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Moskau sieht "ernste Gefahr"

Russland setzt nach Nordkoreas Atomtest auf neue Verhandlungen

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Der russische Generalstab hat die militärische Aufklärung angewiesen, »fortlaufend und unverzüglich« über alle Veränderungen auf der koreanischen Halbinsel zu berichten.

Die erhöhte Wachsamkeit des russischen Generalstabs hat einen guten Grund: Pjöngjangs Kernwaffentests zu Wochenbeginn fanden nur 140 Kilometer von der Grenze zu Russland entfernt statt. Das, so Konstantin Kossatschow, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses der Duma, sei, was radioaktive Strahlung und andere mögliche Folgen betreffe, für Russland eine »ernste Gefahr«. Besorgniserregend, erklärte Kossatschow, der Nordkorea mehrfach besuchte und gute Kontakte zu Spitzenbeamten des Regimes hat, sei zudem, dass die Situation diesmal »grundlegend anders« als bei bisherigen Eskapaden von Staatschef Kim Jong Il sei.

Früher habe dieser versucht, die internationale Gemeinschaft zu erpressen und als Gegenleistung für die Einstellung seines Atomwaffen- und Raketenprogramms die Aufhebung von Sanktionen, die Freigabe der Auslandskonten oder Lieferungen von Treibstoff und Hilfsgütern verlangt. Diesmal, so Kossatschow in einem halbstündigen Interview für Radio »Echo Moskwy«, habe es keinerlei Forderungen gegeben und das lasse den Schluss zu, dass Pjöngjang nicht bereit ist, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Auch gebe es Gerüchte, wonach Nordkorea schon in den nächsten Tagen weitere Tests plant. Sowohl von Kernwaffen als auch von Raketen.

Bei der Reichweite von Letzteren tappt auch Russland bisher weitgehend im Dunkeln. Kossatschow geht von maximal 150 bis 180 Kilometer aus, Alexander Goltz, ein unabhängiger Militärexperte, sogar von 500 bis 1000 Kilometer.

Russland aber hat im Fernen Osten keine nennenswerte Abwehr für Kurz- und Mittelstreckenraketen. Sorgen, so Goltz, bereite der russischen Abwehr auch, dass bisher nicht klar ist, ob es sich bei den nordkoreanischen Atomwaffen um Bomben wie in der Frühzeit des Kalten Krieges handelt, die nur von Flugzeugen abgeworfen werden können, oder kleine Gefechtsköpfe, mit denen Raketen bestückt werden. Eine Zündung stelle für Russland auch dann eine Bedrohung dar, wenn sie auf nordkoreanischem Territorium erfolgt. Selbst ein banaler Unfall bei Tests könne zu flächendeckender atomarer Versuchung in Russisch-Fernost führen.

Zwar verbietet die. UN-Resolution 1718 von April 2006 Nordkorea den Bau von Raketen zu militärischen Zwecken. Das Dokument, kritisierte Außenpolitiker Kossatschow, ziehe jedoch keine klaren Grenzen zwischen militärischer und Raumforschung. Eben darauf berief sich Pjöngjang denn auch Anfang April 2009 beim angeblichen Start eines Nachrichtensatelliten. Die Nachbarn vermuteten den Test einer Interkontinentalrakete. Die damals von der UNO verabschiedete scharfe Resolution leitete die aktive Phase der gegenwärtigen Krise ein.

Seine Gesprächspartner in Pjöngjang, so Kossatschow weiter, hätten die Notwendigkeit eigener Kernwaffen vor allem mit US-amerikanischen Kernwaffen auf Basen in Südkorea begründet. Präsident Dmitri Medwedjew müsse daher Anfang Juli beim Gipfel mit US-Präsident Barack Obama in Moskau diesen unbedingt überzeugen, »der Versuchung zu widerstehen, das Nordkorea-Problem wie Vorgänger Bush in Irak zu lösen«.

Die neue, von Japan eingebrachte Resolution, deren Erörterung der UNO-Sicherheitsrat in New York am Donnerstag fortsetzte, dürfe eine Bestrafung Nordkoreas nicht zum Selbstzweck machen, warnte auch Außenminister Sergej Lawrow. Sie müsse vielmehr Voraussetzungen für die Wiederaufnahme der Sechser-Verhandlungen und die Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags schaffen.

* Aus: Neues Deutschland, 29. Mai 2009

Weitere aktuelle Meldungen

Russlands UN-Botschafter: Keine Deadlines für UN-Resolution zu Nordkoreas Atomtests

UNO / NEW YORK, 29. Mai (RIA Novosti). Die Arbeit an einer Resolution des UN-Sicherheitsrates im Zusammenhang mit den Atomtests in Nordkorea wird in den nächsten Tagen fortgesetzt. Diese Arbeit hat keinen Zeitrahmen, betonte Russlands UN-Botschafter Vitali Tschukin.

Nach Abschluss der 2. Konsultationsrunde von Vertretern der fünf UN-Veto-Länder sowie der Delegationen Japans und Südkoreas teilte der Diplomat Journalisten mit, dabei habe "lediglich ein Meinungsaustausch stattgefunden, am Donnerstag (28. Mai) wurde Einiges davon zu Papier gebracht".

"Diese normale Arbeit wird auch morgen und am Montag fortgesetzt", so Tschurkin. "Es gibt keine Deadlines, die wir einhalten sollten."

Auch die UN-Botschafter der USA und Großbritanniens stellten fest, dass die Arbeit an der Resolution einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

"Wir werden die Arbeit fortsetzen, zum Wesen (der Resolution) kann ich aber vorerst nichts sagen", betonte die US-Diplomatin Susan Rice.

Der britische UN-Chefdelegierte John Sawers fügte hinzu: "Zwischen den sieben Ländern hat ein guter Meinungsaustausch stattgefunden. Wir brauchen aber noch etwas Zeit. Wir werden unsere Bemühungen am Freitag (29. Mai) und am Montag (1. Juni) fortsetzen."

Das Dokument, dass die Teilnehmer der 5+2-Konsultationen konzipieren sollen, wird anschließend den anderen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates zur Erörterung vorgelegt.


Ehemaliger Pentagon-Chef warnt vor Krieg gegen Nordkorea

WASHINGTON, 28. Mai (RIA Novosti). Der ehemalige US-Verteidigungsminister William Perry hat aufgerufen, auf Chinas und Russlands diplomatische Erfahrungen zurückzugreifen, um Nordkorea trotz seines jüngsten Atomtests wieder an den Verhandlungstisch zu bringen.

„Ich empfehle keinen Militäreinsatz gegen Nordkorea", sagte Perry am Donnerstag bei einem Runden Tisch des Council on Foreign Relations in Washington.

Obwohl das nordkoreanische Atom- und Raketenprogramm die Region einschließlich der USA gefährde, bestehe die wirksamste Lösung darin, Pjöngjang wieder an den Verhandlungstisch zu bringen: „Jeder Militäteinsatz wird nicht so effizient sein".

Auf diesem diplomatischen Weg sollten die USA laut Perry auf breite Erfahrungen anderer Länder wie Russland und China zurückgreifen.

Der von Pjöngjang am Montag gemeldete Atomtest war international, darunter auch in Moskau, auf scharfe Kritik gestoßen. Auch der UN-Sicherheitsrat verurteilte Nordkoreas Vorgehen. br>
Beide Meldungen aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 29. bzw. 28. Mai 2009




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