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Nordkoreas Armeechef abgelöst

Vizemarschall Ri galt als Vertrauter des verstorbenen Staatschefs *

Das Politbüro der Partei der Arbeit Koreas hat den Armeechef des Landes aus allen Ämtern entlassen. Als Grund wurde in Pjöngjang eine Erkrankung angegeben.

Der Generalstabschef der nordkoreanischen Volksarmee, Ri Yong Ho, ist überraschend aller seiner Aufgaben entbunden worden. Die Nachrichtenagentur KCNA gab am Montag gesundheitliche Gründe für diesen Schritt an. Die südkoreanische Regierung bezeichnete die Amtsenthebung Ris als »äußerst ungewöhnlich«, Experten deuten sie wie stets als mögliche Folge von Machtkämpfen innerhalb der KDVR-Führung.

Der Beschluss, Ri seiner Ämter zu entheben, sei am Sonntag bei einer Sitzung des Politbüros der Partei der Arbeit Koreas gefallen, berichtete KCNA. Grund sei dessen nicht näher genannte »Krankheit «. Ri war seit 2009 Chef des Generalstabs der Streitkräfte. Er war zudem Vizevorsitzender der einflussreichen Zentralen Militärkommission und Mitglied des Präsidiums des Politbüros der Partei. Von all diesen Posten wurde Ri nun entbunden, wie KCNA berichtete.

Der Vizemarschall galt als Vertrauter des verstorbenen Staatschefs Kim Jong Il und begleitete ihn auf vielen seiner Reisen. Als Kim Jong Il im Dezember 2011 starb, war Ri einer der sieben ranghohen Vertreter von Partei und Militär, die zusammen mit dem Sohn des Verstorbenen, Kim Jong Un, bei dem Trauerzug direkt neben dem Wagen mit dem Sarg liefen.

Der 69 Jahre alte Ri galt als Mitglied des engsten Führungszirkels in Pjöngjang, der Kim Jong Un bei der Übernahme der Macht begleiten und unterstützen sollte. In den vergangenen Monaten wurde Ri immer wieder an der Seite Kim Jong Uns gesehen. Er begleitete ihn auch noch bei der jüngsten Gedenkzeremonie zum Todestag des »ewigen Präsidenten « Kim Il Sung am 8. Juli.

Ein Sprecher des südkoreanischen Verteidigungsministeriums in Seoul sagte am Montag, die Situation im Norden werde »mit Interesse « verfolgt. Weitere Angaben wollte er nicht machen. Yang Moo Jin von der Universität für Nordkorea-Studien in Seoul sagte gegenüber AFP, möglicherweise sei Ri bei Kim Jong Un in Ungnade gefallen oder habe einen Machtkampf innerhalb des Militärs verloren.

Paik Hak Soon vom Sejong-Institut mutmaßte, Kim Jong Un wolle durch die Entlassung Ris die Macht der Partei über das Militär stärken. »Jong Un wird sicherstellen, dass jetzt die Partei die übergroße Armee kontrolliert – damit hatte sein Vater Ende 2010 vor seinem Tod begonnen.« Vermutlich werde Kim nun einen jüngeren Offizier einsetzen, der engere Verbindungen zur Partei der Arbeit hat und sich leichter kontrollieren lasse, sagte der Experte. Nordkoreas Armee ist mit 1,2 Millionen Soldaten eine der größten der Welt.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 17. Juli 2012


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