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Nach dem Konzert begann eine kleine Seeschlacht

Schüsse gegen neue Verhandlungsrunde Nordkorea-USA? / Deutschland rüstet Südkorea mit modernsten U-Booten auf

Von René Heilig *

Kriegsschiffe aus Nord- und Südkorea haben sich seit sieben Jahren erstmals wieder ein Feuergefecht im Gelben Meer geliefert. Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld für den Zwischenfall. Begegneten sich da nur zwei durchgeknallte Kapitäne?

Generalsekretär Kim Jong Il und seine uniformierte Begleitung waren begeistert. Die Sänger gaben ihr Bestes. »Lasst uns den Sozialismus verteidigen«, sang ein Chor. Dieser Darstellung der KDVR-Nachrichtenagentur folgte recht bald ein kleiner Ernstfall – draußen im Gelben Meer, dort wo Nord- und Südkorea den Verlauf der Grenze gegeneinander definieren.

Der Vorfall ereignete sich am Dienstag um 11:28 Uhr Ortszeit (03:28 Uhr MEZ), als ein südkoreanisches Kriegsschiff wegen einer angeblichen Grenzverletzung durch ein nordkoreanisches Marinefahrzeug Granaten losfeuerte. Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtet, zunächst seien Warnschüsse abgegeben worden. Als keine Reaktion erfolgte, habe der Kommandant (Süd) scharf schießen und der Kommandant (Nord) das Feuer erwidern lassen. Unklar ist, ob es Opfer gegeben hat. Der Generalstab der südkoreanischen Streitkräfte bestätigte Angaben, nach denen das nordkoreanische Schiff schwer beschädigt worden sei. Die südkoreanische Marine gab an, weder Verletzte oder Tote noch Schäden am eigenen Schiff zu haben. Was auch nicht ganz stimmen kann, denn – so US-Geheimdienstinformationen – nach der Zwei-Minuten-Seeschlacht seien auf dem südkoreanischen Schiff 15 Einschusslöcher gezählt worden.

In den vergangenen zehn Jahren kam es zwischen beiden Staaten bereits zwei Mal zu Seegefechten. Dabei gab es Tote. Die Zusammenstöße 1999 und 2002 entlang der sogenannten Northern Limit Line ereigneten sich jeweils im Juni zum Höhepunkt der dreimonatigen Krabbensaison, in der die Fischereiflotten beider Länder um die größten Schwärme konkurrieren.

Nun jedoch könnte es um mehr als nur um Krabben gehen. Die Führung in Pjöngjang hatte sich unlängst grundsätzlich bereit erklärt, abermals Verhandlungen über ihr Atomwaffenprogramm aufzunehmen. Partner sollten – wie gehabt – die USA, Südkorea, China, Japan und Russland sein. Als Voraussetzung nannte Kim Jong Il allerdings bilaterale Gespräche mit den USA. Die Volksrepublik sucht Anerkennung nicht aus zweiter Hand. Der US-Präsident will auch direkt mit Nordkorea beraten. Monatelang haben Unterhändler um diese Position gerungen. Ergebnis: Barack Obama würde den Sondergesandten Stephen Bosworth zu Gesprächen nach Pjöngjang schicken.

So hieß es jedenfalls am Montagabend. Da saß der geliebte Führer noch im Konzert und die südkoreanische Marine hatte die Rohre noch nicht geladen.

Obama wird am heutigen Mittwoch nach Asien fliegen, Japan, Singapur, China und Südkorea besuchen. Nordkorea sollte ein zentrales Thema sein. Nun ist es wohl die ganze Region.

Interessant, dass die in Vereinigungseuphorie befindliche Berliner Regierung bis gestern Nachmittag mit keinem Wort Bezug auf den Vorfall genommen hat. Das mag mit wirtschaftlichen Interessen und der Tatsache zu tun haben, dass unser Land – wider geltende Verordnungen – Waffen in das Spannungsgebiet liefert. Gerade Südkoreas ohnehin topmoderne Marine ist Abnehmer. Ende 2000 hat Seoul erstmals drei U-Boote der Klasse 214 bestellt und auf eigenen Werften zusammengeschweißt.

Das Geschäft blüht. Im Dezember 2008 wurde von den Howaldtswerken-Deutsche Werft und der MarineForce International LLP ein Vertrag über die Lieferung von sechs weiteren Materialpaketen unterzeichnet. Die U-Boote sind das weltweit Modernste, was es auf konventionellem Gebiet gibt.

* Aus: Neues Deutschland, 11. November 2009


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