Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Aufmarsch gegen China

Die USA errichten einen Ring von Raketenabwehranlagen in Ostasien

Von Knut Mellenthin *

Die US-Regierung nutzt die Krise auf der koreanischen Halbinsel, um die militärische Einkreisung Chinas zu verstärken. Am Mittwoch gab das Pentagon seine Absicht bekannt, »in den kommenden Wochen« auf Guam eines seiner modernsten Raketenabwehrsysteme, THAAD, zu stationieren. Die Insel im Westpazifik beherbergt einen der größten und strategisch wichtigsten Militärstützpunkte der USA. Die Entfernung zur koreanischen Halbinsel beträgt rund 3400 Kilometer. Ob die Demokratische Volksrepublik (DVRK) Raketen besitzt, die einigermaßen zielgenau über diese Distanz fliegen könnten, ist ungewiß. In jedem Fall gehen die meisten internationalen Experten davon aus, daß Nordkorea noch nicht in der Lage ist, Raketen mit einem nuklearen Sprengkopf auszurüsten.

USA rüsten auf

Die Abkürzung THAAD steht für Terminal High Altitude Area Defence. Die USA besitzen einem Bericht der Washington Post zufolge erst zwei Batterien dieses von Lockheed Martin produzierten Systems. Beide sind zur Zeit in Fort Bliss, Texas, stationiert. Im Rahmen der milliardenschweren Aufrüstung der reaktionären Regimes der arabischen Halbinsel gegen Iran hat das Pentagon außerdem Ende 2011 den Verkauf von zwei THAAD-Einheiten an die Vereinigten Arabischen Emirate vereinbart. Eine fünfte Batterie soll nach Angaben von Lockheed Martin voraussichtlich im Jahr 2015 an die US-Streitkräfte geliefert werden.

Bereits im Februar hatten japanische Medien gemeldet, daß Washington in ihrem Land eine zweite X-Band-Radaranlage errichten wollen, die angeblich dem »Schutz vor einem nordkoreanischen Raketenangriff« dienen soll. US-Präsident Barack Obama und der japanische Premierminister Shinzo Abe hätten sich geeinigt, daß das System in Kyotango, einem an der Küste der Hauptinsel Honshu gelegenen Stützpunkt der einheimischen Streitkräfte, stationiert werden solle, hieß es damals. Im Norden Japans besitzen die US-Streitkräfte schon seit Juni 2006 eine solche Radaranlage, die ebenfalls mit der angeblich von der DVRK ausgehenden Gefahr gerechtfertigt wird. Sie befindet sich im Stützpunkt Shariki, der im äußersten Norden von Hon­shu liegt.

Westliche Medien verkündeten am Donnerstag in reißerischer Aufmachung, daß die DVRK den USA »offiziell« mit einem Atomangriff gedroht habe. Die als ganz aktuell dargestellten Meldungen berufen sich auf eine Erklärung des Generalstabs der Volksarmee vom Mittwoch. Tatsächlich wiederholte diese aber nur eine Anordnung, die Staats- und Parteichef Kim Jong Un, der zugleich Oberkommandierender der Streitkräfte ist, schon am Freitag vor einer Woche gegeben hatte. Sie besagt, daß die Volksarmee »gnadenlos« das Festland der Vereinigten Staaten und deren Stützpunkte im Pazifik, einschließlich Guams und Hawais, angreifen soll, falls »die US-Imperialisten« einen Krieg beginnen.

GIs nach Südkorea

Am Mittwoch berichtete die staatliche Nachrichtenagentur der DVRK, daß ein auf chemische Kriegführung spezialisiertes Bataillon der US-Armee kürzlich von Seattle im Bundesstaat Washington nach Südkorea verlegt worden sei. In einer anderen Meldung wies KCNA darauf hin, daß die USA nach eigenen Angaben nicht nur – wie allgemein behauptet wird – 28500 Soldaten in Südkorea stationiert haben, sondern über 37000. Tatsächlich steht diese Zahl, genauer gesagt 37 354, im offiziellen Base Structure Report für das Steuerjahr 2012. Fast ein Drittel davon, 10977, sind im grenznahen Camp Humphreys stationiert, das jetzt schon die stärksten Garnison der USA in Asien ist. Das derzeit 4,9 Quadratkilometer große Gelände soll in demnächst auf 14,3 Quadratkilometer vergrößert werden und künftig, anstelle des verkehrsmäßig völlig überlasteten Großraums Seoul, das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Südkorea aufnehmen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 5. April 2013


Zerplatzter Traum?

Der Kaesong Industrial Complex galt als Kronjuwel innerkoreanischer Kooperation. Jetzt steht er vor der Schließung

Von Rainer Werning **


Nordkorea kündigte am Mittwoch an, den Kaesong Industrial Complex zu schließen. Wenn das tatsächlich geschähe, verwandelte sich der als Musterbeispiel der Nord-Süd-Kooperation gepriesene Industriepark in einen Schrottplatz.

Unweit des 38. Breitengrads und der sogenannten Entmilitarisierten Zone liegt die nordkoreanische Stadt Kaesong, die während des Koreakrieges (1950–53) gleich mehrfach Ziel heftiger Artillerieattacken war und größtenteils zerstört wurde. Ausgerechnet dort befindet sich mit dem Kaesong Industrial Complex (KIC) ein bis vor kurzem als Kronjuwel innerkoreanischer Kooperation gepriesener Industriepark. Südkorea ist mit Kapital (das Investitionsvolumen beträgt umgerechnet etwa zwei Milliarden US-Dollar) und technologischem Know-how präsent, während der Norden Grund und Boden sowie vergleichsweise billige Arbeitskräfte bereitstellt.

Am Anfang stand das historische Gipfeltreffen zwischen den Staatschefs Kim Dae-Jung und Kim Jong-Il Mitte Juni 2000 in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang. Dort wurde am 15. Juni 2000 die »Gemeinsame Nord-Süd-Erklärung« unterzeichnet, mit der eine enge Zusammenarbeit auf nahezu sämtlichen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens beschlossen wurde. Im wirtschaftlichen Bereich wurde nach intensiven Beratungen vereinbart, eine gemeinsame industrielle Zone zu errichten. Im April 2004 trafen schließlich das südkoreanische Unternehmen Hyundai Asan und das Asiatisch-Pazifische Friedenskomitee Nordkoreas ein entsprechendes Abkommen, wobei die nordkoreanische Seite ein insgesamt 66,1 Quadratkilometer großes Areal für 50 Jahre verpachtete, das in drei Phasen entwickelt werden soll.

Waren 2004 erst zwei südkoreanische Firmen im GIC ansässig, so betrug deren Zahl im Frühjahr 2006 bereits 15 – meist mittelständische – Unternehmen. Bis zum Jahresbeginn 2012 existierten dort bereits 123 Betriebe mit knapp 51000 (vorwiegend nordkoreanischen) Arbeitern. Nach Angaben des Seouler Ministeriums für Vereinigung wurden dort von Oktober 2004 bis Ende Januar 2012 Güter in einem Gesamtwert von 1,5 Milliarden US-Dollar gefertigt. Die im GIC gezahlten Monatslöhne liegen zwischen umgerechnet 57,50 bis 75 US-Dollar – vergleichbar den Löhnen in China (abgesehen von den Sonderwirtschaftszonen an dessen Südküste) und Vietnam. Bei Überstunden erhalten die Arbeiter einen Bonus von 50 bis 100 Prozent. Während das südkoreanische Vereinigungsministerium als verantwortliche Stelle die Arbeiter gern direkt ausbezahlen würde, konnte die nordkoreanische Seite eine andere Lösung durchsetzen. Diese sieht vor, daß die Arbeiter ihre Lohnabrechnungen in südkoreanischer Währung lediglich überprüfen und unterschreiben, anschließend aber nordkoreanische Won ausbezahlt bekommen.

Am 15. März 2006 wurden im Osten und Westen des Landes eigens zwei Bahn- und Straßenverbindungen mit entsprechenden Checkpoints auf südkoreanischer Seite eröffnet. Im Jahre 2003 passierten gerade einmal 3600 Personen und 1200 Fahrzeuge die Grenze im Westen, während es zwei Jahre später bereits 66000 Personen waren. Signifikant ist auch der innerkoreanische Handel gestiegen. 1998 betrug er umgerechnet 222 Millionen US-Dollar, im Jahre 2005 waren es bereits 1,055 Milliarden Dollar. Ende 2010 kam der Nord-Süd-Handel umgerechnet schon auf knapp zwei Milliarden Dollar, wovon annähernd 76 Prozent oder 1,4 Milliarden Dollar direkt über den GIC abgewickelt wurden. Somit war Südkorea nach der Volksrepublik China zum zweitgrößten Handelspartner Nordkoreas avanciert – allen politischen Konflikten zum Trotz.

Südkoreanische Politiker bezeichneten den GIC einst als »Traumfabrik des Friedens und gemeinsamen Wohlstands«. Zweifellos wäre das Potential dazu vorhanden und die Vision in einem einigen, wenn auch nicht unbedingt vereinten Korea verlockend. So könnten nämlich mit einem von der Hafenstadt Busan im Süden bis nach Sinûiju im Nordwesten (an der chinesischen Grenze) wiederhergestellten Eisenbahnnetz wichtige Impulse für ein langgehegtes Projekt gegeben werden: den Nordostasiatischen Gemeinsamen Markt, der den Osten Chinas und Rußlands mit einschließen würde. Bereits vor Jahren prangte am Seouler Hauptbahnhof ein überdimensionales Plakat, auf dem eben diese Orte als Ausgangspunkte der »modernen Seidenstraße« markiert waren – mit Stockholm und Paris als ihre Endpunkte.

** Rainer Werning ist Koautor des 2012 im Wiener Promedia Verlag erschienenen Buches »Korea: Von der Kolonie zum geteilten Land.«

Aus: junge Welt, Freitag, 5. April 2013


Nordkorea: Widersprüchliche Signale

Die Demokratische Volksrepublik Korea sei darauf vorbereitet, die Souveränität des Landes zu verteidigen, aber auch darauf, »einen Atomkrieg mit den Vereinigten Staaten zu verhindern«, heißt es in einer Erklärung der Koreanischen Volksarmee, aus der die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am Donnerstag zitierte. Darin heißt es weiter, Nordkorea werde nach den Provokationen Washingtons in den vergangenen Tagen »starke praktische militärische Maßnahmen« gegen die USA ergreifen: »Tage und Monate sind hier inmitten ständiger Kriegsgefahr vergangen, aber nie zuvor war die Gesamtheit der koreanischen Halbinsel in so großer Gefahr eines Atomkrieges.«

Ebenfalls am Donnerstag berichtete der südkoreanische Verteidigungsminister Kim Kwan Jin Xinhua zufolge, daß die DVRK eine Mittelstreckenrakete an seine Ostküste verlegt habe. Zweck des Manövers sei offenbar ein Testabschuß, hieß es aus Seoul. Im Gegensatz zu einem Bericht der japanischen Tageszeitung Asahi habe es sich jedoch nicht um eine »KN-08« gehandelt, deren Reichweite auf 10000 Kilometer geschätzt wird und die das Festland der USA erreichen könnte, betonte Kim Kwan Jin. Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtete unter Berufung auf südkoreanische Offiziere, es könne sich um eine Rakete vom Typ »Musudan« gehandelt haben, die bis zu 4000 Kilometer weit fliegen und somit den US-Stützpunkt auf Guam im Pazifik erreichen könnte. Die Militärs äußerten dem Bericht zufolge die Vermutung, der Raketenstart könne Mitte April aus Anlaß des Geburtstages von Kim Il Sung, dem langjährigen Staatschef Nordkoreas und Großvater des jetzigen Machthabers Kim Jong Un, erfolgen.




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