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Scharfe Munition

Südkorea hält an Militärübung in Seegebiet an der Grenze fest. Nordkorea signalisiert Flexibilität im Atomstreit

Von Knut Mellenthin *

Eine südkoreanische Militärübung, bei der scharfe Artilleriemunition eingesetzt wurde, endete am Montag nach nur 90 Minuten ohne Zwischenfälle. Zuvor hatte es eine scharfe Warnung Nordkoreas gegeben, weil das Schießen auf einer Insel stattfand, die in einem von beiden Seiten beanspruchten Seegebiet liegt. Auf ein vorausgegangenes ähnliches Manöver hatten die nordkoreanischen Streitkräfte am 23. November mit dem Beschuß der Insel Jeonpjeong reagiert. Dabei waren zwei Bewohner und zwei dort stationierte südkoreanische Soldaten ums Leben gekommen. Auch diesmal hatte die Volksrepublik (KDVR) mit »harten Konsequenzen« gedroht, falls der Süden an seiner »gefährlichen Provokation« festhalten sollte. Nach Abschluß des Schießens erklärte die Regierung in Pjöngjang jedoch, das südkoreanische Verhalten sei »keiner Reaktion wert«. China und Rußland hatten am Wochenende ebenfalls versucht, Südkorea von der Militärübung auf der Insel abzuhalten. Dagegen rechtfertigte die US-Regierung das Scharfschießen als »legitimes Recht auf Selbstverteidigung«.

Die von Pjöngjang nicht anerkannte Seegrenze verläuft in diesem Gebiet so, daß sie mehrere dicht vor der nordkoreanischen Küste liegende Inseln einschließt. Südkorea provoziert in der betroffenen Zone seit Jahren mit dem Einsatz von Kriegsschiffen und Gewaltaktionen gegen nordkoreanische Fischer. Festgelegt wurde die Seegrenze am 30. August 1953 eigenmächtig von US-General Mark Wayne Clarke, der im Koreakrieg das Oberkommando über die nominell unter dem Mandat des UN-Sicherheitsrats stehenden Interventionstruppen hatte. Diese kamen zwar aus mindestens 17 Ländern, bestanden aber zu über 90 Prozent aus Angehörigen der US-Streitkräfte. Das am 27. Mai 1953 geschlossene Waffenstillstandsabkommen hatte lediglich den Verlauf der Landgrenze zwischen beiden Teilen Koreas festgelegt.

Am Sonntag (19. Dez.) war eine von Rußland beantragte Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates ohne Einigung zu Ende gegangen. Moskau hatte zweierlei erreichen wollen: Erstens einen gemeinsamen Appell an beide koreanische Staaten, auf eine weitere Verschärfung der Spannungen zu verzichten; zweitens die Ernennung eines UN-Sonderbeauftragten für Vermittlungsgespräche zwischen Seoul und Pjöngjang. Großbritannien brachte einen Gegenantrag ein, der eine Verurteilung der KDVR sowohl wegen des Zwischenfalls vom 23. November als auch wegen des immer noch ungeklärten Untergangs eines südkoreanischen Kriegsschiffs am 26. März vorsah. Seoul behauptet mit Unterstützung der USA, daß das Schiff vom Torpedo eines nordkoreanischen U-Bootes getroffen worden sei. Rußland und China halten jedoch die von Südkorea präsentierten Indizien nicht für beweiskräftig.

Indessen kehrte der Gouverneur des US-Bundesstaates New Mexico, Bill Richardson, der am Wochenende ohne offiziellen Auftrag Gespräche in Pjöngjang geführt hatte, mit der Botschaft zurück, daß Nordkorea im Streit um sein Atomprogramm zu Konzessionen bereit sei. Die Volksrepublik wolle die Rückkehr der Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) gestatten und außerdem Verhandlungen über den Verkauf von 12000 Brennstäben führen.

* Aus: junge Welt, 21. Dezember 2010


Seoul gab Schießbefehle im Gelben Meer

Militärmanöver nahe der umstrittenen Seegrenze / Nordkorea: Kein "Bedürfnis nach Vergeltung" **

Trotz nordkoreanischer Kriegsdrohungen hat Südkorea am Montag (20. Dez.) die angekündigten Schießübungen nahe der umstrittenen Seegrenze abgehalten.

Die südkoreanische Militärübung fand auf der grenznahen Insel Yeonpyeong im Gelben Meer statt, auf der vor einem Monat bei nordkoreanischem Artilleriebeschuss vier Südkoreaner getötet worden waren.

Nach etwa anderthalb Stunden heftigen Artilleriefeuers übers Meer war die Übung beendet, wie ein Sprecher des Generalstabs in Seoul mitteilte. Zwischenfälle wurden nicht gemeldet. Der UNO-Sicherheitsrat war noch zuvor mit seinen Bemühungen gescheitert, die Krise auf der koreanischen Halbinsel auf diplomatischem Wege zu entschärfen.

Unterdessen berichtete der US-Sender CNN, Nordkorea habe sich bereit erklärt, wieder internationale Atominspekteure in seinen Nuklearkomplex Yongbyon lassen zu wollen. Außerdem wolle das Land über den Verkauf von 12 000 atomaren Brennstäben ins Ausland verhandeln. Nordkorea habe diesen Schritten nach Diskussionen zwischen Regierungsbeamten in Pjöngjang und dem Gouverneur des US-Bundesstaates New Mexico, Bill Richardson, zugestimmt.

Südkorea hatte vor Beginn der Schießübung die noch verbliebenen 280 Bewohner sowie Beamte und Journalisten auf Yeonpyeong in unterirdische Schutzräume geschickt. Auch auf vier anderen südkoreanischen Inseln entlang der Seegrenze vor der Westküste mussten sich die Bewohner in Schutzräume begeben. Nach Berichten südkoreanischer Medien hatte die Marine außerdem zehn Schiffe, darunter einen Zerstörer, ins Gelbe Meer gesandt. Auch Kampfjets standen an der Westküste in Bereitschaft.

Angesichts der Übungen habe Nordkorea die Alarmbereitschaft seiner Truppen erhöht, sagte ein Militärsprecher in Seoul. »Doch unternahm es keine weiteren Provokationen.« Südkoreas Streitkräfte würden aber ihre Bereitschaft aufrechterhalten, um die grenznahen Inseln zu verteidigen.

Eine Reaktion »lohnt sich nicht«, zitierte die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA am Montag Vertreter der nordkoreanischen Armee. Nordkorea »verspürt nicht nach jeder verachtenswerten militärischen Provokation das Bedürfnis nach Vergeltung«, hieß es. Es war die erste offizielle Reaktion aus Pjöngjang auf die Schießübungen nahe der umstrittenen Grenze.

China rief zur Ruhe auf der koreanischen Halbinsel auf. »Niemand hat das Recht, einen Konflikt oder Krieg zu propagieren«, sagte der stellvertretende Außenminister Cui Tiankai vor Journalisten in Peking. Nur durch Gespräche könnten Frieden und Stabilität in der Region erreicht werden. Russland warnte vor einer Destabilisierung der Region. Die beiden Staaten hätten sich nach dem Angriff Nordkoreas auf die Insel Yeonpyeong »am Rand eines bewaffneten Konflikts« befunden, zitierte Interfax einen Vertreter des russischen Außenministeriums. Daher sei nun Zurückhaltung geboten. Südkorea komme diesem Ziel mit seiner Übung nicht nach.

** Aus: Neues Deutschland, 21. Dezember 2010


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