Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kims Rakete abgestürzt

Dennoch Empörung über nordkoreanischen Satellitenstart

Von Detlef D. Pries *

Der »Helle Stern« ist abgestürzt, bevor er zu leuchten begann. Der nordkoreanische Versuch, einen Beobachtungssatelliten ins All zu befördern, scheiterte am Freitag bereits kurz nach dem Raketenstart. Dennoch wurde der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengerufen.

Am Freitagmorgen, fünf Sekunden vor 7.39 Uhr Ortszeit (0.39 Uhr MESZ), sei die Rakete mit dem Satelliten Kwangmyongsong-3 (Heller Stern) vom Kosmodrom Sohae in der Provinz Nord Pjongan gestartet. »Der Erdbeobachtungssatellit hat die geplante Umlaufbahn nicht erreicht. Wissenschaftler, Techniker und Experten untersuchen nun die Gründe des Fehlschlags«, hieß es in einer lakonischen Mitteilung der Nachrichtenagentur KCNA.

Zwei Minuten nach dem Start sei die Rakete in 151 Kilometer Höhe explodiert, meldeten ausländische Beobachtungsstationen. Die Trümmer seien etwa 200 Kilometer von der südkoreanischen Küste entfernt ins Gelbe Meer gestürzt. Südkoreas Kriegsmarine suche an der Absturzstelle nach Bruchstücken.

Der Versuch der nordkoreanischen Führung, sich anlässlich des 100. Geburtstages des »ewigen Präsidenten« Kim Il Sung am 15. April als Weltraumnation zu präsentieren, ist also fehlgeschlagen. Der Satellit sollte zwei Jahre lang unter anderem Wälder und Wetter auf der Koreanischen Halbinsel beobachten. Die USA und ihre Verbündeten argwöhnten indes, der Raketenstart sei ein Test im Rahmen des nordkoreanischen militärischen Atomprogramms. Von einem »provokativen Akt« war die Rede und einem »klaren Verstoß gegen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates«.

Tatsächlich verabschiedete der Sicherheitsrat im Juni 2009 nach einem nordkoreanischen Atomtest die Resolution 1874, in der Pjöngjang aufgefordert wird, alle Atomwaffen und Nuklearprogramme »vollständig, nachweisbar und unwiderruflich aufzugeben«, aber auch zivile Tests »unter Verwendung ballistischer Raketentechnologie« zu unterlassen. Die Führung der KDVR sieht sich dadurch jedoch ungerecht behandelt. Nachbar Japan hatte erst am 12. Dezember vergangenen Jahres vom Weltraumzentrum Tanegashima einen Beobachtungssatelliten ins All befördert, den die Presse als Spionagesatellit bezeichnete.

Trotz des Fehlschlags rief der nordkoreanische Raketenstart harsche Kritik hervor. NATO-Sprecherin Oana Lungescu befand, die Aktion untergrabe die Bemühungen um eine Verringerung der Spannungen in der Region. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton äußerte sich »tief besorgt« über das »gefährliche und destabilisierende« Vorgehen Pjöngjangs.

Der UN-Sicherheitsrat wollte sich noch am Freitag in einer Dringlichkeitssitzung mit dem Fall beschäftigen. Erwartet wurde eine formelle Verurteilung Nordkoreas. Russlands Außenminister Sergej Lawrow »bedauerte« das Vorgehen Pjöngjangs zwar, schloss aber neue Sanktionen gegen das Land aus. Alle Beteiligten müssten ein »Höchstmaß an Verantwortung und Zurückhaltung zeigen« und Anstrengungen für eine Wiederaufnahme der Sechs-Staaten-Gespräche über Nordkoreas Atomprogramm unternehmen, sagte Lawrow nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus China und Indien am Freitag in Moskau.

Nach Angaben südkoreanischer Geheimdienste, die gewiss mit Vorsicht zu behandeln sind, hat das missglückte Unternehmen die KDVR 850 Millionen Dollar gekostet. Die Summe hätte ausgereicht, Nordkoreas Bevölkerung ein Jahr lang zu ernähren.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 14. April 2012


Ins Wasser gefallen

Nordkoreanischer Satellit kurz nach dem Start abgestürzt. Washington stellt Lebensmittelhilfe in Frage

Von Rainer Matthias **


Rußland hat sich dagegen ausgesprochen, gegen Nordkorea nach dem Fehlstart eines Weltraumsatelliten am Freitag neue Strafmaßnahmen zu verhängen. Zwar habe die Demokratische Volksrepublik mit dem Abschuß der Rakete, die nach einer Minute zerbrochen und ins Meer gefallen war, gegen mehrere Resolutionen des UN-Sicherheitsrats verstoßen, sagte Außenminister Sergej Lawrow. Das müsse von dem Gremium beraten und beantwortet werden, doch müsse die Reaktion »verhältnismäßig« und »verantwortlich« ausfallen. »Wir glauben nicht an Sanktionen, sie wären zur Lösung des Konfliktes nicht hilfreich«, setzte Lawrow hinzu.

Zuvor hatte Rußland im Rahmen der G-8-Außenminister eine Stellungnahme mitgetragen, in der der versuchte Satellitenstart als »Untergrabung von Frieden und Sicherheit in der Region« verurteilt wird. Der Achtergruppe der führenden Industrienationen gehören auch die USA, Japan, Deutschland, Großbritannien, Kanada, Frankreich und Italien an.

China, das als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats dort ein Vetorecht hat, reagierte deutlich zurückhaltender. Peking sei über die Vorgänge »sehr besorgt«, sagte der chinesische UN-Botschafter Li Baodong. Zugleich ermahnte er die Staatengemeinschaft, »alles nur Mögliche zu tun, um die Spannung abzubauen, statt die Lage dort anzuheizen«. Der Rat trat am Freitag vormittag (Ortszeit) in New York zusammen. Eine Entschließung lag bei Redaktionsschluß noch nicht vor.

Die US-Regierung hatte zuvor den Startversuch als »provokatorische Aktion« verdammt. Nach Ansicht Wa­shingtons hat die DVRK damit nicht nur gegen UN-Resolutionen, sondern auch gegen ein freiwilliges Moratorium verstoßen. Pjöngjang hatte am 29. Februar angekündigt, vorläufig auf Atomwaffen- und Raketentests zu verzichten und die Anreicherung von Uran zu unterbrechen. Dabei soll es sich um vertrauensbildende Maßnahmen zur Erleichterung der internationalen Gespräche über das nordkoreanische Atomprogramm handeln. Beteiligt sind daran die USA, China, Rußland, Südkorea und Japan. Die DVRK hatte 2009 die Verhandlungen abgebrochen, bemüht sich aber schon seit einiger Zeit, sie wieder in Gang zu bringen. Das wird jedoch von Südkorea und den USA blockiert.

Gleichzeitig mit dem Moratorium, wenn auch nicht als offizielles Tauschgeschäft, hatte Washington die Lieferung von 240000 Tonnen »Nahrungsmittelhilfe« nach Nordkorea versprochen. Diese Zusage, deren Einlösung noch nicht begonnen hat, wird jetzt von US-Politikern in Frage gestellt.

Die Demokratische Volksrepublik hatte den Satellitenstart als Beitrag zu den umfangreichen Feiern anläßlich des 100. Jahrestags der Geburt von Staatsgründer Kim Il Sung, die ihren Höhepunkt am Sonntag erreichen sollen, geplant. Nordkorea hatte zuvor schon zweimal, 1998 und 2009, versucht, künstliche Erdtrabanten ins All zu schießen. Nach westlichen und russischen Erkenntnissen waren auch diese Unternehmen erfolglos verlaufen.

** Aus: junge Welt, Samstag, 14. April 2012

Launch of DPR Korea’s satellite ‘deplorable,’ says Ban

13 April 2012 – Despite its failure, the launch of a so-called ‘application satellite’ by the Democratic People’s Republic of Korea (DPRK) is “deplorable,” Secretary-General Ban Ki-moon said today, and urged the country to not undertake further actions that could increase tension in the region. http://www.un.org Early this morning, DPRK authorities launched the satellite, but, according to media reports, it flew less than two minutes before exploding and crashing into the waters of the Korean peninsula. http://www.un.org The Secretary-General said the launch “defies the firm and unanimous stance of the international community” and threatens regional stability, according to statement issued by his spokesperson. http://www.un.org Mr. Ban has consistently been calling on the DPRK Government to reconsider its decision to launch the satellite, noting that it violates the Security Council resolution 1874 of 2009, which bans “any launch using ballistic missile technology.” That resolution imposed additional sanctions on DPRK after previous demands that the country not conduct any further nuclear or missile tests went unheeded. http://www.un.org In the statement, Mr. Ban reaffirmed his commitment to work for peace and stability on the Korean peninsula and help the people of the DPRK, in particular, by addressing the serious food and nutrition needs of the most vulnerable. http://www.un.org “The Secretary-General renews his call on the DPRK authorities to work towards building confidence with neighbouring countries and improving the life of its people,” the statement said.

Source: United Nations, News Centre, 13 April 2012; www.un.org



Schatten über dem »Tag der Sonne«

Im Norden Koreas wird am Sonntag der 100. Geburtstag des »ewigen« Präsidenten Kim Il Sung begangen

Von Peter Kirschey ***


Der »Tag der Sonne«, zu dem der bevorstehende 100. Geburtstag Kim Il Sungs in Nordkorea erklärt worden war, wird durch den missglückten Satellitenstart vom Freitag überschattet. Für die Bevölkerung ändert sich dadurch allerdings wenig.

Als Kim, der Älteste, am 8. Juli 1994 im Alter von 82 Jahren starb, war er von seinen Getreuen schon längst in den Stand eines Überirdischen erhoben worden: Kim Il Sung, der Mann, der die Welt auf einzigartige Weise verändert, das Tor zu einem neuen Zeitalter aufgestoßen, mit der Dschutsche- Ideologie eine Weltreligion geschaffen hatte, die den geknechteten Völkern der Erde den Weg in eine lichte Zukunft zeige. Der Start eines weiteren Satelliten in das Weltall anlässlich seines 100. Geburtstages sollte zum weithin leuchtenden Symbol eines modernen aufstrebenden Nordkoreas werden, zum Höhepunkt der monatelangen Vorbereitungen auf die Geburtstagsfeiern am 15. April.

Wie weit Wirklichkeit und Propaganda auseinanderliegen, lässt sich an kaum einem anderen Ort deutlicher erleben als in Pjöngjang, wo seit Wochen Tausende Hauptstädter, Soldaten und Kinder vom frühen Morgen bis in den späten Abend trainieren, um am Sonntag ein einzigartiges Spektakel zu veranstalten. Doch hinter der Kulisse aus paradierenden Militärs, bunten Bildern, Fahnen und jubelnden Massen verbirgt sich ein armes, weitgehend isoliertes, aber hochgerüstetes Land, dessen Führung durch Säbelrasseln und Drohungen mit einem »heiligen Krieg« nordkoreanischer Prägung gegen den Süden Aufmerksamkeit in der Welt zu erringen sucht.

Kim Il Sung hatte am 9. September 1948 im Nordteil der nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Besatzungsmächte USA und Sowjetunion geteilten Koreanischen Halbinsel die Demokratische Volksrepublik Korea proklamiert. Bereits am 15. August hatte eine von den USA installierte Regierung im Süden die Republik Korea ausgerufen. Beide Staaten erhoben den Anspruch, das einzig rechtmäßige Korea zu sein. Der Versuch, die Vereinigung gewaltsam zu erzwingen, führte zwischen 1950 und 1953 zu einem Krieg mit Millionen Toten, der zum Weltkrieg auszuufern drohte, schließlich aber mit einem bis heute gültigen Waffenstillstand endete.

Der heiße Krieg hatte beide Landesteile verwüstet, sie gehörten danach zu den ärmsten Regionen der Welt. Dank einer geschickt praktizierten Neutralität im erbitterten Streit zwischen der Sowjetunion und China brachte es Nordkorea immerhin zu bescheidener wirtschaftlicher Kraft. Kim Il Sung trieb seine Landsleute zu immensen Anstrengungen an, forcierte den Aufbau der Schwerindustrie, nahm von allen, grenzte sich von allen ab und arbeitete schon früh an dem Mythos, dass Nordkorea ein einzigartiges Land sei, das über besondere Kräfte verfüge. Derweil der Süden noch in halbfeudalem Schlaf lag, glaubte Kim, die Erde liege ihm zu Füßen. Seine Schriften, von den diplomatischen Vertretungen Nordkoreas verbreitet, überschwemmten die Welt und propagierten ihn als neuen Messias für die unterdrückten Völker. Im Lande selbst konzentrierte sich alle Macht in den Händen des großen Führers und geliebten Präsidenten Kim Il Sung.

Das sollte sich unter seinem Sohn und Nachfolger Kim Jong Il fortsetzen. Doch die Welt hatte sich inzwischen grundsätzlich verändert. Das sozialistische Lager hatte aufgehört zu existieren, Geschenke und günstige Lieferungen blieben aus, während der Erzfeind im Süden zu einer Wirtschaftsmacht aufgestiegen war. Pjöngjang geriet in immer größere Isolation und begann einen gewaltsamen, von außen geschürten »Regimewechsel « zu fürchten. Um dem zu entgehen, setzten die Machthaber aufs Militär. Gnadenlose Aufrüstung und ein Massenheer bilden die Grundlage des Systems; andere Bereiche, darunter die Landwirtschaft, verfielen. Seit Jahren ist Nordkorea auf Nahrungsmittellieferungen angewiesen. Doch hat das die Führung nicht zum Umdenken veranlasst. Sie glaubt, als Atommacht unangreifbar zu sein.

Die Hoffnung, dass der jüngste »oberste Führer« Kim Jong Un andere Akzente setzt, hat sich bisher nicht erfüllt. Er werde die revolutionären Ideen des »Kimilsungismus- Kimjongilismus« hochhalten, hieß es diese Woche in der Meldung über seine Wahl zum Ersten Sekretär der Partei der Arbeit Koreas. Und der Bevölkerung wurde die Losung verschrieben: »Solange wir dem teuren, geachteten Genossen Kim Jong Un folgen, sind uns Freuden und Sorgen und Härten eine Ehre.«

*** Aus: neues deutschland, Samstag, 14. April 2012


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