Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Atomwaffentest in Nordkorea

Folgt nun ein nuklearer Rüstungswettlauf in Asien?

Von Wolfgang Kötter *

Am gestrigen Vormittag (9.10.2006) um 10.36 Uhr Ortszeit zündete die KDVR einen unterirdischen nuklearen Sprengsatz nahe der Stadt Kilju in der nordöstlichen Provinz Hamkyong. Das Außenministerium hatte diesen Schritt bereits vor einer Woche angekündigt und damit die von den Medien seit Monaten verbreiteten Vermutungen über einen bevorstehenden Atomwaffentest bestätigt. US-amerikanische und japanische Satelliten hatten auffällige Bauarbeiten und verdächtige Bewegungen von Lastwagen, Kränen und anderem schwerem Gerät gemeldet. Die USA beorderten ein Aufklärungsflugzeug zur Messung radioaktiver Strahlung von einer Militärbasis im Süden Japans in die Region. Die von Südkorea extra installierte seismische Kontrollstation maß zum Zeitpunkt des Tests einen Erdstoß der Stärke 3,58 und das US-Amt für geologische Beobachtungen gab sogar eine Erderschütterung von 4,2 auf der Richterskala an. Auch die Kontrollsysteme der internationalen Teststopp-Organisation (CTBTO) in Wien registrierten den Nukleartest, dessen Sprengkraft mit 550 Tonnen des herkömmlichen Sprengstoffs TNT [1] angegeben wurde.

Mit dem nun erfolgten Atomwaffenversuch beschreitet die Führung in Pjöngjang den Abschiedsweg vom internationalen Nichtverbreitungsregime hartnäckig weiter. Zwar war die KDVR im Jahre 1985 dem Kernwaffensperrvertrag beigetreten, doch erst sieben Jahre unterzeichnete sie das Kontrollabkommen mit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA. Immer wieder tauchten Vermutungen über illegale Nuklearaktivitäten auf. Verdacht erregte zunächst die Möglichkeit, das aus den Schwerwasserreaktoren sowjetischer Bauart gewonnene Plutonium zur Waffenentwicklung abzuzweigen, und tatsächlich fehlten bei einer Routineinspektion 15 kg waffenfähiges Plutonium. Bis heute ist deren Verbleib nicht geklärt, die Menge reicht immerhin zum Bau von zwei Atomsprengköpfen aus. Auch Hinweise auf eine geheime Urananreicherung und Transporte von Tausenden ausgedienten Brennstäben aus der Nuklearanlage in Yonbyong zur Wiederaufbereitung deuteten auf die Gewinnung waffentauglichen Spaltmaterials hin. Die Forderung nach ungehindertem Zugang zu allen Nuklearanlagen beantwortete die koreanische Führung zunächst mit einem Kontrollboykott für IAEA-Inspektoren und trat im Jahre 2003 gänzlich aus dem Nichtvebreitungsvertrag aus. Diese Entwicklung löste weltweite Besorgnis und diplomatische Bemühungen aus, die schließlich zu Sechsergesprächen führten, an denen neben Nord- und Südkorea auch die USA, China, Russland und Japan teilnehmen. Vor einem Jahr schien ein Durchbruch erreicht, als die KDVR ihre Bereitschaft verkündete, das Kernwaffenprogramm aufzugeben und in den Atomwaffensperrvertrag wie auch in die IAEA zurückzukehren. Die USA ihrerseits versprachen, auf die Stationierung von Nuklearwaffen in Südkorea zu verzichten und eine Nichtangriffserklärung abzugeben. Gleichzeitig wurde ein umfangreiches Paket wirtschaftlicher Hilfe bei der Überwindung der katastrophalen ökonomischen Lage sowie der permanenten Hungersnöte der nordkoreanischen Bevölkerung vereinbart. Seit November liegen die Verhandlungen jedoch auf Eis, nachdem die Bush-Regierung ihren Ton gegenüber Pjöngjang deutlich verschärft hatte. Washington verhängte eine Reihe von Strafmaßnahmen wegen mutmaßlicher Verbreitung von gefälschten Dollarnoten, Geldwäsche, Menschenrechtsverletzungen, Drogenschmuggel und Waffenhandel. Aus Verärgerung über die Sanktionen, die unter anderem die Sperrung der nordkoreanischen Devisenkonten auf der Asienbank Macao enthalten, zeigt Nordkorea den Sechsergesprächen bis heute die kalte Schulter. Darüber hinaus beendete es das seit 1999 bestehende Moratorium für Raketentests. Das Land entwickelt und erprobt zur Zeit verschiedene Typen von Mittelstreckenraketen, aber auch die mehrstufige Taepodong-2-Rakete mit einer Reichweiten von bis zu 6 700 km, die Japan sowie die Westküste der USA erreichen kann. Im Anschluss an eine Serie von sieben Raketentests Anfang Juli hatten die USA im UNO-Sicherheitsrat eine Resolution mit Boykottmaßnahmen gegen das Raketenprogramm durchgesetzt, die Pjöngjang als „De-facto Kriegserklärung“ bezeichnete. Selbst China und Russland hatten der Resolution zugestimmt. Auch jetzt wird das Weltgremium zu einer Dringlichkeitssitzung zusammentreten, hatte es doch bereits unmittelbar vor dem Test vor den negativen Konsequenzen für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit gewarnt, vorerst jedoch auf die Androhung konkreter Sanktionen verzichtet. Pjöngjang ließ sich davon offensichtlich nicht beeindrucken und begründet sein Handeln mit der „Drohung eines Atomkrieges“ durch die USA, den es abzuschrecken gelte.

Abzuwarten bleibt nun, welche Strategie Nordkoreas Führer Kim Jong Il weiter verfolgen wird. Nach Expertenschätzungen besitzt die KDVR genügend Spaltmaterial, um bis zu 12 nukleare Sprengköpfe herzustellen. Bereits Anfang 2005 hatte das Land den Besitz von Atomwaffen erklärt, ohne bisher allerdings deren Funktionstüchtigkeit durch einen Kernwaffentest nachgewiesen zu haben. Unklar ist, ob die „nukleare Karte“ eher zur Abwendung eines befürchteten amerikanischen Militärschlages nach dem Beispiel des Irak-Krieges, oder lediglich als Diplomatie-Trumpf um Zugeständnisse in den Sechsergesprächen bzw. den angestrebten bilateralen Verhandlungen mit den USA dient. Möglicherweise hofft Pjöngjang auf ein ähnliches Verhalten der Staatengemeinschaft wie gegenüber den Nukleartests Indiens und Pakistans im Jahre 1998. Nach anfänglichen Protesten hat die Welt beide Staaten inzwischen stillschweigend als Atommächte respektiert. Wahrscheinlicher erscheint jedoch zunächst eine Verschärfung von Sanktionen und Boykottmaßnahmen, denn zahlreiche Regierungen haben den Nukleartest bereits verurteilt. Die Hardliner in Washington fordern sogar militärische Blockadeoperationen der US-Navy. Ob sie allerdings geeignet sind, die nordkoreanische Führung zum Einlenken zu zwingen ist zweifelhaft. Skeptiker fürchten vielmehr, dass nun ein Dominoeffekt ausgelöst wird, bei dem als nächstes Japan, Taiwan und Südkorea Atomwaffen erwerben könnten. "Ich glaube, das hätte katastrophale politische Folgen in Asien und im Rest der Welt", befürchtete der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA El-Baradei bereits vorab.

[1] Die Sprengkraft von Nuklearsprengköpfen wird bezogen auf den herkömmlichen Sprengstoff Trinitrotoluol (TNT) angegeben.

Kernwaffenversuche 1945 - 2006

Land Anzahl Testgebiete
USA 1.146 New Mexico und Südpazifik, später Wüste von Nevada
UdSSR/Russland 715 Nowaja Semlja, Semipalatinsk
Frankreich 215 Sahara, später Polynesieninseln Moruroa und Fangataufa
China 45 Wüste Lop Nor
Großbritannien 44 Südpazifik, später Wüste von Nevada
Pakistan 6 Chagai-Berge in Baluchistan
Indien 5 Thar-Wüste von Rajasthan
KDVR 1 Provinz Hamkyong
gesamt 2.177 -

Quellen: Arms Control Association; Bulletin of the Atomic Scientists

Kontrollsystem der internationalen Teststopporganisation (CTBTO)

Im Zentrum des weltweiten Netzwerks von Beobachtungsposten in 89 Ländern steht ein globales System von 170 seismischen Stationen. Es kann eventuelle unterirdische Nuklearexplosionen registrieren und von den jährlich etwa 50 000 natürlichen Erdbeben unterscheiden. 80 Radionuklid-Detektoren und 60 Infraschallgeräte beobachten außerdem die Atmosphäre, während 11 hydroakustische Systeme die Weltmeere kontrollieren. Satelliten übermitteln die Informationen zum Internationalen Datenzentrum an der Donau, wo sie gespeichert, analysiert und an die Vertragsparteien übermittelt werden. Das Weltraum gestützte Globale Kommunikationsystem lieferte außerdem mehr als Hunderttausend detaillierte Angaben über Erdbeben, Vulkanausbrüche, Bergwerksunglücke, Flugzeugzusammenstöße sowie auffällige Umwelt- und Wettererscheinungen. Mehr als die Hälfte der Beobachtungsposten - darunter über 160 Kontrollstationen und fünf Analyselabors - sind bereits einsatzfähig und erprobt. Die technischen Überwachungen werden ergänzt durch Transparenzmaßnahmen, Konsultationen zur Klärung von Zweifelsfällen und Vor-Ort-Inspektionen.


* Dieser Beitrag erscheint - leicht gekürzt - am 10. Oktober 2006 im "Neuen Deutschland"

Security Council members 'strongly condemn' nuclear test by DPR Korea

9 October 2006 – The United Nations today strongly condemned the reported nuclear test by the Democratic People’s Republic of Korea (DPRK), calling it “a grave challenge” that violates international norms, aggravates regional tensions and creates serious security issues for the world community.

The Security Council held consultations on the issue this morning, after which the President of the 15-member body for October, Japanese Ambassador Kenzo Oshima, told reporters that members strongly condemned the reported test and urged the DPRK to refrain from further testing and return to the so-called Six-Party Talks that have been seeking to resolve the issue of its nuclear programme.
Mr. Oshima said an expert-level meeting was scheduled later today to discuss a draft resolution. On Friday the Council warned the DPRK of unspecified action if it went ahead with the test, which it said would represent a clear threat to international peace and security.

In a statement issued by his spokesman, Secretary-General Kofi Annan said he was “deeply concerned” and also called for urgent resumption of the Talks between China, DPRK, Japan, Republic of Korea, Russia and the United States that have been going on sporadically in Beijing for several years. “This action violates international norms of disarmament and non-proliferation, as well as the current international moratorium on nuclear testing,” the statement said. “It aggravates regional tensions in and around the Korean Peninsula, and jeopardizes security both in the region and beyond.” Mr. Annan calls on all parties “to respond to this grave challenge in a constructive manner,” it added. “The Secretary-General views this test as yet another reason for the international community to renew its collective effort to bring the Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty (CTBT) into force and to make progress towards multilateral nuclear disarmament.”

The head of the UN atomic watchdog agency also voiced serious concern. “The breaking of a de facto global moratorium on nuclear explosive testing that has been in place for nearly a decade and the addition of a new State with nuclear weapon capacity is a clear setback to international commitments to move towards nuclear disarmament,” International Atomic Energy Agency (IAEA) Director General Mohamed ElBaradei said. “This reported nuclear test threatens the nuclear non-proliferation regime and creates serious security challenges not only for the East Asian region but also for the international community,” he added. Dr. ElBaradei reiterated the urgent need, “more than any time before,” for establishing a legally binding universal ban on nuclear testing through the early entry into force of the CTBT. A resumption of dialogue between all concerned parties is “indispensable and urgent,” he said.

Quelle: www.un.org



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