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Nordkorea reaktiviert Reaktor

Pjöngjang will mehr Strom erzeugen und atomare Bewaffnung ausbauen

Von Knut Mellenthin *

Nordkorea will seinen Atomreaktor bei Yongbyon wieder in Betrieb nehmen. Das gab die staatliche Nachrichtenagentur KCNA am Dienstag bekannt. Sie berief sich dabei auf einen Sprecher der Atomenergiebehörde des Landes. Die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) hatte 2007 freiwillig der Stilllegung und teilweisen Demontage der Anlage zugestimmt. Im Gegenzug hatten sich die USA zur Lieferung von Treibstoff verpflichtet.

Die DVRK ließ damals zwar den Kühlturm des Reaktors zerstören, doch löste Washington seinen Teil der Abmachungen nicht vollständig ein. Die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), die die Stilllegung des Reaktors überwachen sollten, wurden im April 2009 ausgewiesen. Die DVRK reagierte damit auf eine Sanktionsresolution des UN-Sicherheitsrats. Schon damals hatte Nordkorea die Reaktivierung der Anlage angekündigt. Internationale Experten rechnen jetzt damit, daß es ungefähr sechs Monate dauern wird, bis Yongbyon wirklich wieder in Betrieb genommen werden kann. Dieser Zeitraum könnte sich jedoch verkürzen, falls die Nordkoreaner insgeheim schon Vorbereitungen für die Wiederherstellung des Reaktors getroffen hätten.

Die aktuelle Entscheidung für die Reaktivierung begründete der Sprecher der nordkoreanischen Behörde sowohl mit der Notwendigkeit, zusätzlichen Strom zu erzeugen, als auch mit der am Wochenende vom Zentralkomitee der Arbeiterpartei beschlossenen Absicht, die nukleare Militärtechnik »auszuweiten und sowohl qualitativ als auch quantitativ zu stärken«. Der Reaktor hatte den Grundstoff für die beiden ersten atomaren Versuchsexplosionen der DVRK in den Jahren 2006 und 2009 geliefert. Die damals getesteten Waffen enthielten Plutonium, das aus verbrauchten Brennstäben gewonnen worden war. Nach unterschiedlichen Schätzungen könnte Nordkorea derzeit sechs bis acht Atomwaffen besitzen und noch über Plutonium für vier bis acht weitere verfügen. In Yongbyon könnte, wenn die Anlage wieder läuft, jährlich genug Plutonium für eine Bombe produziert werden.

Spekulationen ranken sich um die Möglichkeit, daß die DVRK vielleicht auch eine Anlage zur Anreicherung von Uran betreibt und sich damit einen zweiten Weg zum Bau von Atomwaffen verschafft hat. Der US-amerikanische Atomwissenschaftler Siegfried Hecker, der 2010 Nordkorea besuchte, kam mit der Information seiner Gastgeber zurück, daß sie eine Anreicherungsanlage in Betrieb genommen hätten, in der mehrere Tausend Zentrifugen installiert seien. Beweise für diese Behauptung bekam der frühere Direktor des Atomforschungszentrums in Los Alamos jedoch nicht zu sehen. Die nordkoreanische Führung ist bekannt dafür, ein übertriebenes Bild ihrer militärtechnischen Möglichkeiten zu zeichnen.

In diesem Sinn sind auch die Meldungen zu sehen, daß Partei- und Staatsführer Kim Jong Un in der Nacht vom Freitag auf Sonnabend einen militärischen Operationsplan gebilligt habe, der in Kraft treten soll, sobald die USA »Provokationen mit umfangreichen strategischen Kräften« unternehmen. In diesem Fall seien die nordkoreanischen Streitkräfte angewiesen, »gnadenlose Schläge« gegen das US-amerikanische Festland und gegen die Militärstützpunkte der USA im Pazifik, »einschließlich Hawaii und Guam« sowie in Südkorea zu richten. Kim wurde in diesem Zusammenhang von KCNA auch mit dem Satz zitiert, die Zeit sei gekommen, »mit den US-Imperialisten abzurechnen«. Indessen deutet nichts, was von nordkoreanischer Seite veröffentlicht wurde, auf offensive Absichten hin. Die US-Regierung hat in den letzten Tagen die Stimmung angeheizt, indem sie Flugzeuge, die mit Atomwaffen ausgerüstet werden können, in Südkorea stationieren ließ. Darunter sind »Tarnkappen«-Bomber der Typen F-22 und B-2. Am Montag gab die Marine der USA die Verlegung des Kriegsschiffs McCain nach Korea bekannt. Der Zerstörer ist mit dem Raketenabwehrsystem Aegis ausgerüstet.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 3. April 2013


Nordkorea will Reaktor in Yongbyon reaktivieren

Stärkung von Atomstreitmacht und Stromversorgung **

Im zugespitzten Korea-Konflikt will die Führung in Pjöngjang einen vor Jahren abgeschalteten Kernreaktor wieder in Betrieb nehmen.

Mit dem Mini-Reaktor im Nuklearzentrum Yongbyon könnte Nordkorea nach Meinung von Experten wieder waffentaugliches Plutonium produzieren. Neben Südkorea äußerte Nordkoreas traditioneller Verbündeter China sein Bedauern über die Ankündigung vom Dienstag. Peking rief alle Parteien zum Dialog auf.

Die Beteiligten sollten ruhig bleiben und sich zurückhalten, sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Hong Lei. »Die Situation auf der Halbinsel ist derzeit heikel und schwierig. « Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich sehr beunruhigt. »Die Krise ist schon zu weit fortgeschritten. Nukleare Drohungen sind kein Spiel«, sagte der Südkoreaner in Andorra.

Sämtliche Anlagen in Yongbyon, wie der Fünf-Megawatt-Reaktor und eine Anlage zur Urananreicherung, sollen »neu gestartet« werden, zitierten die nordkoreanischen Medien die Generalabteilung für Atomenergie. Der Reaktor ist im internationalen Vergleich sehr klein. Neue Meiler leisten über 1000 Megawatt. Fünf Megawatt erbringen mittlerweile schon die größten Windräder in Deutschland. Nordkorea verfügt derzeit über keinen aktiven Atomreaktor.

Im Bau ist ein Leichtwasserreaktor in Yongbyon, der nach nordkoreanischen Angaben Strom produzieren soll.

Gemäß dem Beschluss des Zentralkomitees der Partei der Arbeit vom Sonntag soll mit dem Schritt zum einen »die Nuklearstreitmacht in Qualität und Quantität « verstärkt, zum anderen die akute Stromknappheit im Land behoben werden. Die Führung in Pjöngjang fordert seit Langem, von den USA und der internationalen Staatengruppe als Atommacht anerkannt zu werden.

Wann der veraltete Reaktor wieder in Betrieb genommen werden könnte, wurde nicht gesagt. Die Arbeit werde »ohne Verzögerung « beginnen, hieß es. Im Rahmen einer Vereinbarung von 2007 zwischen Nordkorea, den USA, China, Südkorea, Japan und Russland waren wesentliche Teile der Atomanlagen im 90 Kilometer nördlich von Pjöngjang liegenden Yongbyon unbrauchbar gemacht worden. Nordkorea hatte jedoch 2009 erklärt, in Yongbyon wieder abgebrannte Atombrennstäbe erfolgreich aufbereitet zu haben.

Nach Schätzung von Experten verfügt Nordkorea über einen Plutoniumbestand für vier bis acht Bomben. Unklar ist, ob das Land bei seinem dritten unterirdischen Atomtest im Februar einen Sprengsatz aus Uran oder Plutonium verwendet hat.

In Yongbyong befindet sich auch eine Anreicherungsanlage für Uran. Damit wäre Nordkorea nach Einschätzung der US-Organisation Arms Control Association derzeit in der Lage, hoch angereichertes Material für eine oder zwei Bomben pro Jahr zu produzieren.

Die jüngste Ankündigung aus Pjöngjang folgt auf eine Reihe von Kriegsdrohungen gegen Südkorea und die USA. Damit reagierte Nordkorea unter anderem auf die Ausweitung von UN-Sanktionen wegen des Atomtests im Februar und auf südkoreanisch-amerikanische Militärübungen.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 3. April 2013


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