiger und lauter geworden. Gleichzeitig wurde die organisierte Arbeiterschaft im privaten Sektor immer schwächer, ihr Organisationsgrad bewegt sich jetzt auf einem ziemlich niedrigen Niveau, während die Tarifverträge – also der Schutz der Arbeitnehmerrechte im öffentlichen Sektor – immer mehr in Frage gestellt werden. Die Darstellung des öffentlichen Sektors als gesellschaftlicher Parasit hat in den vergangenen Jahren einen Höhepunkt erreicht, sowohl was ihre ideologische Vulgarität angeht als auch bezüglich der Tatsachen. Die Beschäftigen beider Sektoren zahlen die Kosten der Krise und der Konvergenzpolitik – und zwar mit unsichereren Arbeitsplätzen, weniger Lohn, schwereren Arbeitsbedingungen und weniger Bereitschaft des Staates, der verarmten und traumatisierten Arbeiterschaft durch soziale Programme und öffentliche Dienste entgegenzukommen.

Der sozialdemokratische Premierminister Zoran Milanović behauptet, dass Kritiker, die ihm vorwerfen, er verrate die Sozialdemokratie, »in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts leben«. Wie beurteilen Sie die Wirtschaftspolitik der gegenwärtigen kroatischen Regierung im Vergleich zu der ihrer Vorgängerin?

Ziel dieser Regierung ist es, ein fiskalisches Gleichgewicht herzustellen, also die öffentlichen Finanzen im Rahmen von EU-Rechten und - Regeln zu ordnen. In jeder anderen Hinsicht ist sie so erfolglos wie die anderen Regierungen von Staaten der Peripherie, was zumindest teilweise an der Abhängigkeit Kroatiens vom allgemeinen Zustand der EU und der Eurozone liegt. Was ihre jeweilige Wirtschaftspolitik betrifft, sind die Unterschiede zwischen den Regierungen der vergangenen zehn Jahre nicht groß. Das entspricht der Übereinstimmung der politischen Eliten in Bezug auf die Notwendigkeit des EU-Beitritts. Abgesehen davon, dass der Zustand der kroatischen Wirtschaft nicht besser wäre, wenn das Land außerhalb der EU bliebe: Der Beitrittsprozess hat bei den hiesigen Eliten die Überzeugung verstärkt, dass sie die Träger der Modernisierung sind. Dabei läuft der ganze Prozess tatsächlich auf eine weitere Peripherisierung hinaus.

In Kroatien tauchen mehr und mehr soziale Bewegungen auf. Gibt es Potenzial für die Gründung einer linken politischen Organisation?

Ich denke, dass der Einzug einer seriösen linken Kraft in das Feld der Parteipolitik ausgesprochen wichtig ist für die Zukunft der Arbeiter und Arbeiterinnen im öffentlichen wie auch im privaten Sektor – also für die Mehrheit der Bevölkerung. Aber es ist nicht sicher, dass sie bald erscheinen wird. Ähnlich wie in anderen Transitionsländern haben Nationalismus und Chauvinismus das politische Feld ausgedörrt. Selbst wenn die organisatorischen Probleme beherrscht werden würden, gäbe es reale Hindernisse, denen sich eine neue Linke stellen muss. Trotzdem denke ich, dass es auf jeden Fall möglich ist, auch an der Peripherie eine wirtschaftlich-politische Plattform für nachhaltige und egalitäre Entwicklung zu schaffen.

*** Aus: neues deutschland, Montag, 1. Juli 2013


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