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Raketenstart und Parteikonferenz in Pjöngjang

Nordkorea bereitet sich auf den 100. Geburtstag Kim Il Sungs vor

Von Peter Kirschey *

Mit einem Paukenschlag will die nordkoreanische Führung den 100. Geburtstag des 1994 verstorbenen »ewigen« Präsidenten der KDVR, Kim Il Sung, begehen: Pjöngjang kündigt den Start eines »Nutzsatelliten« mit Namen »Kwangmyongsong-3« an. Südkorea und Japan reagieren besorgt bis empört.

Der Satellit, laut Nachrichtenagentur KCNA aus eigener Produktion, soll zwischen 12. und 16. April in die Erdumlaufbahn geschossen werden. Eine neue Offenheit scheint das Land seit dem Machtantritt Kim Jong Uns zu regieren. Viele Angaben zu Einzelheiten des bevorstehenden Starts sollen der Welt das Gefühl vermitteln, es handele sich bei dem Experiment um den Alltag einer Weltraumnation. »Kwangmyongsong-3« solle der Beobachtung und Erforschung der Erdoberfläche dienen, heißt es. Die Trägerrakete trägt den Namen »Unha-3«, der Abschuss soll auf einem Startplatz im Kreis Cholsan am Japanischen Meer - in beiden koreanischen Staaten Westmeer genannt - in Richtung Süden erfolgen. Der eigenen Bevölkerung wird in diesen Tagen suggeriert, das Land stehe im Mittelpunkt des Weltinteresses, denn es werde »das Tor zu einem neuen Zeitalter aufstoßen«.

Tatsächlich wird der geplante Raketenstart in Südkorea und Japan heftig kritisiert, die Nachbarn sehen darin einen Test im Rahmen des nordkoreanischen Atomprogramms. Tokio hat sich gar den Abschuss der nordkoreanischen Rakete vorbehalten, falls davon eine Gefahr für Japan ausgehen sollte. Eine Teilnahme offizieller japanischer Vertreter an dem Satellitenstart bezeichnete ein Regierungssprecher in Tokio als »unangebracht«. Immerhin bestätigte er damit, dass eine Einladung aus Pjöngjang vorliegt.

Zur medialen Offensive vor dem 100. Geburtstag Kim Il Sungs am 15. April passen auch die gehäuften Meldungen über den »normalen« nordkoreanischen Alltag. Wurden in vergangenen Jahren fast ausschließlich Nachrichten veröffentlicht, die den jeweiligen Führer bei einer »Vor-Ort-Anleitung« in Betrieben oder Militäreinheiten darstellten, werden jetzt regelmäßig auch Beiträge zu Wissenschaft, Kultur, Architektur und Lebensweise publiziert. Vorgestellt wurde beispielsweise eine »Samhunger Gesellschaft für den geistigen Informationsaustausch«, die sich mit Urheberrecht und dem Schutz geistigen Eigentums beschäftigt. Das Vereinigte Stahlwerk Chollima in der Stadt Nampho wurde porträtiert, ohne dass ein Führer zur Anleitung dort gewesen wäre. Angaben zu Produktionsmengen, Mitarbeitern, Arbeits- und Lebensbedingungen bleiben allerdings nebelhaft. Ähnlich bei einem Bericht über die Pjöngjanger Entbindungsklinik, einen 13-stöckigen Bau mit mehr als 2000 Räumen und 1500 Betten, davon 500 Betten für Säuglinge. Nur eines ist auf den Fotos vom Geburtenpalast nicht zu sehen: Babys. Man erfährt, dass es einen Koreanischen Verband für Naturschutz gibt, dass das Seilspringen seit dem 14. Jahrhundert ein beliebter Volkssport ist und dass in Pjöngjang ein Zentrum für Lichtdekoration existiert, das monumentale Bauwerke künstlerisch illuminiert.

Für den neuen Mann an der Spitze der KDVR, Kim Jong Un, wurde inzwischen eine Sprachregelung gefunden. Zunächst als »oberster Lenker« bezeichnet, wird er jetzt als »oberster Führer und oberster Befehlshaber der Koreanischen Volksarmee« tituliert. Während Großvater Kim Il Sung als »ewiger Präsident« in die Annalen eingegangen ist, wird dessen Sohn Kim Jong Il als »großer Mann aller Zeiten« bedacht. Vermutet wird, dass Kim Jong Un auf einer Delegiertenkonferenz der Partei der Arbeit Koreas am 11. April auch formal zum Nachfolger seines Vaters als Generalsekretär der Partei ernannt wird.

Des schwersten Verbrechens in den Augen der Führung in Pjöngjang hat sich derweil Südkoreas Präsident Lee Myung Bak schuldig gemacht: Er ließ zu, dass in Einheiten der südkoreanischen Armee die Porträts Kim Il Sungs und Kim Jong Ils als Zielscheiben für Schießübungen benutzt wurden. Offiziere und Soldaten der KVA drohten daraufhin mit einem »Heiligen Krieg koreanischer Prägung«. In einem Schreiben kündigten sie an, »die Landesverräterbande, die die höchste Würde der Republik verleumdet und verletzt hat, von diesem Boden ganz wegzufegen«. Bisher blieb es glücklicherweise bei der Drohung.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 4. April 2012


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