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Eine aufgezwungene Hilfe

Das US-Menschenrechtsgesetz für Nordkorea ist in Kraft getreten

Von Young-Jin CHOI*

Das US-Menschenrechtsgesetz für Nordkorea (North Korean Human Rights Act of 2004, NKHRA), das vom US-Kongress, also von beiden Kammern konsensuell verabschiedet und am 18.10.2004 von George W. Bush unterzeichnet wurde, sorgt in Südkorea für Besorgnis. Nordkorea verdammte es bereits als Versuch zum Umsturz des nordkoreanischen Regimes und als Einmischung in innere Angelegenheiten des Landes. Das chinesische Echo ist auch nicht positiv.

Das NKHRA wurde bereits im November 2003 von dem Repräsentanten Jim Leach, der als republikanischer Hardliner gilt, entworfen und zwischendurch mehrfach geändert, bevor es am 28.09.2004 den Senat passierte. Dem NKHRA liegt vor allem zugrunde, dass Abertausende von Nordkoreanern wegen Hungers, politischer Verfolgung und mangelnder Freiheit hauptsächlich nach China flüchten und dort häufig Menschenhändlern in die Hände fallen oder von der chinesischen Regierung wieder nach Nordkorea abgeschoben werden. Das Gesetz umfasst folgende Punkte:
  • Förderung der Menschenrechte in Nordkorea
  • Hilfe für Nordkoreaner in Not
  • Schutz für nordkoreanische Flüchtlinge
Für die Programme zur Unterstützung der Menschrechte und Demokratie in Nordkorea sollen bis 2008 jährlich zwei Millionen Dollar, für die Aktionen zur Förderung der Informationsfreiheit in Nordkorea zwei Millionen Dollar und für Hilfeleistungen außerhalb Nordkoreas 20 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt werden.

Das NKHRA wird von kritischen Intellektuellen in Südkorea vor allem deshalb verworfen, weil hier die Menschenrechte der Nordkoreaner durchaus im politischen Sinne aufgefasst werden. Als Beispiele für Menschenrechtsverletzungen werden z. B. Ausbeutung und Folter von ca. 200.000 politischen Häftlingen in Arbeitslagern und mangelnde Religionsfreiheit in Nordkorea überhaupt genannt. Dabei vergaßen die US-Gesetzgeber wohl, dass die Kriegsfangenen in Abu Ghraib und die politischen Häftlinge in Guantanamo auch nicht besonders menschenwürdig behandelt werden, und dass daher die Besorgnis über die Menschenrechte nordkoreanischer Flüchtlinge wenig überzeugend wirkt, wenn sie sich hier nicht sogar als Vorwand entlarvt. Ignoriert wird vor allem die Tatsache, dass die meisten nordkoreanischen Flüchtlinge aus wirtschaftlichen Gründen, d. h. in der Hoffnung, in China ein materiell besseres Leben führen zu können, ihr Land verlassen. Der Ex-Staatspräsident von Südkorea und Friedensnobelpreisträger Kim Dae Jung sagte in einem Interview mit der Zeitung Kyeong-Hyang, für hungernde Menschen sei das Essen ein fundamentales Menschenrecht und viel wichtiger als politische Freiheit. Die USA liefern zwar Nahrungsmittel nach Nordkorea, weigern sich aber, die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Nordkorea aufzuheben. Es scheint nicht im Sinne der US-Hilfsprogramme zu liegen, dem nordkoreanischen Volk Hilfe zur Selbsthilfe zukommen zu lassen. Von daher gilt das NKHRA in Südkorea auch als "Projekt zur Massenflucht aus Nordkorea". Allerdings ist es auch möglich, dass das NKHRA nordkoreanischen Bürgern die Flucht zusätzlich erschwert. Das nordkoreanische Regime wird sicher jegliche private Ausreise von eigenen Bürgern nach China viel schärfer kontrollieren, wenn nicht unterbinden.

Bei der Behandlung der bereits nach China geflüchteten Nordkoreaner kann es zum Konflikt zwischen China und den USA kommen, da das NKHRA Chinas Rolle nur einseitig bestimmt. Danach soll China z. B. dem UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge den unbehinderten Zugang zu den nordkoreanischen Flüchtlingen in China ermöglichen. Die genaue Anzahl der nordkoreanischen Flüchtlinge in China ist bislang unbekannt. Nach offiziellen Angaben der chinesischen Regierung sollen es 10.000 sein, laut UNO-Statistik jedoch 30.000 und nach Schätzungen mancher NGOs sogar 300.000. Die chinesische Regierung reagierte allerdings auf das NKHRA mit dem Beschluss, alle NGOs, die nordkoreanischen Flüchtlingen in China helfen, streng zu bestrafen. Wenn Südkorea diese Leute massenweise aufnehmen würde, so Kim Dae Jung, würde das nordkoreanische Regime dies evtl. als Entführung nordkoreanischer Bürger durch die USA und Südkorea ansehen und das geplante Sechs-Nationen-Gespräch ablehnen.

Das NKHRA scheint ein Projekt mit wenig Umsetzungsmöglichkeiten darzustellen. Man fragt sich, worauf dieses Gesetz ursprünglich abzielte. Der Abgeordnete der regierenden Uri-Partei Chung Bong Ju, der schon mehrfach vor dem NKHRA warnte, hält dieses Gesetz für ein Druckmittel unter anderen, die die Neokonservativen der USA gegen Nordkorea anwenden. Solch ein Kurs der Provokation sei schließlich durch die Wiederwahl von George W. Bush bestätigt worden. Chung meint aber, das Problem der Menschenrechte in Nordkorea könnte nicht per US-Gesetz, sondern nur auf der Ebene der UNO gelöst werden, um die Spannungen zwischen Nordkorea und den USA nicht noch weiter zu verschärfen.

* Young-Jin CHOI ist Lehrbeauftragte für Deutsch an der Seoul National University in Südkorea


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