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USA stehen hinter Südkorea

Pjöngjang "Provokationen und Politik der Drohungen" vorgeworfen

In der Konfrontation zwischen Nord- und Südkorea haben sich die USA und Japan demonstrativ hinter die Regierung in Seoul gestellt.

Seoul (AFP/dpa/ND). US-Außenministerin Hillary Clinton warnte Pjöngjang am Mittwoch während eines Besuchs in der südkoreanischen Hauptstadt, den Konflikt der beiden Nachbarstaaten eskalieren zu lassen. Die Regierung in Pjöngjang solle ihre »Provokationen und Politik der Drohungen« unterlassen, sagte Clinton nach einem Treffen mit dem südkoreanischen Präsidenten Lee Myung Bak. Zugleich forderte sie eine Reaktion der internationalen Gemeinschaft auf das Kentern des südkoreanischen Kriegsschiffs »Cheonan« im Gelben Meer, das nach Ansicht internationaler Ermittler durch einen nordkoreanischen Torpedoangriff verursacht wurde.

Bei dem Untergang der Korvette Ende März waren 46 Menschen ums Leben gekommen. Die Führung in Pjöngjang weist jede Schuld von sich. Südkorea kündigte als Konsequenz aus dem Vorfall eine Serie von Gegenmaßnahmen an, darunter Handelsbeschränkungen und eine Anrufung des UNO-Sicherheitsrates.

»Wir werden in dieser schwierigen Stunde an ihrer Seite stehen«, sagte Clinton in Seoul. Der Untergang der »Cheonan« erfordere eine »starke, aber maßvolle Antwort«. So müsse der Sicherheitsrat Stellung nehmen. Die USA prüften ihrerseits »zusätzliche Optionen«, um Nordkorea zur Verantwortung zu ziehen. »Wir können nicht die Augen vor Kriegslust und Provokation verschließen«, fügte die US-Außenministerin hinzu.

Vor ihrer Reise nach Seoul hatte Clinton bei einem Besuch in Peking China zu einem härteren Umgang mit dem verbündeten Nordkorea aufgefordert. China zeigte sich zurückhaltend. Japan stellte sich dagegen klar hinter Seoul. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums verständigten sich Pentagonchef Robert Gates und sein japanischer Kollege Toshima Kitazawa in Washington auf ein Dreiertreffen mit ihrem südkoreanischen Kollegen im Juni.

Nordkorea kündigte an, Südkoreanern die Zufahrt zum gemeinsamen Industriepark Kaesong an der Grenze zu verwehren. Dies käme einer Schließung der Sonderwirtschaftszone gleich. Das Vereinigungsministerium in Seoul teilte mit, der Norden habe bereits acht südkoreanische Vertreter ausgewiesen. Parallel dazu kappte Pjöngjang die wichtigsten Kommunikationswege in den Süden.

In Seoul forderten Demonstranten UNO-Sanktionen gegen Nordkorea. In einer Erklärung riefen sie China auf, die KDVR nicht länger in Schutz zu nehmen. Die etwa 30 Teilnehmer der Kundgebung hielten gegen den nordkoreanischen Präsidenten gerichtete Spruchbänder: »Nieder mit Kim Jong Il«, hieß es darauf und »Trefft den Norden mit Sanktionen«. Für ein koordiniertes internationales Vorgehen ist vor allem Pekings Zustimmung unerlässlich. China ist der engste Verbündete Nordkoreas und Vetomacht im Sicherheitsrat.

Die Bundesregierung betrachtet das Versenken des südkoreanischen Kriegsschiffs als »aggressiven, militärischen Akt«. Außenminister Guido Westerwelle sagte am Mittwoch: »Wir setzen auf eine angemessene, aber auch überlegte Reaktion der Weltgemeinschaft.« Die Bundesregierung sei wegen des Konflikts zwischen Nord- und Südkorea »sehr besorgt«, betonte Westerwelle am Rande einer Außenministerkonferenz der EU und des südostasiatischen Verbandes ASEAN in Madrid.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Mai 2010


Koreakrise: USA schlagen aggressive Töne an

Von Werner Pirker *

Man habe keine Informationen aus erster Hand, die über die Ursache des Untergangs des südkoreanischen Kriegsschiffes »Cheonan« Aufschluß geben könnten, heißt es aus Peking. Das ist ein durchaus korrekter Standpunkt, an dem sich die westliche Diplomatie und ihr mediales Echo ein Beispiel nehmen sollten. Für die chinesische Führung sind die Behauptungen Südkoreas und der »internationalen Untersuchungskommission« zu Recht keine zuverlässigen Informationen. Denn diese Kommission, der nur Vertreter Südkoreas, der USA und Japans angehörten, kann alles andere denn als unabhängig bezeichnet werden. Diese drei Länder bilden immerhin den Kern der gegen die Koreanische DVR gerichteten Allianz.

Umgekehrt heißt das allerdings nicht, daß man den nordkoreanischen Erklärungen, das Schiff nicht angegriffen zu haben, unbedingt Glauben schenken muß. Wenngleich die von Pjöngjang bekundete Bereitschaft, sich an der Untersuchung der Unglücksursache zu beteiligen, die Unschuldsvermutung bestärken sollte. Von einer solchen aber geht das westliche Kriegstreiberbündnis grundsätzlich nicht aus – nicht bei Ländern, die der Welt­sheriff zu »Schurkenstaaten« erklärt hat. US-Außenministerin Clinton schlug gegenüber Nordkorea einen Ton an, als wollte sie Monica Lewinsky den Marsch blasen. Sie sprach von einer »inakzeptablen Provokation«, die eine »entschlossene Antwort« erfordere. Wie diese auszusehen habe, müsse in Beratungen der USA mit Südkorea und Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates erörtert werden. Sie wäre wahrscheinlich schon erfolgt, gäbe es da nicht die mit der KDVR traditionell verbündete VR China.

Washington ist offenbar gewillt, die »internationale Gemeinschaft« – der Begriff allein schon ist zu einem Synonym für die Unterordnung der Staatenwelt unter das Diktat des Westens geworden – auf seine Konfrontationspolitik gegenüber Nordkorea zu vergattern. Noch hat sich China nicht festgelegt, will es »sorgfältig und gewissenhaft« die »Informationen von allen Seiten« prüfen. Es fragt sich freilich, wie belastbar die Beziehungen zwischen Peking und Pjöngjang noch sind.

Nordkorea ist von allen Staaten der am wenigsten angepaßte. Das äußert sich mitunter auch in einem etwas flegelhaften Verhalten. Kim Jong Il und die Seinen wissen jedoch auch um die Wirksamkeit der gezielten Provokation. Im Grunde aber bekommt der Westen aus Pjöngjang nur seine eigene Melodie vorgespielt.

Das in der KDVR entwickelte Sozialismusmodell ist als mißlungen zu bezeichnen; der im Lande herrschende Führerkult wirkt abstoßend. Wie aber kann sich das Land aus den Zwängen seiner deformierten Kommandowirtschaft befreien, ohne sein Recht auf einen eigenen Entwicklungsweg preiszugeben? Nicht der koreanische »Sozialismus« verdient Bewunderung, sondern der unbedingte Wille zur nationalen Selbstbestimmung. Darin sollte man das Land im Norden der koreanischen Halbinsel nicht allein lassen.

** Aus: junge Welt, 27. Mai 2010


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