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"Das Bild Südkoreas ist ziemlich trostlos"

Die Linke ist gespalten, der Gewerkschaftsbund gelähmt, reale Alternativen sind nicht in Sicht. Ein Gespräch mit Won Young-su *


Won Young-su lebt in Seoul und ist als unabhängiger Sozialist politisch und publizistisch aktiv. Er gehörte 1999 zu den Mitbegründern der marxistischen Gruppe Power of Working Class (PWC).


Ende Februar wurde die rechte südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye in ihr Amt eingeführt. Was bedeutet der Wahlsieg der Tochter des ehemaligen Militärdiktators Park Chung-hye?

Er zeigt, daß eine knappe, aber dennoch eindeutige Mehrheit der Koreaner eine konservative Regierung bevorzugt. Er spiegelt aber auch die wirtschaftliche Unsicherheit wider, die die Menschen in der gegenwärtigen Depression empfinden.

Park Chung-hye hat es verstanden, sich als verläßliche Führungspersönlichkeit zu präsentieren, sie konzentrierte sich auf ökonomische und praktische Fragen. Während sich die Opposition an unterschiedlichen Fragen festbiß, verkaufte sie den Leuten ein populistisch dargestelltes, angebliches Wohlfahrtssystem.

Welche Chancen hat die Vereinigte Demokratische Partei (UDP), die wichtigste Oppositionskraft?

Sie hatte vergeblich gehofft, die Parlamentswahl im Mai 2012 zu gewinnen, nachdem sich der stramm rechte Präsident Lee Myung-bak vor allem durch Mißwirtschaft diskreditiert hatte. Danach hatte sie Probleme, einen geeigneten Gegenkandidaten zu Park Chung-hye zu finden. Nach zwei Niederlagen steckt die UDP jetzt in einer Krise, da sie nicht imstande war, eine glaubwürdige Alternative zum Konservatismus anzubieten.

Die stärkste Kraft der radikalen Linken, die Vereinigte Progressive Partei (UPP) steckt ebenfalls in einer Krise. Warum?

Sie hatte sich dafür entschieden, Juniorpartner der UDP zu werden, statt eine unabhängige, linke Politik zu entwickeln. Hinzu kommt, daß die führende Fraktion dieser Partei, die zum Großteil der Nordkorea-treuen DLP angehörte, überführt wurde, 2012 bei der Kandidatenaufstellung Wahlbetrug begangen zu haben. Sie wollte jedoch keine Verantwortung dafür übernehmen und ging statt dessen dazu über, Parteiversammlungen zu stören. Es kam schließlich zur Spaltung, so daß die heutige UPP im wesentlichen auf Mitglieder der ehemaligen DLP reduziert ist. Sie sind aber politisch und gesellschaftlich isoliert.

Der radikale Flügel der Gewerkschaften und ein Teil der sozialen Bewegungen hatte Kim So-yeon ins Rennen um die Präsidentschaft geschickt. Obwohl sie als unabhängige Kandidatin nur 16 000 Stimmen bekam, denken manche, daß sie und ihre Unterstützer die Basis für einen Neubeginn der radikalen Linken sein könnten. Wie sehen Sie das?

Es ging in ihrem Wahlkampf eher darum, die radikale Linke als eine Bewegung sichtbar zu machen, die sich von der korrupten und undemokratischen UPP unterscheidet. Es bleibt abzuwarten, ob es gelingen wird, eine robuste, konsequent linke Kraft zu schaffen.

Wie ist der Zustand der Gewerkschaften? Ist der linke Gewerkschaftsbund KCTU stark genug, um sich gegen Unternehmer und Regierung zu wehren?

Der KCTU repräsentiert vor allem den kämpferischen Teil der Arbeiterklasse, er verliert aber an organisatorischer Fähigkeit zur Gegenwehr. Seine Führungsspitze war unfähig, die Direktwahl der obersten Gewerkschaftssekretäre zu organisieren und wurde übergangsweise durch einen neuen Vorstand ersetzt. Der aber befaßt sich in erster Linie mit den internen Wahlen. Die Unterstützung für die UPP wurde zurückgezogen, nachdem sie sich gespalten hatte.

Im Augenblick ist es daher ungewiß, ob der KCTU weiter Arbeitskämpfe anführen wird, von einem Generalstreik will ich gar nicht erst reden. Die Arbeiter in Südkorea haben keine parteipolitische Vertretung mehr, der Kollaps der UPP hat sie orientierungslos gemacht. Es ist also dringend nötig, wieder eine echte Arbeiterpartei aufzubauen. Und das wird nicht einfach sein, vor allem, nachdem sich Vertreter der Werktätigen und der einfachen Leute als korrupt und unmoralisch erwiesen haben.

Keine guten Aussichten …

Sicher, dieses Bild ist ziemlich trostlos. Doch wie immer geht der Kampf auch bei uns weiter. Trotz des populistischen Reizes der Park Geun-hye-Regierung werden die leeren Versprechungen und die neoliberalen Angriffe weiteren Massenwiderstand wecken.

Interview: Raoul Rigault

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 21. März 2013


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