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Ein Elefant im Porzellanladen

Über die seltsamen Aktivitäten des Herrn Vollertsen in Korea

- Kommentar -

Von Young-Jin CHOI*

Für die meisten Deutschen sind die Vorgänge auf der koreanischen Halbinsel so weit weg, dass sie nur selten ihr Interesse auf sich ziehen. Umso größer ist das Aufsehen, das dort kürzlich ein Deutscher durch sein übersteigertes Engagement für die Befreiung der hungernden Nordkoreaner erregte.

Norbert Vollertsen, Arzt aus Deutschland, wohnt seit Jahren in Südkorea und arbeitet bei einer Hilfsorganisation für Flüchtlinge aus Nordkorea, nachdem er 18 Monate in nordkoreanischen Krankenhäusern gearbeitet hat. Am 22. August sorgt er mit einer politischen Aktion für Schlagzeilen: Er und seine Helfer wollen Radios per Ballon nach Nordkorea schicken. Die Aktion wird von der Polizei verhindert und führt schließlich zu Krawallen. Enttäuscht und empört klagt Herr Vollertsen South Korea's Spoilers an - so heißt sein Beitrag im Wall Street Journal (27.08.2003). Er verschweigt allerdings, dass die verhinderte Aktion ursprünglich bei der Polizei nicht angemeldet, deshalb illegal, war, und spricht von der angeblichen Bürgerrechtsverletzung in Südkorea. Er beschwert sich im Grunde darüber, dass seine Aktivitäten in Südkorea, besonders bei Intellektuellen, ein negatives Echo finden. Seine Kritik richtet sich nicht nur gegen das "Schurkenregime (evil regime)" Nordkoreas, sondern auch gegen die friedfertige Nordkoreapolitik der südkoreanischen Regierung.

Entweder ist Herr Vollertsen ein ultra-rechter Aktivist, der sich bei den Washingtoner Hardlinern plump anzubiedern versucht, oder er ist ein naiver, etwas narzisstischer Humanist, der einem ihm unmündig erscheinenden Volk sein gut gemeintes Hilfsprogramm aufdrängt. Er sieht diplomatische Versuche wie das Gipfeltreffen zum Thema Atomwaffen als nebensächlich an. Das Wichtigste sei, das "Schurkenregime" zu Fall zu bringen. Dabei überträgt er die politische Wende in Deutschland, also den Zusammenbruch der DDR, mechanisch auf Korea. Er meint, man sollte vor allem die abgeschotteten, normalen Bürger in Nordkorea über die Außenwelt informieren, damit sie aus dem Land flüchten. Die Massenflucht der Bürger würde zum Sturz des Regimes führen.

Selbstverständlich interessieren sich die Südkoreaner für die deutsche Geschichte in Bezug auf die Wiedervereinigung. Man kann hoffen, dass die Nordkoreaner irgendwann den Mut zur Demokratie aufbringen wie die Ostdeutschen damals. Aber die beiden Koreas sind leider in einem Maße verfeindet, wie das zwischen Ost- und Westdeutschland nicht der Fall war. Noch heute sind sowohl die Nordkoreaner als auch viele Südkoreaner von den Ideologien des Kalten Krieges nicht frei. Im vergangenen Jahr haben nord- und südkoreanische Soldaten wieder aufeinander geschossen. Erst vor wenigen Jahren haben getrennte Familienangehörige aus Nord- und Südkorea zum ersten Mal einander treffen können. Kurz gesagt: Ohne die Entspannung der beiden Koreas, die sicherlich ein langwieriger Prozess sein wird, würde ein Flüchtlingsstrom aus Nordkorea bloß ein Chaos darstellen.

Tatsächlich häufen sich Meldungen über nordkoreanische Flüchtlinge. Viele Nordkoreaner sind also trotz aller Abschottungsversuche des Regimes irgendwie über die Außenwelt informiert. Wenn man an den Fortschritt der Geschichte glaubt, scheint die Vereinigung Koreas eine Frage der Zeit zu sein. Die schlimmste Version wäre allerdings, dass die Koreaner wiederum das Schicksal des eigenen Landes nicht selbst bestimmen könnten. Es ist nicht wünschenswert, dass die Weltmächte, zum Beispiel die USA, Russland, China und Japan alle wichtigen Entscheidungen über Korea treffen, während Korea am Katzentisch sitzt. Langsam wächst in der südkoreanischen Bevölkerung aber das Bewusstsein, dass es darauf ankommt, selbst der eigenen Probleme Herr zu werden.

* Young-Jin CHOI ist Lehrbeauftragte für Deutsch an der Seoul National University in Südkorea


Einige Aktivitäten des Herrn Vollertsen
(Aus: Chronik wichtiger Ereignisse)

Die zehn Nordkoreaner, die Zuflucht in der japanischen Botschaft in Thailand gesucht haben, sind nach Angaben des deutschen Arztes Norbert Vollertsen von seiner Menschenrechtsbewegung unterstützt worden. Das Netzwerk plane weitere solcher Aktionen, um auf das Leiden der nordkoreanischen Bevölkerung aufmerksam zu machen, erklärte Vollertsen in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul (am 2. August). Das nächste Ziel sei "eine deutsche Einrichtung in der Nähe", sagte er. Vollertsen, der bis Ende 2000 rund 18 Monate lang in Nordkorea tätig war, äußerte in einem AP-Telefoninterview die Hoffnung, dass eine Massenflucht aus dem kommunistischen Land zu einem friedlichen Umsturz führen könnte. Die Unterstützergruppe plane unter anderem Fluchtaufrufe per Luftballons und über Radiogeräte, die nach Nordkorea geschmuggelt werden sollten.

Die südkoreanische Polizei hat am 22. August eine Gruppe um den deutschen Arzt Norbert Vollertsen daran gehindert, Helium-Ballone mit kleinen Radios nach Nordkorea aufsteigen zu lassen. Bei der Aktion wurde Vollertsen verletzt.

Während der Welt-Universiade ist es am 24. August zu Zusammenstößen zwischen Delegierten aus Nordkorea und Gegnern des nordkoreanischen Atomprogramms gekommen. Eine Gruppe von etwa 20 Demonstranten zeigte Plakate mit Aufschriften wie "Nieder mit (dem nordkoreanischen Staatschef) Kim Jong Il" und mit Bildern hungernder Kinder in dem kommunistischen Land. Mehrere als Reporter für die Spiele im südkoreanischen Daegu akkreditierte Nordkoreaner griffen die Demonstranten an. Bei dem folgenden Handgemenge wurde auch der deutsche Arzt Norbert Vollertsen (siehe auch Chronik vom 22. August) zu Boden gerissen. Er wurde mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Über seinen Zustand war zunächst nichts bekannt. Vollertsen hat lange in Pjöngjang gearbeitet und mehreren Nordkoreanern zur Flucht verholfen. Die südkoreanische Polizei trennte die streitenden Parteien.



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