Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Vorgeschoben

Die US-Regierung bläst Nordkorea zur Gefahr auf, um die militärische Einkreisung Chinas zu rechtfertigen

Von Knut Mellenthin *

Anläßlich der derzeit stattfindenden US-Manöver auf der Halbinsel hat der nordkoreanische Staats-, Partei- und Militärchef Kim Jong Un den Streitkräften seines Landes am Sonntag einen »Kampfbefehl« erteilt. Der Operationsplan sieht die Abwehr möglicher Angriffe der USA und ihrer südkoreanischen Verbündeten vor.

Zuvor hatte Kim am Sonnabend in einer Rede angekündigt: »Wenn die Feinde auch nur eine einzige Granate auf unser unverletzliches Territorium und unsere Territorialgewässer abfeuern, wird die Koreanische Volksarmee ihnen tödliche Schläge erteilen und eine allumfassende Gegenoffensive zur Erlangung der nationalen Wiedervereinigung durchführen.« – Ähnliche Formulierungen standen schon am Freitag in einem Leitartikel der Regierungszeitung Minju Joson. Dort hieß es ferner, man werde »den Provokateuren die wahre Kraft unserer Waffen zeigen«. »Die Zeit kommt schnell näher, wo die Kriegsprovokateure auf den Feuerschauer treffen werden.«

Noch vor dem Beginn der zwölftägigen Manöver hatte Kim eine Rundreise zu militärischen Standorten in Grenznähe unternommen und die Streitkräfte aufgerufen, sich auf einen »heiligen Krieg« vorzubereiten. Diese Tonart ist indessen nicht ungewöhnlich, sondern entspricht den routinemäßigen Reaktionen der Demokratischen Volksrepublik auf die häufigen umfangreichen Militärübungen der USA und ihrer südkoreanischen Verbündeten.

Die gegenwärtigen Manöver unter dem Namen »Ulji Freiheitswächter« begannen am Montag vor einer Woche und sollen noch bis Freitag dauern. Beteiligt sind neben 56000 südkoreanischen Soldaten auch bis zu 33000 Angehörige der US-Streitkräfte. Das sind praktisch die gesamten dort stationierten US-Truppen, die kurzzeitig durch mehr als 3000 Soldaten aus anderen Standorten verstärkt wurden.

Nach eigener Darstellung unterhalten die USA in Südkorea ein ständiges Kontingent von rund 28500 Militärpersonen, von denen knapp 20000 zur Army und 8800 zur Air Force gehören. Das ist nach Japan die zweitstärkste Massierung amerikanischer Truppen in Ostasien. Auf den japanischen Inseln sind die USA mit 38000 Soldaten präsent, die von rund dem Doppelten an Zivilpersonal unterstützt werden.

Das starke militärische »Engagement« der Vereinigten Staaten in diesem Raum wird hauptsächlich mit der angeblich von Nordkorea ausgehenden Gefahr begründet und gerechtfertigt. Die Regierungsdoktrin, die Präsident Barack Obama erst vor zwei Monaten wieder zitierte, als er die Verlängerung der Sanktionen gegen die DVRK anordnete, lautet allen Ernstes, Nordkorea stelle »eine ungewöhnliche und außerordentliche Bedrohung« für die nationale Sicherheit, die Außenpolitik und sogar für die Wirtschaft der USA dar.

Tatsächlich ist die Existenz der DVRK mit ihrer oft verbalradikalen Rhetorik für die US-Regierung ein gern angenommener, allzeit griffbereiter Vorwand, um militärische Maßnahmen in der Region zu rechtfertigen, von denen es stets mit durchsichtigster Scheinheiligkeit heißt, sie seien »nicht gegen China gerichtet«.

Das US-Außenministerium bestätigte am vorigen Donnerstag einen Bericht des Wall Street Jornals, wonach die USA in wenigen Monaten ein neues leistungsstarkes Radarsystem zur Raketenabwehr an einem noch unbekannten Standort in Südjapan errichten wollen. Möglicherweise soll dieses noch durch eine ähnliche Anlage auf den Philippinen ergänzt werden. Schon seit 2006 gibt es so ein Radarsystem im Norden der japanischen Hauptinsel Honschu. Die drei Standorte zusammen würden, so das Wall Street Journal, »einen Bogen schaffen, der es den USA und ihren regionalen Verbündeten erlauben würde, jede von Nordkorea oder Teilen Chinas abgeschossene ballistische Rakete genauer zu verfolgen«. Amerikanische Militärplaner sind dem Blatt zufolge besonders über die Entwicklung chinesischer Anti-Schiff-Raketen besorgt, die sogar für die Flugzeugträger der US-Navy eine Gefahr darstellen könnten.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 28. August 2012


Zurück zur (Nord-)Korea-Seite

Zur China-Seite

Zur Neuen-Weltordnungs-Seite

Zurück zur Homepage