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In Vorkasse gehen will keiner

Nordkorea nach den Sechser-Gesprächen in Peking

Ein Kommentar von Rainer Werning*

Erstmalig hatte China im August 2003 zu Sechsergesprächen über Nordkoreas Nuklearprogramm geladen. Nun legte sich die politische Führung des Landes erneut ins Zeug, um Krisenmanagement zu betreiben. Kein anderes Land der Sechserrunde, zu der neben China und Nordkorea die USA, Japan, Südkorea und Russland gehören, wäre als politisch-diplomatischer Broker dazu besser geeignet. Die Volksrepublik ist nicht nur ein langjähriger Alliierter Pjöngjangs, sondern auch dessen wichtigster Handelspartner. Es liegt nicht im Interesse Pekings, in seiner Nachbarschaft einen Dauerkonflikt schwelen zu sehen.

Anstelle der erwarteten Gemeinsamen Erklärung zum Abschluss der Verhandlungen gab es jedoch lediglich ein Statement des Gastgebers. So ist die Übereinkunft, Mitte des Jahres den gleichen Kreis erneut zu bemühen, schon ein Erfolg. Kein Durchbruch, aber ein Aufbruch. Jedenfalls schien Chinas Außenminister Li Zhaoxing auffallend zufrieden, als er anmerkte, die teilweise erheblichen Meinungsverschiedenheiten seien von solcher Sprengkraft, dass man mehr als eine Verhandlungsrunde brauche, sie zu überwinden.

Die Crux war auch diesmal der Vorwurf Washingtons, Nordkorea verfolge ein Programm zur Anreicherung waffenfähigen Urans, was dessen Abgesandte wie erwartet dementierten. Pjöngjang besteht nun einmal auf einer "starken militärischen Abschreckungskraft" und wirft den USA vor, es ginge ihnen gar nicht um Massenvernichtungswaffen, sondern - wie der Irak so unmissverständlich zeige - um einen Regimewechsel. Washington und auch Tokio bestehen auf vollständigem, nachprüfbarem und unumkehrbarem Abbau des nordkoreanischen Atomprogramms. Demgegenüber signalisiert Pjöngjang, es sei bereit, auf Bau und Test von Nuklearwaffen zu verzichten und seine Atomanlagen zur Energiegewinnung abzuschalten, sollten sich die USA im Gegenzug bereit erklären, die Wirtschaftssanktionen aufzuheben und das Land von der Liste jener Staaten zu streichen, die angeblich den internationalen Terrorismus unterstützen. Zumindest China und Russland zeigen Verständnis dafür, dass sich beide Seiten zeitgleich bewegen und nicht eine Partei in Vorleistung tritt.

Für Japan bietet der nordkoreanische Atompoker eine willkommene Chance, sich nunmehr auch militärisch als Regionalmacht aufzuspielen und die als Einengung empfundene Nachkriegsverfassung mit ihrem strikten Friedensgebot gemäß Artikel 9 zu lockern. Erstmals seit Ende des Zweiten Weltkrieges hat Tokio bekanntlich Soldaten in eine Kriegsregion (Irak) entsandt.

Betont gelassen gibt sich die Regierung in Seoul. Südkoreanische Firmen haben sich zuletzt in Nordkoreas Grenzstadt Kaesong engagiert. Und im April, da im Süden ein neues Parlament gewählt wird, soll die seit dem Koreakrieg unterbrochene Bahnlinie zwischen beiden Ländern wieder eröffnet werden. Soviel Entspannung war selten seit 1953.

* Rainer Werning ist Südostasien-Korrespondent. Der Kommentar wurde veröffentlicht in der Wochenzeitung "Freitag" vom 5. März 2004


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