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Nordkorea nimmt Reaktor vom Netz

Erste Schweröllieferung für KDVR unterwegs

Von Daniel Kestenholz, Bangkok *

Nach jahrelangem diplomatischem Gerangel und Drohgebärden von allen Seiten wird Nordkorea nächste Woche mit der Stilllegung seines Hauptatomreaktors bei Yongbyon beginnen.

Laut Mohammed al-Baradei, Chef der UN-Atombehörde IAEA, werden UNO-Inspekteure ab Montag die Einmottung von Yongbyon überwachen. Er erwarte einen »reibungslosen« Prozess. Man installiere Kameras und andere Überwachungsgeräte, was alles in allem »in etwa einem Monat« abgeschlossen sein dürfte. Nordkorea würde damit seine erste Verpflichtung unter dem Pekinger Atomabkommen vom 13. Februar erfüllen.

Als erste Gegenleistung in diesem Abkommen, bei dem Vertragserfüllungen gleich mit Gegenleistungen honoriert werden sollen, hat in Südkorea ein Ölfrachter mit 6200 Tonnen Schweröl an Bord Anker gelichtet. Der Frachter wird Nordkorea am Sonnabend nach einer 38-Stunden-Reise erreichen. Die gesamte erste 50 000-Tonnen-Hilfstranche soll in zwanzig Tagen ausgeliefert sein – was gleich den Zeitpunkt markieren dürfte, zu dem Nordkorea Yongbyon offiziell vom Netz nimmt. Nordkoreas offizielles Sprachrohr, die Nachrichtenagentur KCNA, ließ jedoch durchblicken, dass man eine Abschaltung bereits bei einem Teilerhalt des Schweröls erwäge.

Zum schleppenden, jetzt in Gang kommenden Abrüstungsprozess Nordkoreas wird auf allen Seiten sachter Optimismus geäußert, auch wenn unverbesserliche Falken wie John R. Bolton, Bushs geschasster Mann im UNO-Sicherheitsrat, Washington vorwerfen, sich von Pjöngjang einlullen zu lassen. Nordkorea werde alle erdenkliche Hilfe einfordern, »ohne im Austausch etwas Substanzielles aufzugeben«, so Bolton im »Wall Street Journal«.

Vom sogenannten Schurkenstaat Nordkorea an den Verhandlungstisch und zu Direktgesprächen bewegt zu werden, mag für die USA wie ein Kniefall ausschauen, den man aber als Sieg feiert. Die Abrüstungsexpertin Leonor Tomero, Direktorin vom Washingtoner Zentrum für die Nichtverbreitung von Atomwaffen, hält Bolton seinerseits die Kosten seiner gescheiterten harten Linie entgegen: Nordkorea habe von 2002 bis 2006 genügend waffenfähiges Plutonium für mutmaßlich zehn Atomsprengköpfe anreichern können und im Oktober seine erste Bombe gezündet. Nordkorea habe laut UNO-Inspekteuren überdies seine Produktionsanlagen für Atomwaffenmaterial aufgerüstet, was einzig und allein der Absenz dieser Inspekteure zu verdanken sei, die wegen des giftigen Streits zwischen den USA und Nordkorea fast fünf Jahre lang nicht im Land waren.

In ehrlicher Absicht mit einem feindlichen Land zu verhandeln, möge laut Herrn Bolton »widerlich« sein, so Tomero. Das sei aber »effektive Diplomatie«, die übrigens unter der Reagan-Ära den Fall des »Reichs des Bösen« eingeleitet habe.

* Aus: Neues Deutschland, 13. Juli 2007


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